Amtsgericht:Aus der Bahn geworfen

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Betrunken und ohne Führerschein baut ein 20-Jähriger einen schweren Unfall. Trotz Vorstrafen bleibt ihm lange Haft erspart

Von Christiane Bracht, Dachau

Demütig und kleinlaut sitzt er vor dem Richter. Von dem lebenslustigen jungen Mann, der nichts auslässt, wenn er mit seinen Freunden feiert, keine Grenzen kennt, kein Morgen, scheint nichts mehr übrig zu sein. Man kann sich kaum vorstellen, dass der 21-Jährige Ende September vergangenen Jahres derart über die Stränge geschlagen hat, dass er nun bangen muss hinter Schloss und Riegel zu kommen. Er ist blass, seine Angst beinahe mit Händen zu greifen.

Auf der Wiesn feierte er am letzten Samstag im September ausgelassen. Anschließend fuhr er mit seinen Freunden nach Altomünster, um dort bis tief in die Nacht Party zu machen. Am nächsten Abend wollte die Gruppe erneut auf die Piste. Der Hilgertshausener sollte seinen Freund in Altomünster mit einem geliehenen Auto abholen. Dass er keinen Führerschein hatte, kümmerte ihn nicht. Er fuhr los - und wie es scheint ziemlich rasant. Denn auf einem kleinen asphaltierten Weg zwischen Feldern verlor er auf schnurgerader Straße die Kontrolle. Der Wagen überschlug sich und blieb schließlich auf dem Dach liegen. Passanten riefen den Rettungswagen. "Ich hab' Blut gespuckt und eine leichte Gehirnerschütterung gehabt", berichtet der Angeklagte. Der herbeigerufene Polizist bemerkte sofort den Alkoholgeruch. 0,6 Promille Restalkohol stellte das Krankenhaus am Abend nach dem ausgelassenen Oktoberfestbesuch noch fest und drei Nanogramm pro Milliliter des Cannabis-Wirkstoffs THC. Vor Gericht konnte sich Anklagte gar nicht daran erinnern, einen Joint geraucht zu haben. Die Beweislage war allerdings eindeutig.

Dass die Aktion schwere Folgen haben würde, wusste er allerdings sofort nach dem Unfall. "Was passiert denn jetzt?", wollte er als erstes von dem Polizisten wissen. "Ich habe doch keinen Führerschein." Die Juristen im Gerichtssaal fanden allerdings die hohe Rückfallgeschwindigkeit noch viel schlimmer. Erst 25 Tage vor dem fatalen Unfall war der damals noch 20-Jährige wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden. Die beiden Freizeitarreste, die das Gericht ihm damals verhängt hatte, waren noch nicht abgesessen. Und das war keineswegs die erste Straftat. Insgesamt fünfmal saß der Hilgertshausener schon auf der Anklagebank.

Der Staatsanwalt forderte daher zwei Wochen Freizeitarrest und eine dreijährige Führerscheinsperre. Die Jugendgerichtshilfe fand eine sechsmonatige Betreuungsweisung zielführender. "Seit dem Unfall hat sich alles verändert", erzählt der Angeklagte. "Ich kann fast nicht mehr schlafen. Immer sehe ich den Unfall vor mir. Ich habe auch den Kontakt zur Außenwelt verloren und geh' nicht mehr aus." Lang dauerte es nicht, bis der Hilgertshausener seinen Job verlor. "Zehn Kilo hat er seither abgenommen", berichtet der Jugendgerichtshelfer. "Er macht einen sehr belasteten Eindruck und braucht Unterstützung."

Das Schöffengericht greift diesen Vorschlag auf. Zur Bewältigung seines Alltags, der hohen Schulden und seines Traumas soll er nun Hilfe bekommen. Außerdem muss er eine Woche Dauerarrest absitzen, an dem Programm "Realize it" von Drobs teilnehmen und nachweisen, dass er drogenfrei ist. Außerdem ist er nun sechs Monate von der Führerscheinprüfung gesperrt. Er hatte noch nie ein solches Dokument. "Das größte Problem wird wohl die MPU, falls er je einen Führerschein machen möchte", sagte sein Verteidiger.

© SZ vom 12.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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