Müllentsorgung:"Das Beste wäre, man würde auf diese vielen Verpackungen verzichten"

Lesezeit: 3 min

Einwohner des Landkreises werfen überdurchschnittlich viel Plastikverpackung weg. Viele begrüßen die Idee, Verpackungshersteller für die Entsorgung zahlen zu lassen.

Von Helen Krueger-Janson, Dachau

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) will Hersteller von Einwegverpackungen für die Müllentsorgung in den Kommunen zur Kasse bitten. Hintergrund ist, dass Deutschland unter allen EU-Staaten am meisten Plastikverpackungsmüll verursacht. Die Deutschen warfen allein im Jahr 2016 etwa 18,16 Millionen Tonnen Plastikverpackungen weg. Das sind 220,5 Kilogramm pro Kopf.

Im Landkreis Dachau, wo der Wert mit 268 Kilogramm pro Einwohner über dem bundesweiten Schnitt liegt, gehen die Meinungen zu Schulzes Vorschlag bei Umweltinitiativen und Verpackungsherstellern auseinander. Einig ist man sich dagegen, dass grundsätzlich zu viel unnötig verpackt wird. Barbara Mühlbauer-Talbi von der Dachauer Abfallwirtschaft glaubt, dass das ein Schritt in die richtige Richtung sei. Doch sie findet: "Das Beste wäre, man würde auf diese vielen Verpackungen verzichten." Auch Sarah Schneider von der Müllvermeidungsinitiative Zero Waste sieht das ähnlich. "Das wird der richtige Weg sein", sagt sie. Der Dachauer Ortsgruppe von "Fridays For Future" ist der Plan der Umweltministerin allerdings zu brav. Das sei "bei Weitem nicht progressiv genug", sagt Sprecher Jonathan Westermeier.

"Das entspricht der Bequemlichkeit unserer Wegwerfgesellschaft"

Der Dachauer Kunststoffhersteller Eduard Plank dagegen ist von der Ankündigung der Ministerin nicht überzeugt. Er sagt, "diese Recycling-Problematik ist zum Scheitern verurteilt". Das Plastik solle lieber für Fernwärme eingesetzt anstatt recycelt zu werden. "Das Zeug wird aus Öl gemacht, dann brennt es auch genauso gut." Andere Verpackungshersteller sehen es ähnlich. "Das ist absoluter Schwachsinn", sagt Thomas Piesik von der Verpackungsfirma Wikon aus Oldenburg, "das ist typische deutsche Panikmache." Er sagt, "schon jetzt werden 80 Prozent des Abfalls in Deutschland verbrannt oder recycelt, das ist der Müll aus Südostasien, der bei uns in den Meeren schwimmt".

Eine Folge von Schulzes Vorschlag könnte sein, dass die Verpackungshersteller die Mehrkosten bei der Entsorgung auf die Verbraucher umlegen, zum Beispiel bei Zigaretten, Fast-Food und Plastikbechern. Plank glaubt, dass die Verbraucher bereit wären, mehr Geld für Konsumgüter auszugeben, "damit die Verpackungen gerecht entsorgt werden. Das entspricht der Bequemlichkeit unserer Wegwerfgesellschaft".

In Deutschland landen viele Einwegprodukte im Mülleimer. Das zeigt allein der Verschleiß von Einwegkaffeebechern. Stündlich werden bundesweit 320 000 To-Go-Becher weggeworfen. Das sind 2,8 Milliarden Becher jährlich. Die Umwelthilfe schätzt ihr Gewicht auf circa 40 000 Tonnen Abfall. Sarah Schneider kann sich das nur so erklären: "Es scheint ein Lifestyle geworden zu sein, da mit dem Pappbecher auf der Straße herumzulaufen." Ihrer Meinung nach sollte "Einweg die absolute Ausnahme sein".

Auch das Landratsamt hat den Einwegkaffeebechern den Kampf angesagt und vor einiger Zeit die Kampagne mit dem Titel "#aufgfülltwerd" ins Leben gerufen. Mehr als 50 Kaffeeanbieter im Landkreis Dachau unterstützen inzwischen die Aktion zur Reduzierung von Einweg-Pappbechern. Wer bei den teilnehmenden Bäckereien oder Cafés seinen Kaffee kauft, kann diesen in den eigenen mitgebrachten Mehrwegbecher füllen lassen. Einige Bäckereien bieten ein Pfandsystem an. "Zahlreiche Bürger im Landkreis nutzen bereits dieses Angebot", heißt es in einer Pressemitteilung des Landratsamtes.

Problem Biomülltüten

Doch es sind nicht nur die Coffee-To-Go-Becher, die Sarah Schneider von Zero Waste stören. Sie ruft Verbraucher auf, sich nicht von vermeintlichem Bioplastik im Handel fehlleiten zu lassen. Das beste Beispiel hierfür seien die sogenannten Biomülltüten. "Die Verbraucher entsorgen ihren Biomüll in diesen Tüten, werfen ihn so in die Biotonne und denken auch noch, sie täten das Richtige." Aber tatsächlich verlagere sich damit nur das Plastikproblem. Auch Barbara Mühlbauer-Talbi von der Dachauer Abfallwirtschaft warnt: "In den kompostierbaren Mülltüten sind immer noch zehn Prozent herkömmliches Plastik drin, deswegen zersetzen sie sich auf dem Kompostierhaufen nicht", sagt sie. Die Angestellten in der Abfallverwertung hätten mit diesen zehn Prozent deutlich zu kämpfen. Das bestätigt Hans Kenst vom Entsorgungshof Wurzer in Eitting im Landkreis Erding, wo der Müll aus dem Landkreis Dachau verwertet wird. "Wir haben dann die ganzen Plastikfetzen im Komposthaufen und müssen sie mit einem aufwendigen Verfahren wieder herausfischen", sagt er.

Umweltministerin Svenja Schulze will nun den Verschleiß an Plastik verringern und sogar dünne Plastiktüten aus dem Handel nehmen. "Ich will, dass insgesamt Plastik reduziert wird, ich will, dass wir rauskommen aus dieser Wegwerfgesellschaft", so die SPD-Politikerin. Im Herbst will das Bundesumweltministerium eine konkrete Strategie für den Handel präsentieren. Die Voraussetzungen dafür im Europarecht seien bereits geschaffen, heißt es. Wenige Wochen müssen sich Verbraucher und Hersteller also noch gedulden, bis feststeht, wer in Zukunft für die Abfallentsorgung von Plastikverpackungen zur Kasse gebeten wird.

© SZ vom 30.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: