Ausstellung:Das Inferno

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Darstellung des Großbrands von Großberghofen im Jahr 1823. Nur drei Höfe blieben verschont. (Foto: Toni Heigl)

Vor 200 Jahren wurde Großberghofen beinahe vollständig von einem Feuer vernichtet. Eine Ausstellung im Hutter-Museum erinnert an die Brandkatastrophe - und auch an den außerordentlichen Zusammenhalt der Leute in der Not.

Von Renate Zauscher, Erdweg

"Feuer - beim Kötzerbaurn brennts" - Dieser Schreckensschrei und das Sturmgeläut der Kirchenglocken ließ am 17. April 1823 die Menschen in Großberghofen in Panik auf die Straße laufen. Zweimal zuvor schon war der Ort im Lauf der Geschichte niedergebrannt worden, einmal während des Dreißigjährigen Krieges, als die Schweden das heute zur Gemeinde Erdweg gehörende Dorf verwüsteten, ein weiteres Mal im Spanischen Erbfolgekrieg, als Großberghofen nach der Schlacht von Höchstätt erneut geplündert und angezündet wurde. Diesmal aber standen binnen kürzester Zeit nahezu alle Häuser der Ortschaft in Flammen; lediglich drei Höfe blieben verschont.

Das Hutter-Museum in Großberghofen, das nach dem Schuster, Heimatforscher und Sammler Simon Hutter (1867-1952) benannt ist, erinnert jetzt mit einer Sonderausstellung an das Unglück, das sich tief in die Erinnerung der Menschen eingegraben hat. Kürzlich wurde sie mit vielen Besuchern eröffnet, die oft auch noch aus eigener Erfahrung vom Dorfleben in früherer Zeit berichten konnten und lebhaft miteinander diskutierten.

Der Mesner hat die Katastrophe detailliert beschrieben

Vor allem einem Umstand ist es zu verdanken, dass man heute, nach 200 Jahren, noch sehr genau über den Ablauf und auch die Folgen der Brandkatastrophe von 1823 Bescheid weiß. Der damalige Mesner Georg Seitz hat nur ein Jahr später alle Details, die im Zusammenhang mit dem verhängnisvollen Tag stehen, in einem vielseitigen Bericht niedergeschrieben. Er wurde bis heute in der Familie weitergegeben und 1923, einhundert Jahre später, von Simon Hutter in gut lesbare Schrift übertragen. Das lichtempfindliche Original war am Sonntag zu sehen, soll aber künftig im Stadtarchiv von Dachau geschützt verwahrt werden.

Dass der Mesner Georg Seitz lesen und schreiben konnte, war zur damaligen Zeit keine Selbstverständlichkeit. Er stammte ursprünglich aus Orthofen und lernte im Kloster Taxa bei Odelzhausen nicht nur das Schusterhandwerk, sondern kam wohl auch mit den Schriften des berühmten Barockpredigers Abraham a Santa Clara in Berührung, der einige Zeit als Mönch in Taxa gelebt hatte. Das jedenfalls legt die Anschaulichkeit und die Wortwahl nahe, mit der Seitz vom Brandgeschehen und dessen Folgen erzählt.

Heftiger Nordwestwind fachte das Feuer an

Detailliert schildert Georg Seitz, wie das Feuer ausgebrochen war. Demnach hatte sich am Backofen im Hof des Kötzerbauern das "Gsott" entzündet, eine Futtermischung für Rinder und Pferde. Das brennende Gsott wurde von einem "schröckbar gehendem" Wind fortgetragen, sogleich stand ein benachbarter Stadel in Flammen, ebenso weitere mit Stroh gedeckte Scheunen. In Windeseile brannten 26 Wohnhäuser, Ställe und Backhäuser, im Ganzen "51 Firste", berichtet Seitz. "Das Gerassel des Feuers, das Toben und Sausen des heftigen Nordwestwindes, das Jammern und Hilfegeschrei der Unglücklichen, das Wimmern der Sturmglocken machten einen Eindruck, der durch Mark und Bein ging."

An einer Hörstation der Ausstellung im Hutter-Museum kann man akustisch nachvollziehen, was Seitz niedergeschrieben hat: Blasius Thätter, ehemaliger Lehrer und einer der besten Kenner der Ortsgeschichte von Großberghofen, hat diese und andere Stellen aus der Seitz'schen Chronik eingelesen.

Erstaunliche Solidarität

Georg Seitz beschreibt aber nicht nur die Brandkatastrophe selbst in allen Einzelheiten, sondern auch die erstaunliche Solidarität der Menschen, als man daran ging, das Dorf wieder aufzubauen. So sorgte der sofort herbeigeeilte Dachauer Landrichter dafür, dass Getreide verteilt wurde, Getreide- und Geldspenden kamen auch aus den umliegenden Pfarreien oder von Privatpersonen wie etwa dem Grafen Hundt aus Unterweikertshofen. Glücklicherweise gab es damals bereits eine Brandversicherung, von der entsprechende Summen erwartet werden konnten.

Das Dorf wurde zur riesigen Baustelle, an der zeitweise bis zu 250 Handwerker und auswärtige Bauarbeiter tätig waren. Das nötige Baumaterial, laut Georg Seitz allein an die 400 000 Ziegelsteine sowie Holz für Dachstühle, Kalk und Sand wurde teilweise von weit her mit Fuhrwerken ins Dorf gebracht. Und alle im Ort halfen mit beim Wiederaufbau: "Männer, Weiber, Greise und Kinder, die oft noch sehr klein waren, sah man von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends unaufhörlich Steine tragen, Mörtel rühren, und den Maurern helfen." Daneben mussten in aller Früh und bis in die Nacht auch noch die Felder bestellt und die Ernte eingebracht werden. Das kaum Vorstellbare gelang: Am Tag vor dem Kirchweihfest im September zog die letzte Familie in ihr neues Haus ein.

Eindrucksvoll erzählt von der Brandkatastrophe auch ein auf Metall gemaltes Bild, das wohl erst in späterer Zeit entstand und ursprünglich im Flur des Hutter-Hauses hing. In der Ausstellung ist es ebenso zu sehen wie die Reproduktion eines Votivbilds, das die Bäuerin Maria Anna Seitz der Muttergottes für den Fall einer wunderbaren Rettung versprochen hatte. Die Bitte wurde erhört: Ihr Hof blieb verschont.

Die Ausstellung, mit der an die Brandkatastrophe von Großberghofen erinnert wird, kann auch in der nächsten Zeit noch besucht werden. Das sehr sehenswerte Hutter-Museum ist jeden zweiten Sonntag im Monat jeweils von 14 bis 17 Uhr geöffnet; wer Lust hat, kann sich hier auch mit Kaffee und Kuchen stärken.

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