Dachau:Finanznot: Junge Bürgermeister proben den Aufstand

Lesezeit: 3 min

Bund und Freistaat Bayern lehnen jede Neuverschuldung ab, die Hilfe für die Kommunen fällt trotz wachsender Aufgaben spärlich aus.

Von Helmut Zeller, Dachau

Viel Freude kommt nicht gerade auf, wenn Kämmerer Thomas Ernst die staatlichen Zuschüsse in die jährliche Etatberechnung der Stadt Dachau einspeist. Zum Beispiel der Posten für die Kinderbetreuung, die enorm viel Geld verschlingt. Die staatlichen Zuschüsse decken nicht einmal ein Drittel der Betriebs- und Unterhaltskosten der städtischen Kindertagesstätten ab. Bei anderen kommunalen Pflichtaufgaben sieht es sogar noch schlechter aus. Die 17 Kommunen fordern schon seit Jahren vom Bund und Freistaat Bayern eine bessere finanzielle Ausstattung. Die junge Generation der Bürgermeister will das nicht mehr mitmachen. Dachaus SPD-Oberbürgermeister Florian Hartmann, 30, sagt: "Mittlerweile bin ich es leid, diese Forderung gebetsmühlenartig zu wiederholen."

Sein Odelzhausener Kollege, der parteilose Markus Trinkl, 34, ist wie Hartmann seit 2014 im Amt und hat die Nase voll. "Das System krankt", sagt Trinkl, "die Pflichtaufgaben wachsen und die Förderung schwindet". Die 5268 Einwohner große Gemeinde zahlt für Sanierung und Ausbau der Kanalisation bis 2016 zwölf Millionen Euro - an staatlicher Förderung gibt es nicht einen Cent. Der Neubau eines Gebäudes mit Kindergarten und -krippe kostet Odelzhausen bis zu fünf Millionen Euro - bei einem Zuschuss von 1,5 bis zwei Millionen. Die Eltern haben einen gesetzlichen Anspruch auf einen Krippenplatz. Doch bei der Umsetzung, die bei den Kommunen liegt, hält sich der Bund zurück. 1,8 Millionen Euro Kosten entstehen Odelzhausen jährlich für Personal und Betrieb der Kindereinrichtungen - der Freistaat schießt lediglich 600 000 Euro dazu. Bürgermeister Trinkl sieht schwarz für die Zukunft: "Geht das überhaupt auf Dauer noch?" Trinkl jedenfalls ist, wie er sagt, nicht gewillt, diesen Zustand noch länger hinzunehmen.

Bund und Freistaat haben den Sozialwohnungsbau lange vernachlässigt

Auch OB Hartmann bereitet die "eklatante Schieflage" zwischen der finanziellen Situation von Bund und Land Bayern auf der einen und den Kommunen auf der anderen Seite zunehmend Sorge. Das Land Bayern gibt 2017 der Stadt Dachau knapp acht Millionen Euro Zuschüsse - der Löwenanteil davon fließt in die Ausgaben für die Kinderbetreuung. Sie belastet den Haushalt aber schon mit 20 Millionen Euro. Da bleibt an Zuschüssen für die anderen kommunalen Pflichtaufgaben nicht mehr viel übrig. Dachau wächst aber unaufhaltsam. In den kommenden Jahren steht die Stadt vor gewaltigen Investitionen für die Erhaltung und den Ausbau der Infrastruktur: für den Sport, die Kindergärten und Schulen, den Verkehr und die notwendige Rathauserweiterung.

Dazu kommt für alle Gemeinden im Landkreis der wachsende Druck auf den Wohnungsmarkt. Es fehlen bezahlbare Wohnungen - als Folge der Politik von Bund und Freistaat, die lange Jahre den Sozialwohnungsbau vernachlässigt haben. Das aktuelle staatliche Förderprogramm des Landes, der Wohnungspakt Bayern, ist ein erster Schritt. Trinkl zufolge stehen aber viele Probleme im Weg: 30 Prozent der Kosten gebe es als Zuschuss, 60 Prozent als zinsverbilligtes Darlehen, das aber refinanziert werden müsse; außerdem entstünden den Kommunen hohe Kosten für Grunderwerb und Personal, das die Wohnungsbauprojekte planen und abwickeln muss.

Kritik am Wohnungspakt

Der Bayerische Gemeindetag spart auch nicht mit Kritik am Wohnungspakt. Sein Präsident Uwe Brandl (CSU) fordert, dass der Freistaat das Programm für kommunale Wohnungsbaugesellschaften öffnet. Außerdem müsse der Bund mehr für eine Baulandmobilisierung tun: eine Ausweitung gemeindlicher Vorkaufsrechte, steuerliche Erleichterungen für verkaufsbereite Grundstückseigentümer und eine erhöhte Grundsteuer für bebaubare aber unbebaute Grundstücke. "Nur so kann erreicht werden, dass die erforderlichen Wohnungen zeitnah und bedarfsgerecht gebaut werden", erklärt Brandl.

Auch die Nachfrage anerkannter Asylsuchender nach Wohnraum muss befriedigt werden. Überhaupt Integration: Bund und Freistaat müssten mit einem "Sonderinvestitionsprogramm" die Gemeinden bei der Schaffung neuer Kita-Plätze und bei Schulbauten finanziell unterstützen, fordert der Gemeindetag, um die Flüchtlingskinder gut und nachhaltig zu integrieren. Das Gegenteil ist der Fall: Der Bund kürzt 2017 seine Ausgaben, da man mit weniger neuen Flüchtlingen rechnet.

Vom Gemeinde- und Städtetag erwarten Bürgermeister wie Trinkl jedoch nicht viel. Die Verbandspolitik orientiert sich an unterschiedlichen Interessenslagen. Die Kommunen aus der Boomregion München machen nur etwa 15 Prozent aller in den Gremien vertretenen aus. Die Niederbayern sehen die Dinge anders als die Oberbayern. Da würden, so Trinkl, die Belange der Kommunen im Münchner Umland nicht wirklich vehement vertreten.

Die Bereitschaft zum Protest wächst

Besonders bitter stößt Hartmann auf, dass der Staat in der aktuellen Zinslage Kredite zum Nulltarif bekommen würde. Aber Bundesminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Finanzminister Markus Söder (CSU) "sonnen sich im Glanz der schwarzen Null". Den Kommunen wird nicht viel anderes übrig bleiben, als ihre Gewerbesteuereinnahmen zu erhöhen. In Dachau jedoch gibt es nur sieben Flächen, die für die Ausweisung neuer Gewerbegebiete geprüft werden. Das dauert jedoch zu lange, um die aktuelle Situation in den Griff zu bekommen.

Unter den jungen Kollegen wächst die Bereitschaft zum Protest auch außerhalb der gewohnten Kommunikationswege. "Man muss breiten öffentlichen Druck aufbauen", sagt Markus Trinkl. Der Bürger müsse über die Ungerechtigkeiten der finanziellen Ausstattung, die letztlich zu seinen Lasten geht, informiert werden. Auf die Einsicht der Politiker in Bund und Land hofft die neue Generation der Bürgermeister kaum mehr: Sie wollen eine Veränderung erzwingen.

© SZ vom 07.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: