Verfahren vor der Jugendkammer:Sexualstraftäter muss in Gefängnis

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40-Jähriger wegen Missbrauchs von Kindern in 312 Fällen verurteilt

Von Andreas Salch, Dachau/München

Er war gerade mal 18, als sein Opfer ihn das erste Mal besuchte, ein Bub aus der Nachbarschaft. 1997 war das. Der Bub, damals sechs Jahre alt, kam von da an regelmäßig bei dem 18-Jährigen vorbei. Mindestens zweimal die Woche. Mitunter machten die beiden auch mehrtägige Ausflüge. Bei all diesen Gelegenheiten wurde das Kind von dem jungen Mann sexuell missbraucht. Bis ins Jahr 2003. Am Mittwoch verurteilte die Jugendstrafkammer am Landgericht München II den mittlerweile 40-Jährigen aus dem Landkreis wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 312 Fällen zu vier Jahren Haft. Die Kammer wandte Jugendstrafrecht an. Denn als der Angeklagte begann, sich an dem Kind zu vergehen, war er noch Heranwachsender. Außerdem habe sich die Intensität der sexuellen Praktiken, die der heute 40-Jährige bei seinem Opfer anwandte nicht gesteigert, sagte Richterin Regina Holstein bei der Urteilsbegründung.

Der Angeklagte sei von seiner Vergangenheit eingeholt worden, so die Vorsitzende. Eine Nachbarin des 40-Jährigen hatte beobachtet, wie zwei Buben im Alter von sieben, acht Jahren ihn nachts besuchten. Die Frau berichtete dies einem Bekannten, der bei der Polizei ist. Am 21. Januar vergangenen Jahres wurde der 40-Jährige festgenommen und kam in Untersuchungshaft. Dem heute 28-jährigen Opfer blieb eine Aussage in dem Prozess erspart, da der Angeklagte geständig war. Als Kind hatte er sich nie gegen die sexuellen Handlungen des jungen Mannes aus der Nachbarschaft zur Wehr gesetzt, da dieser für ihn, wie es in der Anklage heißt, ein "Vaterersatz" gewesen sei.

Als Teenager habe er bemerkt, dass er schwul sei, erklärte der 40-Jährige bei seiner Vernehmung. Irgendwann habe er begonnen "sexuelles Interesse" an dem Buben "zu entwickeln". Richterin Holstein sagte dazu bei der Urteilsbegründung, dass der Angeklagte auch die Gelegenheit gehabt hätte, der Enge auf dem Land zu entfliehen, um sich erwachsenen Männern zuzuwenden. Stattdessen habe er seine sexuelle Findungsphase "mit einem Kind ausgelebt". Der Bub habe "nicht verstanden, was mit ihm geschieht", so die Vorsitzende. Er sei vom Angeklagten in die "Rolle eines Sexualobjekts gedrängt worden".

Das Opfer leidet bis heute an dem, was ihm widerfuhr. Der 28-Jährige schäme sich missbraucht worden zu sein, habe Angst und Alkoholprobleme, sagte Richterin Holstein bei der Urteilsbegründung. Der Angeklagte dagegen führe ein glückliches Leben. Er sei mit einem Mann verheiratet, der zu ihm stehe. "Das Opfer hat das alles nicht und leidet."

Besonders hoch rechnete das Gericht dem 40-Jährigen sein Geständnis an. Dies sei "enorm viel wert", so die Vorsitzende der Jugendstrafkammer. Zu Lasten wertete das Gericht jedoch die "Schwere der Schuld" der einzelnen Taten. Ursprünglich war die Staatsanwaltschaft von 418 Fällen ausgegangen. Ein Teil wurde "wegbeschränkt", so dass die Kammer in ihrem Urteil von insgesamt 312 sexuellen Übergriffen ausging. "Über 300 Fälle, das ist starker Tobak", sagte Richterin Holstein. Einen Täter-Opfer-Ausgleich in Höhe von 10 000 Euro wollte das Opfer nicht annehmen. Das Geld kommt nun einer sozialen Einrichtung zugute. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.

© SZ vom 20.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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