Erschöpft, erleichtert und leicht verletzt:Ein Höllenjob

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Beim G-20-Gipfel in Hamburg sind 280 Beamte der Dachauer Bereitschaftspolizei im Einsatz. Die Aufgabe, Barrikaden zu räumen und gewalttätige Krawallmacher festzunehmen, verlangt ihnen alles ab.

Von Viktoria Großmann, Dachau

Am Tag nach dem Ende des G-20-Gipfels in Hamburg herrscht bei der Bereitschaftspolizei in Dachau völlige Erschöpfung, aber auch Erleichterung: Unter den 280 Dachauer Beamten, die in Hamburg im Einsatz waren, gibt es "nur Leichtverletzte", sagt Pressesprecher Uli Schmid. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte mitgeteilt, dass insgesamt 1500 bayerische Einsatzkräfte in die Hansestadt gefahren waren, davon trugen 78 Verletzungen davon.

Am Einsatz in Hamburg waren sämtliche Einheiten, die in Dachau am John-F.-Kennedy-Platz stationiert sind, beteiligt. Darunter war ein Unterstützungskommando, das etwa für Festnahmen zuständig ist. Die Wasserwerferstaffel aus Dachau war federführend für dieses Spezialteam zuständig, zu dem auch Beamte aus München und Nürnberg gehörten. "Die waren in vorderster Front", sagt Schmidt. "Sie waren auch immer im Fernsehen zu sehen." Allein die Wasserwerferstaffel brachte drei Fahrzeuge mit. Ein Dreier-Team, erklärt Schmid, war für die Räumung der Barrikaden zuständig. "Diese Kollegen haben sehr viel Verantwortung, das Verhältnis von Maß und Ziel muss genau stimmen." Schmidt beschreibt die große Belastung und Anspannung, unter der die Polizisten standen. Randalierer hatten am Freitag das Schanzenviertel in Hamburg verwüstet, Straßen aufgerissen, Scheiben eingeworfen, Brände gelegt, Geschäfte geplündert und zerstört. Die Gewalt richtete sich gezielt gegen Polizisten, auf die mit Molotowcocktails, Stahlkugeln und Steinen geworfen wurde. "Wir sind froh, dass von uns keiner geschossen hat", sagt Schmid. So martialisch die Polizisten in ihren Schutzanzügen und mit ihrer Ausrüstung auch aussehen mögen, der Griff zur Waffe ist nur als letzter Ausweg gedacht. "Der Warnschuss ist das letzte Mittel", sagt Schmid und lobt seine Kollegen, die in dieser "Hochstressphase" einen "kühlen Kopf" bewahrt haben. Schmid spricht vom "vielleicht anstrengendsten Einsatz der letzten Jahrzehnte".

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60 Stunden Einsatz, sechs Stunden Schlaf

Bereits am ersten Juliwochenende waren die ersten Einheiten aus Dachau angereist. Sie hatten ursprünglich vor allem die Tagungsorte des Gipfeltreffens am Messe-Gelände sowie die Veranstaltungen in der Elbphilharmonie schützen sollen. "Bis Donnerstag lief alles planmäßig", sagt Schmid. Dann eskalierten die Krawalle auf den Straßen in einem Ausmaß, "das wir so in Deutschland wohl noch nie erlebt haben". Die Einheiten konnten sich nicht mehr abwechseln, mussten nach ihren Schichten weitere anhängen. Wurden etwa um 1.30 Uhr morgens erst abgezogen und wenige Stunden später wieder alarmiert. Zogen los, nach nur wenigen Stunden Schlaf, ohne Frühstück. Hinzu kam, dass die Dachauer Polizisten in Lübeck untergebracht waren, also eine Stunde bis in ihre Unterkünfte fahren mussten. "Bei mehr als 60 Stunden im Einsatz kamen viele nur auf sechs Stunden Schlaf", sagt Schmid. Dabei seien die Bereitschaftspolizisten einiges gewohnt. 48-Stunden-Einsätze seien üblich. Doch der G-20-Gipfel sprengte den üblichen Rahmen. "Auch die Dehydrierung war ein Problem." Es war schwül in Hamburg und heiß, erst recht unter den Uniformen. "Die Versorgung erreichte die Einsatzkräfte nicht." Doch Schmid berichtet von Anwohnern des Schanzenviertels, die den Polizisten Getränke brachten.

Hamburg im Ausnahmezustand: Polizeikräfte setzen im Schanzenviertel Wasserwerfer gegen Demonstranten ein. (Foto: Axel Heimken/dpa)

Eine politische Einschätzung möchten weder der Dachauer Sprecher noch seine Kollegen im Präsidialbüro in Bamberg abgeben. "Das sollen die Hamburger machen", heißt es dort. Schmid beklagt einen generellen "Kapazitätsmangel", nicht nur beim Gipfel. Bayerns Innenminister lobte am Montag die Polizei und die Politik der CSU, die sowohl links- wie rechtsextreme Gruppierungen "scharf im Blick" hätten. Gerade drei Tage lang dürfen sich die Dachauer Polizisten erholen, dann geht es für sie zum Regionalligaspiel 1860 München gegen Memmingen, am Wochenende sind sie am Münchner Christopher Street Day im Einsatz. Die VI. Bereitschaftspolizeiabteilung in Dachau ist mit 1000 Beschäftigten der größte Einsatzstandort in Bayern.

© SZ vom 11.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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