Festakt:Kulturverein Erdweg nimmt Tassilo-Hauptpreis entgegen

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"Ein absolutes Highlight für die gesamte Gemeinde." Bürgermeister Georg Osterauer zeigt sich begeistert.

Von Benjamin Emonts, Krailling

Zurück von der großen Bühne bleiben die Erdweger minutenlang gebannt stehen. Sie können sich noch nicht setzen. Der Puls ist einfach zu hoch. Gesa Blaas, Vorsitzende des Kulturvereins in Erdweg, stößt überwältigt ein "Wahnsinn" aus, erst einmal, dann noch mal. Mit zittrigen Händen nimmt sie ihre Brille ab und wischt sich Tränen aus den Augen. Es ist ein Moment der Glückseligkeit. Der pure Stolz spricht auch aus den Gesichtern ihrer Freunde und Mitstreiter. Denn eben erst hat Kabarettistin Monika Gruber den Vereinsmitgliedern unter dem tosenden Applaus von 320 Zuschauern einen der drei SZ-Tassilo-Hauptpreise übergeben - eine Urkunde und einen Scheck über 2000 Euro. Der freudestrahlende Erdweger Bürgermeister Georg Osterauer frohlockt: "Das ist ein absolutes Highlight für die gesamte Gemeinde, wie es vielleicht alle 50 Jahre mal vorkommt."

Beispielhaftes bürgerliches Engagement

Für die Gemeinde Erdweg ist die Auszeichnung ein kaum für möglich gehaltener Erfolg, wie die berauschten Reaktionen zeigen. Jahrzehntelang, das gesteht Bürgermeister Osterauer ein, dümpelte die Ortschaft im Landkreis Dachau nur vor sich hin. Es gab einen Sportverein, eine moderne Turnalle, ein steril anmutendes Pfarrzentrum - nicht viel mehr. Ein kulturelles Leben war quasi nicht existent. Doch dann restaurierten Erdweger Bürger in unzählbaren ehrenamtlichen Arbeitsstunden das vor sich hinbröckelnde historische Wirtshaus im Ortszentrum. Ein Kulturverein, der sich vor etwa einem Jahr gegründet hat, hauchte dem Wirtshaus in kürzester Zeit kulturelles Leben ein. Die Jury hätte den Erdwegern schon vor zwei Jahren gerne einen Preis zugesprochen. Sie wollte allerdings abwarten, ob in dem Wirtshaus tatsächlich eine lebendige kulturelle Szene entsteht. Es ist so geschehen. Deshalb würdigte die Jury in diesem Jahr das insgesamt beispielhafte bürgerliche Engagement der Erdweger.

Vor sieben Jahren hatte die Interessensgemeinschaft Wirtshaus am Erdweg den anfangs skeptischen Gemeinderat von ihrem Wirtshausprojekt überzeugt, wie Monika Sedlatschek, dritte Bürgermeisterin der Gemeinde, dem Publikum darlegt. Das verwahrloste Wirtshaus am Erdweg aus dem 15. Jahrhundert war jahrzehntelang Sinnbild des Scheiterns der Ortschaft, die an einer tristen Durchgangsstraße liegt. Inzwischen ist das denkmalgeschützte Gebäude - übrigens das älteste im Landkreis Dachau - Symbol einer kulturellen Renaissance der Gemeinde mit etwa 6000 Einwohnern.

2500 Stunden ehrenamtliche Arbeit

Nach mehr als 2500 Stunden ehrenamtlicher Arbeit verwandelte sich das marode Gebäude in ein ortsprägendes Wahrzeichen der Gemeinde. Historische Fresken, Wandmalereien und Marienbilder wurden frei gelegt. Unter dem historischen Dachstuhl entstand ein großer Tafernsaal für kulturelle Veranstaltungen. Erste Konzerte mit Hochkarätern wie der Couplet AG oder den Drum Stars waren ausverkauft. Die Strahlkraft des Wirtshauses reicht schon jetzt weit über die Grenzen der Gemeinde bis nach München und darüber hinaus.

Für den noch jungen Kulturverein erweist sich die Tassilo-Preisverleihung übrigens als ein Eldorado. Denn Kabarettistin Monika Gruber bietet noch auf der Bühne stehend an, im Erdweger Wirtshaus auftreten zu wollen. "Also wenn ich darf", fügt sie respektvoll an. Nach der Preisverleihung setzt sich die englischstämmige Jenny Evans, eine der bedeutendsten Jazz-Sängerinnen in Europa, an den Tisch der strahlenden Erdweger. Sie macht Witze, singt ein kurzes Ständchen. Auch Evans, das gibt sie zu verstehen, ist nicht abgeneigt, dem Erdweger Wirtshaus einen Besuch abzustatten.

Am Nebentisch reißt die Schriftführerin des Kulturvereins, Birgit Kaubisch, hastig einige Blätter aus dem Block eines Reporters. Sie sammelt darauf die Kontaktdaten etlicher Künstler und Tassilo-Preisträger, die offensichtlich nach Erdweg kommen wollen. Zu ihnen zählt auch Felicia "Fee" Brembeck, ein aufstrebender Star in der Münchner Poetry-Slam-Szene. Sie erhielt einen der sieben Tassilo-Förderpreise. Schier überwältigt vom großen Zuspruch und den genialen Darbietungen der Tassilopreisträger, sagt Vorsitzende Gesa Blaas augenzwinkernd: "Der heutige Abend ist für uns wie Weihnachten und Ostern zugleich. Wir haben schon unser gesamtes Abendprogramm zusammen."

Bescheiden und zurückhaltend

Auf der Bühne zeigt sie sich in ihrer kurzen Ansprache bescheiden und zurückhaltend. Sie verweist darauf, dass der Erfolg ohne den Einsatz der inzwischen aufgelösten Interessensgemeinschaft Wirtshaus am Erdweg nicht möglich gewesen wäre. Manfred Kirchner, der Kulturreferent der Gemeinde, stimmt ihr zu. Sein Kopf ist vor Freude noch rot am Ende der Veranstaltung. Mit verschränkten Armen grinst er wie ein Erstklässler, der gerade stolz seine Schultüte präsentiert. "Wir wussten ja nicht welchen Preis wir bekommen. Dass es jetzt ein Hauptpreis wurde, ist eine tolle Überraschung und fantastisch für die Gemeinde."

Die 15-köpfige Erdweger Abordnung gönnt sich im Beisein von Jazz-Sängerin Jenny Evans noch einige Gläser Wein im Kraillinger Festzelt, bevor sie Kulturreferent Kirchner, natürlich nur freudetrunken, mit dem Gemeindemobil nach Hause fährt. Für ganz Erdweg geht ein denkwürdiger Abend zu Ende.

© SZ vom 13.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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