Dachau:Taxifahrerin zweimal brutal überfallen

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Beide Angriffe hat Gabriele Sanktjohanser mit Glück überlebt. Nun überlegt sie, wie es weitergeht - denn in ein Taxi möchte sie nicht mehr steigen.

Von Benjamin Emonts, Dachau

Gelb-rote Hämatome und mehrere Schnittwunden zeugen von dem brutalen Angriff auf die Taxifahrerin Gabriele Sanktjohanser. Die 52-Jährige sitzt in einem Dachauer Café, sie erzählt nach außen hin ruhig und gefasst über den Überfall am Sonntag, 14. Februar.

Während ihre äußeren Wunden allmählich verheilen, sind die seelischen allgegenwärtig. Es sind Wunden, die ihr vor sechs Jahren schon einmal zugefügt wurden. Damals war sie von einem Mann im Taxi überfallen und stranguliert worden.

"Tagsüber geht es einigermaßen. Meine beiden Kinder, die noch zu Hause wohnen, geben mir Halt", sagt die 52-Jährige. Nachts jedoch plagen sie Schlaflosigkeit und Albträume. "Die Bilder holen mich immer wieder ein."

Am 14. Februar, Sonntagabend, gegen 19.20 Uhr steht Gabriele Sanktjohanser am Dachauer Bahnhof an dritter Stelle in der Schlange der wartenden Taxis. Ein "freundlicher, gepflegter Mann" steigt zu ihr ein. Etwa 40 Minuten später, nach einem Umweg über das Dachauer Industriegebiet, zwingt er die Taxifahrerin in der Nähe des Golfplatzes Gut Häusern plötzlich mit einem Messer in einen Waldweg.

Sanktjohanser flüchtet ins Freie. Dort attackiert sie der Mann, stößt sie zu Boden und tritt ihr mehrmals mit voller Kraft auf den Kopf und ihre Beine. Mit dem Messer versetzt er ihr mehrere Stiche in Arme und Hände. "Ich habe nichts mehr gedacht, es war nur noch Überlebenskampf", sagt die 52-Jährige. Als die Taxifahrerin benommen ist, nimmt ihr der Angreifer den Schlüssel ab und fährt in Richtung Markt Indersdorf davon.

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Der Täter hat wohl irrtümlich mit Benzin statt mit Diesel getankt

Eine sofort eingeleitete Fahndung nach dem Täter verläuft bis heute ergebnislos. Das gestohlene Auto aber konnte an der A1 in der Nähe von Trier am 15. Februar gefunden werden, teilt Peter Grießer vom Polizeipräsidium Oberbayern Nord mit.

Es sei davon auszugehen, dass das Auto durch den Täter irrtümlicherweise mit Benzin statt mit Diesel getankt wurde und deshalb ein Motorschaden entstand. Die Geldbörse der Taxifahrerin fand ein Lastwagenfahrer aus Luxemburg in der Nähe der B327 bei Simmern im Hunsrück.

"Entscheidend wird sein, was für zuordnungsfähige Spuren man findet", sagt Polizei-Pressesprecher Grießer. Im Auto seien DNA-Spuren, Fingerabdrücke und Faserspuren sichergestellt worden. Jetzt hofft die Polizei auf einen Treffer in ihrer Datenbank. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass passierende Autofahrer den Täter mitgenommen haben könnten. "Die Kriminalpolizei Trier hat entsprechende Ermittlungen in Rheinland-Pfalz aufgenommen."

"Es bedeutet mir schon viel, dass der Täter gefasst wird. Es wäre ein Stück weit Gerechtigkeit", sagt Gabriele Sanktjohanser. Der Sprecher der Dachauer Taxifahrer, Alex Brahos, zählt in den vergangenen 30 Jahren lediglich fünf Überfälle auf Dachauer Taxifahrer.

In der Dachauer Rothschwaige wurde eine Taxifahrerin vor 25 Jahren von zwei jungen Männern erstochen. Zwei andere Male traf es ausgerechnet Gabriele Sanktjohanser. Vor fast exakt sechs Jahren hatte ein Kunde ihr in Schönbrunn in der Gemeinde Röhrmoos von hinten ein Kabel um den Hals gezurrt, als er nicht bezahlen konnte.

Sanktjohanser brachte gerade noch ihre Hand in die Schlinge. Das Kabel riss. Der flüchtige Täter konnte damals durch Videoaufnahmen einer Bank überführt werden. Er wurde zu drei Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt.

Unter den psychischen Folgen des Angriffs litt Gabriele Sanktjohanser noch bis vor einem halben Jahr, erzählt sie. "Ich war mehrmals in psychologischer Behandlung und hatte Schlafstörungen." Jedes Mal, wenn ein Kunde in ihr Taxi stieg, habe sie ein mulmiges Gefühl beschlichen.

"Ich konnte meinem Beruf nicht mehr angstfrei nachgehen." Finanzielle Gründe aber zwangen sie weiterzumachen. "Ich habe keine Wahl gehabt. Ich musste ja meine Kinder irgendwie ernähren."

Zur Überbrückung haben Kollegen Geld gesammelt

Ausgerechnet jetzt, als die Ängste überwunden schienen, kam es zum erneuten Angriff auf die 52-Jährige. Trotzdem macht sie einen starken, tapferen Eindruck. Bei beiden Überfällen hat sie sich nach Kräften gewehrt.

Beim ersten Übergriff im Jahr 2010, so erzählt sie stolz, habe sie den Angreifer noch "zusammengeschissen", bevor er flüchtete. Sanktjohanser lacht. Auch als sie erzählt, dass ihre zwei Schneidezähne wackeln. "Jetzt weiß ich wenigstens, wie ich mich im Alter fühle."

Auf die Frage angesprochen, ob sie wieder in ein Taxi steigen wird, verfinstert sich ihre Miene wieder. "Nein. Jetzt ist Schluss. Ich kann's nicht noch mal herausfordern", lautet ihre klare Antwort. Doch wie soll es weitergehen, ohne einen Job, der ihre Familie ernährt? "Ich werde mir so viel Zeit nehmen, wie ich brauche", sagt Sanktjohanser.

Zur Überbrückung haben Taxler-Sprecher Brahos und die Kollegen Geld für sie gesammelt. Von anderer Seite hat sie ein Angebot erhalten, künftig Schulkinder zu fahren. Schließlich relativiert Sanktjohanser: "Wenn ich irgendwann keine Kohle hab, kann ich nichts ausschließen. Ich habe zwei Kinder und kann mich ja nicht hängen lassen."

Die 52-Jährige ist hart im Nehmen. Als sie eine fünf Zentimeter lange Schnittwunde unten an der Handinnenseite zeigt, sagt sie: "Ein bisschen weiter unten, und es wäre aus gewesen. Es hätte schlimmer laufen können."

© SZ vom 24.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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