Vor fast zehn Jahren, am 28. Juni 2012 verlor die deutsche Fußballnationalmannschaft im EM-Halbfinale gegen Angstgegner Italien mit 1:2. Ein trauriger Moment für den deutschen Fußball - und auch für die parlamentarische Demokratie. Während rund 28 Millionen TV-Zuschauer, darunter mutmaßlich ein Großteil der Bundestagsabgeordneten, sahen, wie der italienische Stürmer Mario Balotelli nach seinem zweiten Tor das Trikot auszog und sämtliche Oberkörpermuskeln anspannend vor den Kameras posierte, beschloss im Bundestag eine Handvoll Abgeordneter vor leeren Rängen ein neues Meldegesetz. Die Reform sollte Behörden erlauben, die Adressdaten der Bürger an Werbefirmen verkaufen zu dürfen. Die Empörung war groß, als die Öffentlichkeit nach Abpfiff doch noch davon Wind bekam. Datenschützer liefen Sturm. Bund und Länder einigten sich später auf eine nachgebesserte Neufassung des Gesetzes.
Nun ist der Dachauer Stadtrat nicht der Bundestag. Und schon gar nicht will man an dieser Stelle den Stadträten unterstellen, dass sie ständig Sitzungen schwänzen würden. Doch bei der vergangenen Zusammenkunft des Bau- und Planungsausschusses zeigte sich, wie Abstimmungen überraschend laufen können, wenn einmal nicht alle Stadträte anwesend sind.
Überraschendes Abstimmungsergebnis
Auf der Tagesordnung stand ein Antrag der SPD-Fraktion. Demnach sollte die Stadt künftig nur noch dann Bauland ausweisen dürfen, wenn die betroffenen Flächen mindestens zur Hälfte der Stadt selbst oder einer gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft gehören. Die Idee dahinter: "Wir müssen nicht nur für bezahlbaren Wohnraum wieder das Heft des Handelns in die Hand bekommen, sondern auch für die Vermarktung von Gewerbeflächen", so die Sozialdemokraten.
In der Diskussion im Ausschuss machten die Fraktionen ihre Positionen deutlich. SPD, Grüne und Bündnis befürworteten den Antrag. CSU, ÜB/FDP, FWD/BfD sowie AfD waren dagegen. Die Abstimmung nach den Redenbeiträgen endete bemerkenswert. SPD, Grüne und Bündnis, die sich im Kommunalwahlkampf verbündeten und Florian Hartmann als gemeinsamen OB-Kandidaten aufstellten, haben normalerweise mit der Stimme des Oberbürgermeisters eine knappe Mehrheit im Ausschuss. Doch da Jasmin Lang (Grüne) fehlte, kamen SPD, Grüne, Bündnis und OB nur auf sieben Stimmen, und damit auf genauso so viele wie die Oppositionsparteien. Bei Stimmengleichheit wird ein Antrag abgelehnt.
Dass die Abstimmung ausnahmsweise sieben zu sieben ausging, wurde fast übersehen. OB Hartmann hatte nur die Gegenstimmen gezählt und war daher von einer Mehrheit für den SPD-Antrag ausgegangen. Als er schon zum nächsten Tagesordnungspunkt übergehen wollte, machte ihn Norbert Winter (CSU) auf die Stimmengleichheit aufmerksam. Dann war es wie beim Fußball. Es wurde durchgezählt - und die Entscheidung revidiert: Antrag abgelehnt. Eine Baulandentwicklung wie von der SPD gewünscht wird es nicht geben.