Jahresrückblick 2022:In memoriam

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Mathilde Reitberger. (Foto: oh)

Diese vier Menschen haben den Landkreis in ihrem Leben geprägt. 2022 sind sie gestorben. Eine Würdigung.

Von Anna Schwarz, Dachau

Fast 30 Jahre lang war Mathilde Reitberger das Gesicht der Gemeindebücherei Karlsfeld, zunächst als Mitarbeiterin und bis zu ihrer Pensionierung 2005 auch als Leiterin. Mitte Februar starb sie im Alter von 80 Jahren. In der Bücherei war die gelernte Fotolaborantin in ihrem Element: Bücherfreunde jeden Alters haben mit ihr über ihre Interessen gesprochen, sie wusste, welche Lektüre sie ihnen raten konnte. Außerdem organisierte sie Autorenlesungen. Ihre persönliche Leidenschaft galt der bayerischen Geschichte, die sie als Gasthörerin an der Münchner Universität studierte. Wenn jemandem etwas auf der Seele brannte, so hörte sie stundenlang zu. "Mit Hilde kann man wirklich reden", dieser Satz war in Karlsfeld oft zu hören.

Victor Bolarinwa. (Foto: Toni Heigl)

Victor Bolarinwa hat es geschafft, in Dachau ein klassisches Sinfonieorchester zu gründen, das sich halten konnte: die Sinfonietta Dachau. Das Publikum gewann Geschmack am Musizieren der Sinfonietta, und der Festsaal des Schlosses füllte sich von Konzert zu Konzert mehr. Mit dem Tod des Dirigenten Mitte Juli geht eine musikalische Ära zu Ende. Er starb im Alter von 83 Jahren.

Die Eltern erkannten die außergewöhnliche musikalische Begabung Victor Bolarinwas. Sie schickten ihn nach London, wo er sein Dirigenten-Diplom abschloss - und seine spätere Frau Gisela kennenlernte. Ihr folgte er in ihren Heimatort Hebertshausen, wo der Musiker schnell Fuß fasste und den örtlichen Kirchenchor leitete. Für die Aufführung von Konzerten mit Orchester engagierte Victor Bolarinwa stets junge Solistinnen und Solisten, die gerade am Ende ihrer Ausbildung standen. So förderte er junge Talente bis zur Konzertreife.

Walter Gaudnek. (Foto: N.P. Jörgensen)

Gemeinsam mit Andy Warhol gehörte er seit den 1970er-Jahren zu den Hauptvertretern der Pop Art: Walter Gaudnek. Bis 2020 lehrte er als Professor für Kunst an der University of Central Florida in Orlando und lebte bis zum seinem Tod in Florida. Seiner Heimatgemeinde Altomünster hielt er aber immer die Treue und kam in der vorlesungsfreien Zeit zu Besuch. Im Oktober ist er im Alter von 92 Jahren gestorben. Bekannt ist Gaudnek vor allem durch seine farbenfrohen Pop-Art-Motive. Sein Alleinstellungsmerkmal: Er griff dabei auch religiöse Themen auf. Einige seiner Werke hängen in der Galerie im Treppenhaus der Grund- und Mittelschule Altomünster, darüber hinaus sorgen sie in den Fluren der beiden Kliniken im Landkreis für freundlichere Stimmung. 2011 zeichnete die Marktgemeinde Altomünster ihren berühmtesten Sohn mit der Bürgermedaille aus.

Peter Gardosch. (Foto: Max Kronawitter/Ikarus-Film)

"Mit 13 durch die Hölle" - so nannte der jüdische Zeitzeuge Peter Gardosch das Buch, in dem er erzählte, wie er das KZ Dachau und den Todesmarsch überlebte. Bis zuletzt berichtete er auf Veranstaltungen über sein Leben, im November ist er mit 92 Jahren gestorben. Er wurde am 8. November 1930 in der Region Siebenbürgen geboren, die damals zu Ungarn gehörte. Er war 13 Jahre alt, als im März 1944 die deutsche Wehrmacht in Ungarn einfiel. Seine Familie wurde festgenommen, seine Mutter, Großmutter und jüngere Schwester wurden in Auschwitz vergast.

Peter Gardosch und sein Vater wurden über das Stammlager Dachau nach Kaufering III gebracht. Kurz vor Kriegsende wurden die Häftlinge auf den Todesmarsch nach Allach geschickt. Gardosch und sein Vater konnten fliehen, sie versteckten sich im Kloster Fürstenfeld, bis die US-Truppen kamen. 1963 wanderte er nach Israel aus, kam aber nach Deutschland zurück und wurde Unternehmensberater. Die Premiere des Films über sein Leben erlebt er nicht mehr. Er starb wenige Tage zuvor.

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