Was tun mit einem Wasserturm, der als Wasserspeicher ausgedient hat? Eine schwierige Frage, vor der Dachau lange stand. Der 1910 am höchsten Punkt der Stadt, in nächster Nachbarschaft zum Wittelsbacher Schloss und dem Schlossgarten gebaute Turm wurde mit dem Bau eines neuen Hochbehälters in Günding ab 1969 nicht mehr benötigt und fiel in einen jahrzehntelangen Dornröschenschlaf. Wie also umgehen mit dem schwierigen Erbe? Einfach abreißen? Das wäre schwerlich gegangen, zumal das markante Gebäude mittlerweile auch von Seiten des Denkmalschutzes als "stattliches Bauwerk des Späthistorismus" gewürdigt worden ist. Oder verkaufen? Schwierig: Es fand sich kein Interessent. Vielleicht also als Sternwarte, Wohnturm, Kleinkunstbühne nutzen?
Im Sommer 1998 lud Bruno Schachtner in seiner Eigenschaft als Dachauer Stadtrat und Kulturreferent alle interessierten Bürger ins Ludwig-Thoma-Haus ein, um seine Vision einer künftigen kulturellen Nutzung des Gebäudes vorzustellen. Wenig später schritt man zur Tat: Im September wurde der "Förderverein Dachauer Wasserturm" gegründet und Karin-Renate Oschmann zur Ersten Vorsitzenden gewählt. Eine hervorragende Wahl: Oschmann sollte sich in der Folge als ebenso mutige wie durchsetzungsfähige Kämpferin für die "Causa Wasserturm" erweisen. Von den insgesamt zehn Gründungsmitgliedern übernahmen neben Oschmann auch Iris und Hartmut Emig als Zweite Vorsitzende und als Kassier, Claudia Flach als Schriftführerin sowie Sepp Baur und Günther Urban als Beisitzer Aufgaben im Vorstand.
250 Ausstellungen soll es hier schon gegeben haben
Über die Jahre hat sich der Wasserturm als unverzichtbarer Ort für das kulturelle Leben in Dachau etabliert. An die 250 Ausstellungen dürften es gewesen sein, die seit der Gründung des Fördervereins hier stattgefunden haben, schätzt Gründungsmitglied Sepp Baur, der ebenso wie sein Kollege der ersten Stunde, Revisor Josef Lochner, nach wie vor dem Vorstand angehört. Den Vorsitz hat mit Gudrun Ullrich erneut eine Frau übernommen, das Amt des Schriftführers liegt heute bei Gerhard Niedermair.
Jahr für Jahr finden mittlerweile an die zehn Ausstellungen im Wasserturm statt, dazu kamen und kommen Lesungen und musikalische Aufführungen, die meist vom jeweils ausstellenden Künstler oder der Künstlerin verantwortet werden.
Der Fokus lag von Anfang an auf der Malerei, was zum einen mit der Dachauer Tradition als Stadt der Malerinnen und Maler zu tun haben könnte, zum anderen aber auch ganz praktischen Gegebenheiten geschuldet sein dürfte: Um in die insgesamt vier Ausstellungsräume auf mehreren Ebenen zu gelangen, gilt es, 127 Treppenstufen zu bewältigen - was nicht nur für den ein oder anderen Besucher, sondern insbesondere auch für Aussteller mit schweren oder unhandlichen Ausstellungsstücken nicht so ganz einfach ist.
Alle 127 Stufen sind verkauft
Apropos Stufen: Um den Betrieb eines Ausstellungsortes, egal welcher Größe und mit welchen baulichen Gegebenheiten auch immer, zu sichern, bedarf es einer wichtigen Zutat - und die ist Geld. Der Förderverein verzichtete von Anfang an auf Fördermittel, seine Mitglieder arbeiten allesamt ehrenamtlich. Um aber die ein oder andere Renovierung zu stemmen, wird dennoch Geld benötigt.
Zur Aufbesserung der Kasse hatte der Verein 2005 eine höchst originelle Idee: Er verkaufte jede einzelne der 127 Stufen, die in die Ausstellungsräume führen, zu je zehn Euro. Dass bei diesem "Verkauf" die Stufen allerdings an Ort und Stelle bleiben mussten, versteht sich von selber.
Die wichtigste Einnahmequelle ist die bis heute alle zwei Jahre stattfindende Kunstauktion, zu der Künstlerinnen und Künstler eigene Werke und auch andere Privatpersonen Kunstwerke aus ihrem Besitz beisteuern. Heuer findet die Auktion wieder statt. Nach der vom Förderverein angebotenen "Langen Nacht der offenen Türen in Dachau", bei der man am 15. September Einblicke in Künstlerateliers bekommt, findet zwei Tage später, am 17. September, die Versteigerung der gespendeten Arbeiten statt. Im Herbst wird dann auch das 25-jährige Vereinsjubiläum gebührend gefeiert.
Die Vielfalt dessen, was im Wasserturm zu sehen und zu erleben ist, hat primär mit der Offenheit zu tun, mit der hier Künstlern und Künstlerinnen Ausstellungsmöglichkeiten geboten werden. Jeder kann sich, bei Vorlage entsprechender Arbeitsproben, bewerben, egal ob er oder sie nun aus Dachau selbst oder von auswärts kommt. Eine Jury kuratiert die Arbeiten und entscheidet jeweils im November über das Programm des kommenden Jahres. Den Ausstellenden entstehen durch die Nutzung der Räume lediglich Kosten für Strom, Wasser und anteilige Versicherungs- und Brandschutzausgaben. Über alle anderen Modalitäten, etwa die Hängung der Bilder, den Ablauf der Vernissage oder die Öffnungszeiten der Ausstellung entscheiden die Aussteller selber.
Auch der Förderverein selbst zeichnet für die ein oder andere Ausstellung verantwortlich. So hat er etwa im vergangenen November mit einer Schau an den 2021 verstorbenen Günther Urban erinnert. Alle zwei Jahre gibt es eine Gemeinschaftsausstellung, zu der jeweils zwanzig Künstlerinnen und Künstler eingeladen werden, die auch in früheren Jahren bereits im Wasserturm ihre Arbeiten gezeigt haben.
Ausstellungstermine sind sehr gefragt
Für den ein oder die andere dürfte die eigene Schau im Wasserturm zur Initialzündung einer Künstlerkarriere geworden sein: Nicht umsonst sind Ausstellungstermine höchst begehrt. Begeistert sind nicht zuletzt auch immer wieder die Besucherinnen und Besucher. Es sei dem Förderverein gelungen, einen der "schönsten Orte Dachaus für die Begegnung mit der Kunst zu schaffen", hat einer von ihnen dem Förderverein ins Stammbuch geschrieben - er dürfte für sehr viele andere gesprochen haben.