Verkehrspolitik:Aufbruch ins Radlerparadies

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Fahrradfahrer in Dachau in der Martin-Huber-Straße. (Foto: Niels P. Joergensen)

Stadträte beschließen ein 115 Kilometer langes Netz an Haupt- und Nebenrouten im Stadtgebiet von Dachau. Der Fahrradverkehr soll von den Geh- und Radwegen auf sichere Schutzstreifen auf den Straßen verlegt werden.

Von Petra Schafflik, Dachau

In der Münchner Straße in Dachau fahren Radfahrer seit drei Jahren sicherer als früher auf deutlich rot markierten Fahrradstreifen. Der Umbau dieser stark befahrenen innerstädtischen Einkaufsstraße, anfangs von vielen Bürgern durchaus skeptisch betrachtet, gilt inzwischen als Erfolgsmodell. Doch wer mit dem Fahrrad in der Stadt unterwegs ist und von dieser Vorzeigestrecke abbiegt, wird rasch mit dem Alltag auf Dachaus Straßen konfrontiert.

Da gibt es zu schmale Radwege, gefährliche Einmündungen, häufig wechselnde Wegführungen und lange Wartezeiten an Ampeln, die erst per Knopfdruck aktivierten werden müssen. Routinierte Radfahrer kommen in der Stadt an ihr Ziel, doch entspannt fährt es sich nur auf wenigen Strecken. Dieses Defizit will die Stadt Dachau nun gezielt angehen. Ein Radverkehrskonzept dazu, das vom Fachbüro "PGV Altrutz" aus Hannover erarbeitet wurde, haben die Stadträte im Umwelt-und Verkehrsausschuss jetzt einstimmig beschlossen.

Ziel ist ein sicheres und komfortables Netz

Die Studie liefert einen strategischen Rahmen, nach dem in den kommenden Jahren Radwege verknüpft, einheitlicher gestaltet und ausgebaut werden sollen. Ziel ist ein sicheres und komfortables Netz, "mit dem wir noch viele Bürger zum Umstieg aufs Fahrrad bewegen können", sagte Verkehrsreferent Volker C. Koch (SPD). Als Grundlage für eine koordinierte Ausbaustrategie legt das Radverkehrskonzept ein 115 Kilometer langes Netz an Haupt- und Nebenrouten fest, wo vorrangig Wege für Radler neu errichtet, vorhandene verbessert, alle miteinander gut verbunden werden sollen.

Dabei will man die Bürger auf dem Fahrrad möglichst in die erste Reihe und in den Blick der Auto- und Lkw-Fahrer holen - also runter von den Geh- und Radwegen, auf sichere Schutz- oder Radstreifen auf der Fahrbahn. Diese sollen breit ausfallen, weil immer mehr Lastenräder durch die Stadt kurven, die mehr Platz brauchen. Für einige Problemstellen in der Stadt macht das Team mit Verkehrsplanerin Heike Prahlow auch konkrete Vorschläge. So für die Ludwig-Thoma-Straße, wo Radler bisher entweder gemeinsam mit dem motorisierten Verkehr den Fabrikberg hochstrampeln oder verbotswidrig den schmalen Gehweg nutzen. Hier könnten beidseitige Schutzstreifen mehr Sicherheit bieten oder eine einseitige Fahrradspur bergauf, wie es im Gutachten heißt. Um den notwendigen Raum zu gewinnen, müsste dann aber die Abbiegespur auf der Fahrbahn wegfallen.

Wo im Straßenraum der Platz für ideale Lösungen fehlt, rät das Gutachten zu unkonventionellen Lösungen. Wie in der Schillerstraße, wo bisher eine nicht benutzungspflichtige Radspur auf dem Gehweg verläuft. Für beidseitige Schutzstreifen ist die Fahrbahn zu schmal, also könnten alternierend Radfahrspuren angelegt werden, immer für einige hundert Meter auf der einen Seite, dann wieder auf der anderen. Eine ungewohnte Lösung, die gut kommuniziert werden muss, wie Prahlow den Stadträten erklärte. Denn natürlich sollen Radler immer wieder die Fahrbahnseite wechseln und nicht einfach weiterstrampeln, ob mit oder ohne Schutzstreifen. Sinn der markierten Spuren ist, dass Autofahrer insgesamt aufmerksamer auf Radler als Verkehrsteilnehmer würden.

Mit dem Radverkehrskonzept "bekommen wir ein gutes Werkzeug in die Hand", betonte Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD). Michael Eisenmann vom Bündnis, das sich im Stadtrat stets für die Interessen der Radfahrer einsetzt, lobte die "klaren Qualitätskriterien." Damit lasse sich "die nächsten Jahre gut durcharbeiten". Schließlich bewältigten die Dachauer innerorts auf ihrem Weg zur Schule, Arbeit und zum Einkaufen oder Sport zum größten Teil kurze Strecken bis zwei Kilometer Länge mit dem Fahrrad. "Ein riesiges Potential für den Radverkehr."

Wie ernst es die Stadträte mit dem Radverkehr meinen, wird sich bei den Haushaltsberatungen zeigen

Nur Peter Strauch (CSU) vermisste in der Studie "die Tiefe, da sind noch keine echten Maßnahmen drin". Doch der allgemeingültige, stadtübergreifende Leitfaden sei gerade sinnvoll, sagte Verkehrsreferent Koch. So könne die Verwaltung auch kurzfristig und Stück für Stück Verbesserungen umsetzen, dort, wo sich Optionen dafür ergeben. "Wir müssen nicht extra eine Straße aufreißen, sondern überall, wo sowieso gebaut wird, künftig auch für die Sicherheit der Radfahrer etwas umsetzen." Aber letztlich gehe es auch stets um eine Verteilungsfrage, betonte Thomas Kreß (Grüne). Neue Schutzstreifen oder Radwege benötigen Platz im Straßenraum, werden Parkplätze oder Fahrbahnbreite kosten. "Das wird Diskussionen geben", sagte Kreß.

Wie ernst die Stadträte es meinem mit dem Ziel, den Radverkehr in der Stadt nun intensiv zu fördern, wird sich bei den Haushaltsberatungen im Herbst zeigen. Dann wird es darum gehen, ausreichend finanzielle Mittel für erste konkrete Maßnahmen in den Etat einzustellen. Denn auch wenn das Radverkehrskonzept ein Leitfaden ist, der weder Zeitplan noch konkrete Vorhaben vorgibt, empfiehlt Expertin Prahlow, bald mit ersten Projekten zu starten. Um Aufmerksamkeit für dieses Verkehrsmittel zu erhalten und mehr Bürger fürs Fahrrad zu begeistern. "Nur wenn es einfach wie auch sicher ist und zudem Spaß macht, nur dann fährt man Rad."

© SZ vom 31.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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