Versteigerung:163 Kunstwerke suchen einen neuen Besitzer

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Kunst ist schön, macht aber ziemlich viel Arbeit. Das Wasserturm-Team, von links: Gudrun Ullrich, Josef Lochner, Josef Baur, Joachim Schweiß und Gabi Baur. (Foto: Toni Heigl)

Seit 25 Jahren bespielt der Förderverein Dachauer Wasserturm das historische Gebäude am Schlossberg mit Ausstellungen und Konzerten. Finanziert wird das Programm durch die Einnahmen einer großen Kunstauktion. Diesmal fällt sie besonders groß aus.

Von Gregor Schiegl, Dachau

Von den weißgetünchten Wänden ist nicht mehr viel zu sehen, teilweise hängen sechs Bilder untereinander, der Abstand zwischen den Rahmen ist oft nur wenige Finger breit. "Petersburger Hängung", sagt Gabi Baur vom Förderverein Dachauer Wasserturm und lacht. Sage und schreibe 163 Kunstwerke kommen bei der diesjährigen Kunstauktion des Dachauer Wasserturms unter den Hammer. 163 Kunstwerke, die erst mal zu Fuß 100 Treppenstufen hoch geschleppt werden müssen.

Denn einen Aufzug hat der 1910 im Stil des Historismus errichtete Dachauer Wasserturm nicht, der Denkmalschutz lässt es nicht zu. Dass nach sechs Stunden Arbeit am Dienstagabend um 20 Uhr endlich alle Bilder an ihrem Platz sind, spricht für die Fitness des auch nicht mehr blutjungen Teams aus Gabi und Josef Baur, Gudrun Ullrich, Joachim Schweiß, Josef Lochner und Gerhard Niedermair.

Josef Lochner hat beim Rundgang durch die fertig gehängte Ausstellung noch das Hämmerchen in der Hand, mit dem er zuvor unzählige Nägel in die Wand geschlagen hat. Am Sonntag, 17. September, wird er damit ziemlich oft auf den Tisch klopfen und "Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten!", rufen. Lochner ist der Auktionator der auf zwei Stunden angesetzten Versteigerung. Ihm bleiben nicht mal 45 Sekunden pro Werk, wenn er wie geplant, pünktlich um zwölf Uhr zum Mittagessen will. "Das schaffe ich", sagt Lochner gelassen. Er macht den Job seit vielen Jahren.

Letztes Mal kamen gut 10 000 Euro zusammen

Für das Dachauer Publikum ist die Kunstauktion im Wasserturm immer wieder ein unterhaltsames Spektakel zwischen großer Kunst und sagenhaftem Kitsch. Für den Förderverein ist die Auktion dagegen eine Sache von existentieller Bedeutung. "Aus den Einnahmen bestreiten wir das gesamte Programm der nächsten zwei Jahre", sagt Sepp Baur. Letztes Mal kamen knapp 10 000 Euro zusammen. Da habe man allerdings "ein paar mehr Raritäten" im damals rund 150 Werke starken Angebot gehabt, sagt Josef Lochner. Er hoffe, dass diesmal wenigstens 6000 bis 7000 Euro zusammenkommen, das wäre gut.

Bei allen Kunstwerken handelt es sich um Spenden. Manche Künstler stellen ihre Arbeit kostenlos zur Verfügung, Volksbank und Sparkasse sortieren immer wieder Arbeiten aus ihren Kunstbeständen aus und einige Bilder im Wasserturm schlummerten unbehelligt von Ausleihern jahrelang in der Artothek der Stadtbücherei. "Vieles kommt auch aus Nachlässen, mit denen die Erben wenig anfangen können", sagt Lochner.

Entsprechend bunt ist wieder das Angebot dieser mittlerweile 13. Kunstauktion. So gut wie alle Stile, Techniken und Epochen sind vertreten: Holzschnitte und Zeichnungen, Ölgemälde, Abstraktes in klecksigem Acryl, knorrige Bauernköpfe und barbusige Damen, Stadtansichten, Landschaftsidyllen im goldenen Prachtrahmen, Größen der Kunst wie Paula Wimmer mit einem reizenden Elefanten-Holzschnitt und der handschriftlichen Anmerkung "Elefanten bringen Glück!", ein handgemaltes Plakat von Fred Arnus Zigldrum, aber auch zwei Dutzend Arbeiten von Malern, die es nicht geschafft haben, sich einen Namen zu machen. Künstler unbekannt.

An den Wänden müssen die Kunstwerke zusammenrücken. (Foto: Toni Heigl)
Die Bronzeskulptur stammt von Wolfgang Sand, der Einstiegspreis liegt bei 300 Euro. Alle anderen Arbeiten sind Bilder. (Foto: Toni Heigl)
"Südliche Landschaft", Kohlezeichnung von Otto Fuchs, der vor allem für seine Aktporträts bekannt ist. Startpreis: 120 Euro. (Foto: Toni Heigl)
Etwas Dekoratives schon ab 20 Euro: "Herbstlandschaft". Über den Künstler gibt es keine Angaben. (Foto: Toni Heigl)
Einblicke in die Verfertigung eines Gemäldes gibt diese Studie von Hans Müller-Dachau. (Foto: Toni Heigl)

Mit etwas Glück können Sammler hier noch echte Schnäppchen ergattern. Carl Thiemanns großformatiger Farbholzschnitt "Venedig Rio Priuli" startet bei einem Preis von 220 Euro. "Früher war das mal wahnsinnig teuer", sagt Josef Lochner: "In diesem Fall bin ich mir nicht sicher, ob dem Besitzer klar war, wie viel das Bild tatsächlich wert ist." Auf dem Kunstmarkt bekäme man dafür auch heute noch eine vierstellige Summe. Als Galerist kennt sich Lochner damit aus.

Auch zwei Aquarelle des österreichischen Orientmalers Tony Binder, der ab 1922 in Dachau lebte, kommen unter den Hammer. Darunter der Halbakt eines Mädchens (Einstiegspreis 250 Euro) und ein ganzer Schwung des immer noch sehr gefragten "Akt-Fuchses": Otto Fuchs kann man im Wasserturm als souveränen Zeichner europäischer Landschaften kennenlernen, allerdings ohne nackte Körper.

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Eine Studie in Öl von Hans Müller-Dachau gibt einen Einblick in die Arbeitsweise des 1925 verstorbenen Malers. Sein Gemälde eines blonden Mädchens in kurzen Hosen ist nur rudimentär ausgearbeitet, an den Rändern ist die Leinwand weiß und mit handschriftlichen Bleistiftnotizen versehen: "Licht auf Nase, Wange und Stirn" ist da beispielsweise zu lesen. Vielleicht findet sich ja jemand, der das Bild kauft, um es mehr als 100 Jahre später fertig zu malen. Die Vorlage dazu ist ab 100 Euro zu haben.

Vorbesichtigen kann man die 163 Arbeiten am Freitag, 15. September, von 19 bis 24 Uhr. An diesem Abend findet die "Lange Nacht der offenen Türen" statt, bei der viele Dachauer Galerien, Museen und Ateliers den Besuchern freien Eintritt gewähren. Online ist der bebilderte Katalog auf der Homepage www.dachauerwasserturm.de zu finden.

Die Auktion selbst findet am Sonntag, 17. September, von 10 bis 12 Uhr statt. Was nicht verkauft wurde, kann beim Nachverkauf am Montag, 18. September, zwischen 15.30 und 17 Uhr zum angegebenen Grundpreis erworben werden. Wer mitsteigern will, aber am Auktionstag verhindert ist, kann Auktionator Josef Lochner vorab per E-Mail an sepp.lochner@t-online.de mitteilen, bis zu welcher Summe er bei der Versteigerung mitgehen will. Dort kann man nach der Versteigerung auch die Liste der Werke anfordern, die noch in den Nachverkauf kommen.

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