Konzert:Verdammt gut und sorgenfrei

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Tim Neuhaus (Bild) und Florian Holobek brauchen nicht viel, um ihr Publikum zu fesseln. (Foto: Toni Heigl)

Tim Neuhaus und Florian Holobek zeigen, worauf es ankommt

Von Fam Marie Schaper, Dachau

Ein schwarzer Vorhang, davor zwei Männer in Schwarz gekleidet. Der eine sitzt auf einem Klavierhocker und hat eine Akustikgitarre auf seinen überkreuzten Beinen liegen, der andere sitzt hinter Trommeln und Becken eines Schlagzeuges. Es wirkt unspektakulär - und dann erklingt der erste Anschlag der Saiten und die ersten Töne des Gesangs. Obwohl sie nur singen und zwei Instrumente spielen, ist das Publikum an diesem Abend in der Kulturschranne gefesselt. Tim Neuhaus, an der Gitarre, und Florian Holobek, am Schlagzeug, benötigen nicht viel, um tolle Musik zu machen. Sie müssen sich nicht wie manche berühmten Musiker hinter einer bombastischen Show mit Tanzeinlagen und stimmverzerrenden Lautsprechern verstecken. Ihre Musik wirkt auch so.

Vermutlich lud Prittlstock-Agent Peter Lenk sie genau deswegen nach Dachau ein. "Ich habe sie das erste Mal aus Zufall bei einem Konzert als Vorband gehört", berichtet er. Damals standen sie zu viert auf der Bühne, als Ensemble Tim Neuhaus and the Cabinet. Das war vor ungefähr fünf Jahren. Die Band spielte dann das erste Mal in Dachau, vor zwei Jahren kam Tim Neuhaus alleine und nun ist er wieder aus Berlin angereist, mit seinem Bandkollegen Florian Holobek. Peter Lenk ist dafür bekannt, vor allem Singer-Songwriter nach Dachau einzuladen; vor Kurzem spielte Liz Stringer im Café Gramsci.

Mit den melancholischen Klängen, die typisch für Singer-Songwriter sind, beginnt auch das Konzert, zu dem ungefähr 70 Besucher gekommen sind. Tims Stimme ist ruhig und leise, als er ein Liebeslied anstimmt. Die Saiten seiner Gitarre schlägt er sanft an, wie es bei klassischen Gitarrenstücken üblich ist, und verzichtet auf ein Plektrum. Beide Musiker schaffen mit ihren Stimmen Harmonien. Florian eher im tieferen Bereich und Tim auch manchmal mit Kopfstimme. Mit solchen Liedern, die von sanften Tönen und traurigen, englischen Texten getragen werden, stimmen sie ihr Publikum langsam auf den Abend ein. Die Musiker und die Zuhörer schließen oft die Augen, um die Musik zu genießen.

Der erste Teil des Konzerts erinnert vor allem an die Musik deutscher Künstler wie Philipp Poisel und Clueso, in dessen Band Tim Neuhaus als Schlagzeuger vertreten ist. Doch mit jedem Lied gewinnen die Musiker und auch ihr Publikum an Fahrt. Immer mehr Menschen öffnen die Augen und beginnen, mit den Füßen zu wippen. Wäre nicht der Raum voll Tische und Stühle, hätten bestimmt viele zu tanzen begonnen. Zu dieser Reaktion steuert aber nicht nur die Musik bei - auch Tims lockeres Auftreten beeinflusst die Stimmung. So stellt er scherzhafte Fragen, wie: "Singe ich da eigentlich schon?", verpasst auch mal einen Einsatz oder stolpert über ein Kabel. Beide Künstler stehen zu ihren unspektakulären Auftritten und dazu, dass sie nicht perfekt sind, aber genau das macht sie sympathisch. Doch sie sind nicht nur das - sie sind vor allem musikalisch. Florian spielt mit der einen Hand einige Töne auf einer Keyboardtastatur, nutzt beide Füße für das Schlagzeug und schlägt mit der anderen Hand auf ein Becken, während er singt. Und Tim beweist, dass ihm die Gitarre genauso gut liegt. Und auch komponieren können sie beide. Florians Musik zeichnet sich vor allem durch seine Stimme aus, die beruhigend wirkt und soulig ist. Seine Lieder gehen eher in Richtung Folkmusik und haben countryähnliche Einschläge. Tim schreibt eher Lieder, die, wenn sie nicht melancholisch sind, in die Sparte des Indie-Pop und Alternative einzuordnen sind. Oft beginnen sie leise, und seine Stimme ist fast nicht mehr als ein Flüstern, dann schwillt sie abrupt an, zusammen mit den Instrumenten, um dann fast in ein Aufschreien überzugehen. Die Lautstärke ändern sie immer wieder im Laufe eines Liedes - sie arbeiten damit.

Natürlich singen sie, wie die meisten Musiker, von Liebe, doch das ist nur ein kleiner Teil ihres Repertoires: So erzählt Tim Neuhaus die Geschichte eines Spielzeugzwerges und beschreibt aus seiner Perspektive die Welt. Und eine Liebeserklärung muss nicht immer an einen Menschen gerichtet sein: In dem Lied "Stand Down" geht es um ihre Liebe zur Musik. Oder auch Kampfansagen, an die Zeit, die unaufhaltsam fortschreitet und die man einfach nicht zu fassen bekommt. Zuletzt beweisen sie noch, dass sie auch in der Sprache nicht festgelegt sind: Die Zugabe, vom Publikum vehement gefordert, ist das deutsche Lied "Sorgenfrei". Und so verlassen sie auch die Bühne: Tim Neuhaus mit seiner Akustikgitarre in der Hand, Florian Holobek mit seinen Sticks und die Zeilen singend: "Ich lauf nach Gefühl bis zum Morgengrauen - Sorgenfrei."

© SZ vom 30.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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