Kunstprojekt:Letzte Wünsche

Lesezeit: 2 Min.

Schreiben ihre Wünsche auf das Plakat am dm-Markt in der Münchner Straße: Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (links) und der Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Im Leben ist nur eines sicher: der Tod. Über ihn zu sprechen und sich mit der eigenen Vergänglichkeit auseinanderzusetzen, fällt vielen schwer. Das Palliativteam der "Heilbar" in Dachau möchte das mit einem Kunstprojekt zum Mitmachen ändern.

Von Luisa Müller, Dachau

Sich im Alltag zu verfangen und zu missachten, was einem im Leben wirklich wichtig ist, passiert schnell. Sich diesem Vergessen zu stellen und sich der eigenen Sterblichkeit bewusst zu werden, hat sich das Café "Heilbar" in der Schleißheimer Straße in Dachau mit einem Kunstprojekt jetzt zur Aufgabe gemacht.

Gemeinsam mit zwei Filialen des Drogeriemarktes dm in Dachau haben Leonore Hiebsch und Sabine Kronauer, die beiden Vorständinnen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) Dachau, zu der auch das Café Heilbar gehört, das Kunstprojekt "Bevor ich sterbe, möchte ich..." ins Leben gerufen. Unter dem Motto "Lust auf Zukunft" feiert der Drogeriemarkt seinen 50. Geburtstag und unterstützt dabei rund 3000 Zukunftsprojekte. Den Tod wieder mehr in den Fokus der Gesellschaft zu rücken sei ihnen ein wichtiges Anliegen, so Michaela Hummel und Mirjana Kaube, die beiden Leiterinnen der Filialen in der Münchner Straße und am Wettersteinring, wo nun bis zum Mittwoch, 31. Mai, die Plakate, die sich das Team der Heilbar ausgedacht hat, hängen.

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Obwohl jeder am Ende seines Lebens einmal sterben müsse, seien der Tod und die Endlichkeit des Lebens immer noch ein Tabuthema in der Gesellschaft, sagt Kronauer. Das soll sich mit den Plakaten, die nun in den Schaufenstern der zwei Dachauer dm-Filialen hängen, ändern, indem das Thema positiver besetzt wird. Denn neben dem Tod ist auch das Thema "Letzte Wünsche" essenzieller Bestandteil der ehrenamtlichen Arbeit im Café Heilbar: "Ganz viele Menschen erleben, dass sie ein tieferes und ein reicheres Leben haben, weil sie bei ihren Emotionen sind und plötzlich merken, was im Leben wirklich wichtig ist", so Hiebisch. Dabei seien es keine materiellen Wünsche oder Weltreisen, es seien vielmehr die alltäglichen, die kleinen Dinge, die sich Sterbende noch einmal wünschen würden.

Das Konzept der letzten Wünsche ist angelehnt an das Kunstprojekt der US-amerikanischen Künstlerin Candy Chang. Diese hatte im Jahr 2011, nachdem sie einen geliebten Menschen verloren hatte, ihrer Trauer Ausdruck verlieren, indem sie mit dem Satz "Before I die..." auf einer Hauswand in New Orleans die Bevölkerung animierte, sich mit dem Lebensende auseinanderzusetzen. Das Projekt wurde seither weltweit erfolgreich mehrfach umgesetzt - seit dem vergangenen Freitag nun also auch in Dachau.

"Bevor ich sterbe, möchte ich zum Gardasee radeln"

Das Kunstprojekt in den dm-Filialen sei eine tolle Idee, findet auch der Dachauer Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath (CSU), der die Schirmherrschaft für das Projekt übernommen hat: "Ich bin ein großer Fan der SAPV, weil sich die Humanität einer Gesellschaft darin zeigt, wie sie mit den Vulnerabelsten umgehen und dazu gehören auch die Erkrankten und Sterbenden." Bevor er selbst einmal sterben wird, hat er gleich zwei Wünsche, die er am Freitag als einer der Ersten auf die schwarzen Plakate schreibt: "Bevor ich sterbe, müsste ich eigentlich jeden Tag so leben, als wäre er mein Letzter." Und: "Bevor ich sterbe, möchte ich zum Gardasee radeln." Der Dachauer Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD), der sich am Freitag ebenfalls auf der Tafel verewigt, belässt es bei einem Wunsch: "Bevor ich sterbe, möchte ich das glückliche Lachen meiner Urenkel im Garten hören." Alle Dachauerinnen und Dachauer sind nun dazu aufgerufen, es Hartmann und Seidenath gleich zu tun und ihre Wünsche für das Leben vor dem Tod ebenfalls auf die Plakate zu schreiben.

Die Heilbar ist Anlaufstelle für Trauernde und von lebensverkürzenden Erkrankungen Betroffene. Das Café wurde im Jahr 2020 eröffnet. "Wir vergleichen uns gerne mit einem Leuchtturm", erzählt Sabine Kronauer. Denn die Aufgabe des Cafés sei es, mit den Betroffenen einzelne Schritte ab dem Zeitpunkt der Diagnose durchzugehen, Orientierung zu bieten und ein Ort zu sein, an den die Betroffenen und Angehörigen immer wieder zurückkehren können.

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