Thoma-Gemeinde Dachau:Es ist was faul im Hause Capulet

Lesezeit: 3 min

Romeo (René Rastelli) und Julia (Annemarie Stauss) sind 30 Jahre nach ihrem Beinahe-Selbstmord längst im schnöden Beziehungsalltag angekommen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Langeweile, schmutziges Geschirr und eine pubertierende Tochter: Ephraim Kishons Stück "Es war die Lerche" zeigt, dass die Liebe zwischen Romeo und Julia nach 30 Ehejahren auch nicht anders aussieht als bei anderen. Für die Thoma-Gemeinde Dachau ist die Satire das ideale Stück für eine leichtfüßige Rückkehr auf die Bühne.

Von Renate Zauscher, Dachau

Was haben Romeo und Julia, das unsterbliche Liebespaar, im Morgengrauen ihrer Hochzeitsnacht tatsächlich gehört? War es die Lerche - oder doch die Nachtigall? Schon damals, vor fast 30 Jahren, konnten sich die beiden nicht einigen in dieser Frage und heute, fast drei trostlose Jahrzehnte später, streiten sie noch immer erbittert darüber.

Zumindest in der Version des großen Satirikers Ephraim Kishon. Anders als William Shakespeare lässt er Romeo und Julia das große Liebesdrama überleben: als in ärmlichen Verhältnissen hausendes, einander überdrüssiges Ehepaar, das nur noch darauf sinnt, den jeweils anderen loszuwerden.

Romeo, zu "Momo" mutiert, fristet sein Leben als abgehalfterter Ballettlehrer und Julia ist eine frustrierte Hausfrau in Lockenwicklern und Kittelschürze. Von spannendem Sex ist längst keine Rede mehr: Romeo liebt nur noch seine Wärmflasche, die er immer wieder zärtlich an sich drückt, während Julia für Romeos Annäherungsversuche längst "keinen Kopf" mehr hat.

Die Tochter Lukretia ist Klimaaktivistin

Die Ludwig-Thoma-Gemeinde hat mit der Wahl von Kishons Stück "Es war die Lerche" einen guten Griff gemacht. Man habe, sagt Angelika Mauersich-Härtl, ganz bewusst einen leichten Stoff gewählt - eine mit Blick auf die vergangenen drei Corona-Jahre sehr gute Entscheidung. Und ein Glücksfall für die sechs Mitwirkenden auf der Bühne im Thoma-Haus: Kishons Satire, die er selbst als "heiteres Trauerspiel" bezeichnet, lebt von starken, ausgeprägten Charakteren. René Rastelli gibt den alternden, deutlich zu dick gewordenen Romeo, Annemarie Stauss die auch nicht mehr taufrische Julia.

Kishon hat den beiden eine unerträglich pubertierende, ihre Eltern zur Weißglut treibende Tochter namens Lukretia zur Seite gestellt, die nachts mit Männern unterwegs ist, Graffiti an Häuserwände schmiert und sich zu allem Überfluss auch noch als Klimaaktivistin betätigt. Elena Schiffner spielt Luki mit teenagerhaftem Charme und glaubhafter Wut auf das "Establishment" in Gestalt ihrer Eltern, die keine Ahnung vom Leben oder der Liebe haben.

Romeo wagt ein Tänzchen mit der Amme (Brigitte Fiedler). (Foto: Niels P. Jørgensen)
Es war die E-Gitarre, die eben dein banges Ohr durchdrang: Die pubertierende Tochter Lukretia (Elena Schiffner) von Romeo und Julia. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Der Franziskanerpater (Edi Hörl) zeigt mehr Interesse an Julia, als sich für einen Priester gehört. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Aus Shakespeares Originalversion treten zwei weitere Protagonisten auf: Edi Hörl spielt den mittlerweile dementen Franziskanerpater, der Romeo und Julia einst den kirchlichen Segen gespendet hat und Julia bei ihrer Beichte immer wieder zu nahe kommen möchte. Brigitte Fiedler mimt Julias ehemalige Amme, eine intrigante, an Romeo interessierte alte Dame. Sie soll - und wird - dem Spross der Montague dabei helfen, ans Geld der ungeliebten Schwiegermutter, Signora Capulet, zu kommen.

Das Gestreite der Ehepartner, die nach 30 Jahren, jeder für sich, nur noch an Scheidung denken, ruft schließlich auch den großen Meister selbst, Maestro Shakespeare, auf den Plan. Er steigt genervt aus seinem Grab und will die Sache, die vor drei Jahrzehnten irgendwie aus dem Ruder gelaufen ist, auf seine Weise zu Ende bringen. Wolfgang Möckl, wie die meisten anderen Mitspieler seit Jahren im Ensemble der Thoma-Gemeinde, glänzt in dieser Rolle: Kein Wunder, dass sich Tochter Luki spontan in den Mann in Renaissance-Outfit und eleganter Shakespeare'scher Ausdrucksweise verliebt und mit "Willie" ein neues Leben beginnen will.

Zeitlose Satire

Kishons Satire ist vor genau 50 Jahren geschrieben worden. Was sie aber auch heute noch so sehenswert macht, ist ihre Zeitlosigkeit. Auch 2023 schaut der Alltag vieler Paare exakt so aus, wie Kishon ihn darstellt: es ist eine Abfolge aus kleineren und größeren Streitigkeiten, in der Eltern ihre Kinder mit der Frage nach den Hausaufgaben quälen und sich Vorwürfe wegen Nichtigkeiten machen. Dazu kommen viele Originalzitate, auch aus anderen Shakespeare-Dramen, mit denen Kishon spielt: Ihre Verfremdung in neuem Zusammenhang sorgt für zusätzliche Komik.

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

Eigentlich sollte Kishons Stück schon 2020 präsentiert werden - die Corona-Pause hatte in diesem Fall aber auch ihr Gutes. So blieb für Wolfgang Möckl und seine Familie Zeit, eine Band zu gründen, die sie The Car-Men Project nennen. Möckls Söhne Justin (Gitarre) und Leander (Klavier) sorgen mit Lea Seyfried am Bass für die musikalische Umrahmung der Aufführung, für die sie Texte von Kishon vertont haben. Und in den dabei entstandenen Couplets beweisen die Schauspielerinnen und Schauspieler beachtliche sängerische Qualitäten.

Zur höchst gelungenen Aufführung tragen auch die unsichtbaren Mitwirkenden hinter der Bühne bei. Christa Horbelt und Annemarie Pabst sind für Kostüme und Inspizienz verantwortlich, Carola Walter für die Maske, Technik sowie Bühnenbau haben vier Schüler des Josef-Effner-Gymnasiums übernommen: Maximilian Gebhardt, Leon Kuhr, Pascal Lübeck und Felix Stief.

Das Stück wird noch dreimal gespielt: am kommenden Freitag, 31. März, und Samstag, 1. April, jeweils um 19.30 Uhr, und am Sonntag, 2. April, um 18 Uhr.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusDachauer OB im Interview
:"EuroArt bildet im Kleinen ab, was Europa ausmacht"

Seit mehr als einem Jahr ist Dachaus OB Florian Hartmann Präsident von EuroArt, einem Verbund von 46 ehemaligen Künstlerkolonien aus zwölf Ländern. Ein Gespräch über neue kunsthistorische Entdeckungen und die Grenzen der Verständigung in Zeiten des Krieges.

Interview von Gregor Schiegl

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: