Energiewende:Grässlich gut

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Lange wehrten sich Anwohner gegen das 208 Meter hohe Windrad im Dachauer Ortsteil Pellheim. Im September wurde es in Betrieb genommen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Windrad bei Pellheim verwandelt das Hügelgebiet hinter der Stadt Dachau in eine Industrielandschaft. Aber die wirtschaftlichen Daten beeindrucken: Seit Juli wurden 1,2 Millionen Kilowattstunden Strom gewonnen

Von Viktoria Großmann, Dachau

Große Ereignisse und große Dinge werfen Schatten und jetzt im Winter besonders lange. Der des Windrades, das seit Ende Juni neben der Ziegelei Hörl und Hartmann im Dachauer Ortsteil Pellheim steht, reicht morgens bis hinunter zur Kreuzung an der Staatsstraße, von der aus es nach Pullhausen und Pellheim geht. So hat es der Anwohner Guido Metz beobachtet. Wie viele Pellheimer ist er immer gegen das Windrad gewesen, eine Bürgerinitiative hatte sich dagegen gegründet. Auch jetzt kann sich Metz nicht damit anfreunden: "Greißlich ist es und ein Monstrum."

Die Leistung aber ist beträchtlich: In Betrieb genommen wurde das inklusive der Rotorblätter knapp 208 Meter hohe Windrad im September. Bereits im Juli war es fertig aufgebaut gewesen. "Der Standort ist absolut gut geeignet", sagt Matthias Hörl. Einige Tagesleistungen hätten die Erwartungen übertroffen, bis zu 60 000 Kilowattstunden Strom habe die Anlage an guten Tagen generiert. Nun, am Jahresende, sind es insgesamt 1,2 Millionen Kilowattstunden. Die Leistung kann sich sehen lassen: Laut den Daten-Bloggern von Strom Report generiert eine Anlage dieser Größe im Jahr durchschnittlich 2,73 Millionen Kilowattstunden.

Vor einem Jahr, kurz vor Silvester, erhielt der Betrieb die Genehmigung vom Landratsamt. Das hatte sich noch zwei Wochen zuvor heftige Vorwürfe von der Bürgerinitiative anhören müssen. Das Windrad durfte nur gebaut werden, weil es als betriebliche Nebenanlage gilt. Es steht 860 Meter von der nächsten Wohnbebauung entfernt. Nachdem die 10-H-Abstandsregelung im Mai durchgesetzt wurde, müssten es 2,08 Kilometer sein. Vor der Einführung der 10-H-Regelung galt in Bayern ein Mindestabstand von 900 Metern. Die Pellheimer fühlten sich "als Bürger zweiter Klasse" und kritisierten eine "Ungleichbehandlung". Zudem zweifelten sie an der Richtigkeit von Gutachten zum Vorkommen des Rotmilans, der in der Gegend brüten soll. Belege dafür wurden laut Landratsamt aber nicht gefunden.

"Es hört sich an wie ein Düsenflugzeug", sagt Guido Metz. Tagsüber höre man es nicht, aber nachts, wenn es keine anderen Geräusche gebe, dann schon. Dieses durchgehende Pfeifen. Neuer Protest formiert sich unterdessen derzeit nicht, sagt Metz. Matthias Hörl erklärt, die Anlage laufe auch bei hoher Windstärke "absolut ruhig". Weil die Flügel sehr lang sind, sei die Drehzahl niedriger, als bei Anlagen mit kürzeren Flügeln. Im Juni war noch ein Eilantrag zur Verhinderung des Windrades vom Verwaltungsgericht München abgewiesen worden. Der Verein für Landschaftspflege und Artenschutz (VLAB), erst 2015 gegründet, hatte im Januar 2016 gegen den Bau geklagt. Wegen der in der Gegend brütenden Vögel. Der VLAB sieht Windräder grundsätzlich kritisch und propagiert eine Energiewende mittels Gas- und Dampfkraftwerken. Im Streit über die Windenergie ist VLAB-Ehrenpräsident Enoch Freiherr zu Guttenberg aus dem Bund Naturschutz ausgetreten und hat seine neue Heimat im VLAB gefunden. Der Vorsitzende des Bundes Naturschutz im Landkreis, Roderich Zauscher, sieht das Windrad in Pellheim positiv. Der Rotmilan oder andere Vogelarten seien nicht gefährdet. Nur um die Fledermäuse zeigte sich Zauscher besorgt. Das Windrad muss im ersten Jahr während der Fledermausflugzeiten im Sommer nachts stillstehen. Zudem gibt es ein Monitoring. Es wird also gezählt, wie viele Fledermäuse überhaupt in der Gegend unterwegs sind.

Nicht nur wegen der Fledermäuse stand das Windrad in diesem Jahr öfter mal still. Die Anlage wurde mehrmals gewartet, nach 300 Stunden Laufzeit die Elektronik überprüft und, wie Hörl sagt, "jede Schraube und jede Mutter nachgezogen". Die Techniker können dazu das Windrad von innen begehen. Bis auf zwei Drittel der Höhe führt ein Lift hinauf, erklärt Hörl, der Rest muss mit einer Leiter erklommen werden. Noch bis Januar läuft das Windrad im Testbetrieb, zuständig ist die Firma Enercon. Erst zu Beginn des neuen Jahres werde "eine Schlüsselübergabe" gemacht. Dann wird der Strom ins Ziegelwerk eingespeist werden, bisher ging er ins allgemeine Stromnetz. Das Windrad und die Fotovoltaikanlage auf dem Dach der Produktionsstätte sollen 80 Prozent des Energiebedarfs der Firma decken.

Nun beginnt die Firma auch mit der Vergabe der sogenannten Genussscheine. Im Sommer hatte Hörl erklärt, die Bewohner der umliegenden Orte sollten beteiligt werden. Die Geldanlage wird unabhängig von der Leistung des Windrads jährlich zu einem festen Satz verzinst. Es sei nicht ganz einfach gewesen, das Konzept der Beteiligung auszuarbeiten, sagt Hörl, die Auflagen der Finanzaufsichtsbehörde Bafin seien sehr hoch. Aus Sicht des Betriebes mit seinen 110 Mitarbeitern ist das eine gute Möglichkeit, den Nachbarschaftsstreit um das Windrad endgültige zu befrieden. Ob es funktioniert, muss sich im neuen Jahr zeigen. Nachbar Guido Metz hatte schon im Sommer erklärt: "Ich bin nicht käuflich."

Mit dem Windrad hat die Ziegelei einige Nachbarn zwar verkrätzt. Andere konnte sie dafür beruhigen: Durch technische Neuerungen wurden die Abgase reduziert und damit der Gestank, der vor allem Bewohner von Pullhausen und Prittlbach ärgerte. Schon im Juni hatte ein Sprecher der früheren Bürgerinitiative "Uns stinkt's" erklärt, den Geruch habe schon länger niemand mehr wahr genommen.

© SZ vom 27.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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