Einzelhandel:Naturkostladen 2.0

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Der Vermieter hat die Räumlichkeiten des jetzigen Bioladens ab Juli an einen Pizza-Bäcker verpachtet. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Der Petershausener Bioladen "Vielfalter" schließt zwar im Sommer, doch der Bedarf bleibt laut Mitarbeiterinnen und Kunden bestehen

Von Horst Kramer, Petershausen

"Es war schon immer mein Traum, einen eigenen Bioladen zu führen", erzählt Hannah Stocker, 26. Im vergangenen November schien die gelernte Einzelhandelskauffrau der Erfüllung ihres Traumes schon ziemlich nahe gekommen zu sein - der Inhaber des beliebten Petershausener Bioladens "Vielfalter", Holger Sitzmann, stellte Stocker damals an und berichtete ihr, dass er selber das Geschäft aus privaten Gründen im Laufe des Jahres 2021 aufgeben wollte. Ende Januar wurde bekannt, dass der Vermieter die Räumlichkeiten ab Juli an einen Pizza-Bäcker verpachten will: an die in der Gemeinde bestens bekannte Familie Telemetro, die bisher in Kollbach eine Pizzeria und in Petershausen eine Eisdiele betreibt.

Stocker ist enttäuscht, zumal sie ihren Beruf ausgerechnet in Schönbrunn erlernt und "mit Auszeichnung" abgeschlossen hat, noch dazu mit der Spezialisierung auf Naturkost. "Die Entscheidungen sind gefallen, das muss man akzeptieren", betont sie gegenüber der Dachauer SZ. Sie glaubt aber dennoch an eine Chance für einen "Vielfalter 2.0". "Der Bedarf für gesunde, regional erzeugte ökologische Lebensmittel und andere nachhaltige Produkte ist da", ist Stocker überzeugt.

Auch wegen einer Unterschriftenliste, die Anfang Januar per E-Mail durch den Ort und einige Nachbargemeinden kursierte, und auf der sich rund 260 Personen eintrugen. Eine der Initiatorinnen, Christa Trzcinski, unter anderem durch ihr Engagement bei der lokalen Agenda 21-Gruppe und beim Fairkaufladen in der Gemeinde bekannt, erzählt: "Wir hatten schon im vergangenen Jahr gehört, dass Herr Sitzmann aufhören will, und gingen davon aus, dass es einen Nachfolger geben wird, der den Laden übernimmt." Doch gegen Jahresende wären alle möglichen Gerüchte durch den Ort gegangen, so Christa Trzcinski: von einer Wohnnutzung der Vielfalter-Räumlichkeiten bis zu einer Übernahme durch andere Petershausener Geschäftsinhaber, die nicht in der Lebensmittelbranche tätig sind. "Deswegen haben wir die Unterschriftenliste für den Erhalt des 'Vielfalters' gestartet", erzählt Christa Trzcinski und meint mit "wir" ihren Mann Rolf und das Ehepaar Brigitte und Rainer Mühe, der Vorsitzende der Petershausener Bund Naturschutzgruppe. Keine zwei Wochen später hatten die beiden Paare die 260 Unterschriften zusammen "Nicht nur aus Petershausen. Eine Liste mit mehr als zwanzig Namen erreichte uns aus Jetzendorf und Hilgertshausen", hebt Christa Trzcinski hervor, "das Bewusstsein für gesunde Ernährung wächst." Dass dem so ist, beweisen die Bio- und "Unser Land"-Ecken, die man auch großen Lebensmittelmärkten findet. Trzcinski verweist auf Initiativen wie die in Altomünster, wo die Nachhaltigkeitsgruppe "Plan A" kürzlich einen regionalen Einkaufsführer zu Hofläden veröffentlichte, oder eine Fragebogenaktion in der Gemeinde Hebertshausen, mithilfe derer Bürgermeister Richard Reischl (CSU) derzeit die Akzeptanz eines kommunalen Regionalladen prüfen lässt und dabei auf enorme Resonanz stößt.

In Petershausen verschärft die Schließung des "Vielfalters" eine Problematik, die die Kommune schon seit einigen Jahren umtreibt: der Verlust von Einkaufsmöglichkeiten in der Ortsmitte. Die Situation hat sich seit Herbst verschärft, als der Edeka-Markt vom Marktplatz an den Westrand des Ortes umzog und sich der Einzug eines Discounters zerschlug.

Eine der Optionen für die Nachnutzung des seitdem leer stehenden Edeka-Gebäudes wäre eine Art Regionalmarkt - die Grünen-Gemeinderätin Lydia Thiel hatte diese Idee kürzlich in Spiel gebracht. Doch bis über die Zukunft des Areals Entscheidungen getroffen und umgesetzt sind, werden womöglich Jahre ins Land gehen. Keine Perspektive für die Petershausener Biokostfans und noch weniger für Hannah Stocker sowie einige ihrer aktuellen Kolleginnen. "Vielleicht ergibt sich ja noch eine andere Perspektive", zeigt sich die Lebensmittelexpertin optimistisch, die mehrere Jahre als stellvertretende Marktleiterin bei einem Vollsortimenter in Hohenkammer tätig war. Stocker hofft auf derzeit leer stehende Geschäftsräumlichkeiten oder auf einen Laden in einem Neubau.

Dass während der Corona-Pandemie zahlreiche Einzelhändler um ihr Überleben kämpfen, ist der jungen Frau durchaus bewusst. Sie wehrt jedoch sofort ab: "Vom Unglück anderer profitieren, das will ich nicht!"

© SZ vom 19.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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