Dachau:"Das wird ein Abenteuer für die ganze Gemeinde"

Lesezeit: 3 min

Das letzte Mal ist in den Siebzigern Hand angelegt worden im Kircheninneren von St. Jakob. Jetzt ist Großputz angesagt, damit zum 400-jährigen Bestehen alles glänzt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Pfarrkirche St. Jakob schließt vorübergehend ihre Pforten. Das Innere des 400 Jahre alten Wahrzeichens Dachaus wird gesäubert, auch die Heiligenfiguren und die Orgel erhalten eine Grundreinigung. Gottesdienste finden fortan im Pfarrheim statt.

Von Alexandra Vettori, Dachau

Die Stadtpfarrkirche St. Jakob ist nach dem Dachauer Schloss eines der bekanntesten Wahrzeichen der Stadt. Seit bald vier Jahrhunderten prägt sie nicht nur die Altstadt, sondern auch das Hinterland. An der Form ihres achteckigen Turms orientierten sich mehrere Gemeinden im Landkreis beim Bau ihrer Kirchen. Außerdem war St. Jakob bei der Vermessung Bayerns Anfang des 19. Jahrhunderts einer der Vermessungspunkte der sogenannten Basislinie. Jetzt, kurz vor der Feier zu ihrem 400-jährigen Bestehens, wird die Kirche geschlossen.

Die hohen Wände haben Risse, sind fleckig und dreckig, die Sockel am Boden ausgeschlagen, die vielen Heiligenfiguren verstaubt, es liegt ein Grauschleier über dem Innenraum der 1625 im Stil der Spätrenaissance fertiggestellten Kirche. Das letzte Mal, erzählt Pfarrer Benjamin Gnan bei einem Rundgang kurz vor Weihnachten, sei in den Siebzigern Hand angelegt worden. "So sieht es auch aus", fügt er hinzu. Vor zwei Jahren ist das Gotteshaus, das über einem gotischen Kern errichtet wurde, außen renoviert worden. Nun folgt das Innere.

Ende Juli soll alles fertig sein

Ein halbes Jahr ist für die Arbeiten veranschlagt, das ist ein ehrgeiziges Unterfangen. Aber Ende Juli soll alles fertig sein, schon zu Ostern will man die Kirchentore wieder öffnen, zumindest im vorderen Bereich, erläutert Michael Höltershinken, der Verwaltungsleiter im Pfarrverband Dachau - St. Jakob. Er führt die Mängelliste weiter aus: Die Sitzheizung ist eine einzige Staubschleuder und mit verantwortlich für die schmutzigen Wände, die Lautsprecheranlage ist ein Graus, auch hier rüstet man nach. Die Wände werden erst trocken, dann feucht gereinigt, dann gestrichen, alle Heiligenfiguren abgebaut und entstaubt, auch die Orgel wird zerlegt und jede einzelne Pfeife säuberlich geputzt. Danach folgt die Nachintonation, damit die Orgel auch wieder sauber klingt.

Rund 625 000 Euro sind für die Arbeiten veranschlagt, das Geld muss die Pfarrei alleine aufbringen. Das Ordinariat hat die eine Million Euro teure Außenrenovierung großzügig unterstützt, jetzt aber sind andere Projekte in anderen Kirchen an der Reihe. Doch die Pfarrgemeine St. Jakob ist nicht ganz unvorbereitet: Zum einen hat man seit 20 Jahren gespart, außerdem hofft man noch auf weitere Zuschüsse, und natürlich läuft eine Spendenaktion. Die Resonanz ist groß, "für viele Dachauer ist St. Jakob ein wichtiger spiritueller Ort", weiß Pfarrer Benjamin Gnan. So konnte man zum Beispiel eine Patenschaft für jede der rund 35 Heiligenfiguren übernehmen. "Fünf sind noch da", sagt Gnan, "da darf man zum einen staunen und zum anderen stolz sein auf die Gemeinde". Allein die Heiligen machen schon viel Arbeit, im Altarraum und an den Säulen im Langhaus stehen lebensgroße Figuren von Christus und den Zwölf Aposteln, 1625 gestaltet von Constantin Pader.

An Stelltafeln konnte man sich für Heiligen-Patenschaften melden. Nur wenige sind noch zu haben, erzählen (v.l.) Kirchenpfleger Franz Blatt, Verwaltungsleiter Michael Höltershinken und Pfarrer Benjamin Gnan. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Mittels Musterproben hat man den Weißton für die Wand und den Grauton für die Friese ausgewählt, streng nach historischem Vorbild. Das Braungrau außen ist die derzeitige Wandfarbe. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Auch alle Figuren werden abgebaut und gereinigt. Im Altarraum und an den Säulen stehen lebensgroße Figuren von Christus und den Zwölf Aposteln. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Im Heiligen Grab wird eine Kapelle eingerichtet, damit Gläubige auch weiter in der Kirche St. Jakob einen Ort der Ruhe und des Gebets finden. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Der erste Gottesdienst in St. Jakob fand am 31. Oktober 1625 statt. Davor hatten die Kirchenbauer in Rekordzeit gearbeitet, die Grundsteinlegung für die neue Kirche war am 9. Mai 1624. St. Jakob wurde im für Bayern seltenen Stil der Spätrenaissance errichtet, als dreischiffige Halle mit überbreitem Mittelschiff und schmalen Seitenschiffen. Je vier Säulen mit kreuzförmigem Grundriss trennen Mittelschiff mit Kreuzgewölbe und Seitenschiffe mit querliegenden Tonnengewölben.

Jetzt ist oben auf der Kirchenempore an einer Wand eine Muster-Fläche angebracht, hier haben die beauftragten Handwerker der Pfarrverwaltung die Unterschiede dargestellt, wie weiß es nach der trockenen und nach der feuchten Reinigung sein wird, für jede Stufe ein Streifen. Auch die verschiedenen Farbtöne, in denen später gestrichen wird, hat man so festgelegt, abgestimmt mit den Fachleuten vom Denkmalschutz. "Man hat in der Kirchengeschichte geschaut, was war die Hauptfarbe", erzählt Kirchenpfleger Franz Blatt.

Schicht für Schicht sei die Farbe dazu an einigen Stellen abgekratzt worden. Schließlich wurde deutlich: Pfeiler und Stuckbänder waren in hellem Grau, das Gewölbe in gelblichem Ocker, die Seitenwände in hellem Weiß gestrichen. Obwohl, erzählt Blatt und lächelt, während einer Periode seien die Friese sogar mal rosa gewesen, das hat man in einer Schicht von vor 150 Jahren entdeckt. Die Farben hatten als Grundlage mehrere Jahre abgelagerten, holzgebrannten Sumpfkalk, "der vollkommen atmungsaktiv ist", wie Franz Blatt betont. Ganz am Anfang, vor 400 Jahren, dürfte es gar keine Wandfarbe gegeben haben, sondern nur den Kalk-Putz. Fleckig waren die Wände aber vermutlich auch da schon, "denn erleuchtet wurde alles von Kerzen. Und wir reden hier nicht von Stearin", sagt Michael Höltershinken.

Eigentlich hätte noch viel mehr gemacht werden müssen

Ein Wermutstropfen fällt allerdings in die Vorfreude, nächstes Jahr in eine dann wieder strahlende Kirche einzuziehen: Es hätte noch viel mehr gemacht werden müssen, auf das die Pfarrei aus Kostengründen verzichtete. Einige Heiligenfiguren hätten nicht nur gereinigt, sondern auch restauriert werden müssen, der Fußboden ist an einigen Stellen defekt und ein paar Stuck-Sanierungen wären auch nötig gewesen. Der erste Kostenvoranschlag, erläutert Kirchenpfleger Blatt, habe noch bei 1,1 Millionen Euro gelegen. Deshalb habe man Abstriche machen müssen.

Pfarrer Gnan betont, die Pfarrei werde während der Bauzeit "nicht in die Winterstarre gehen". Alle Gottesdienste finden im Pfarrheim gleich gegenüber statt, Ministranten, Kirchenmusiker, alle müssen sich auf beengte Verhältnisse einstellen, "das wird ein Abenteuer für die ganze Gemeinde", sagt Gnan. Einen Ort der Ruhe und des Gebets hält man für die Gläubigen aber sogar in der geschlossenen Kirche noch offen, darum hatte der Pfarrgemeinderat gebeten: Das Heilige Grab neben dem Eingang wird als Kapelle umgestaltet, man hat sie extra ein wenig heimeliger eingerichtet. Der vorerst letzte Gottesdienst in St. Jakob ist am Sonntag, 8. Januar, um 10 Uhr.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusDachau
:Dauerbaustelle Hörhammerbräu

Seit Jahren ist das Baudenkmal in der Dachauer Altstadt verhüllt. Statikprobleme haben dazu beigetragen, dass an der Baustelle nichts vorwärts geht. Nun bringt ein neues Gutachten Bewegung in die festgefahrene Situation.

Von Thomas Altvater

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: