Dachauer Ostumfahrung:Lindenallee versus Autokorso

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Immer wieder hat der Bund Naturschutz aus Protest gegen die Umfahrung Bäume entlang der Strecke gepflanzt, zuletzt im April. (Foto: Toni Heigl)

Seit 30 Jahren gibt es Pläne, eine Ostumgehung für Dachau zu bauen. Das Projekt ist höchst umstritten, dennoch hält der Landkreis daran fest. Eine Bilanz des Stillstands.

Von Alexandra Vettori, Dachau

Kürzlich haben sie es wieder getan. Wie jedes Jahr hat die Dachauer Bund-Naturschutz-Gruppe östlich des Gewerbegebiets Dachau-Ost Linden gepflanzt. Dort, wo einmal die Ostumfahrung verlaufen soll. "Und wenn das Projekt irgendwann begraben ist, freuen wir uns an einer Allee", sagt Roderich Tauscher, der Vorsitzende der Bund-Naturschutz-Kreisgruppe über die Aktion. Ob das Projekt wirklich begraben wird oder die Mühlen nur sehr langsam mahlen, weiß niemand. Grund genug, einmal nachzufragen, wie der Stand der Dinge ist. Denn die positiven Beschlüsse in Kreistag und Dachauer Stadtrat wurden vor Jahren gefasst, und das Genehmigungsverfahren läuft.

Als Idee gibt es die Ostumgehung seit mehr als 30 Jahren. Sie soll am Dachauer Ortseingang von der Schleißheimer Straße abzweigen, am Gewerbegebiet entlang nach Norden führen und in der Nähe des Klärwerks auf die Alte Römerstraße einschleifen. In einem zweiten Schritt wird die ebenfalls geplante Hebertshausener Südumfahrung angebunden. Derzeit stehen für die 3,6 Kilometer lange Ostumgehung Kosten von 9,7 Millionen Euro im Raum, die Kalkulation stammt allerdings aus 2009.

Das Planfeststellungsverfahren für die Ostumgehung läuft seit 2014

Eine erste Verkehrsuntersuchung gab es Anfang der 1990er Jahre. 2005 schloss die Regierung von Oberbayern ein Raumordnungsverfahren mit zwei Varianten für die Ostumfahrung positiv ab, das folgende Planfeststellungsverfahren läuft seit 2014. Von Anfang an war die Umgehung umstritten. Denn die verkehrliche Entlastung für Dachau ist gering, der Stau würde sich vor allem verlagern, und die Ostumfahrung würde großen ökologischen Schaden anrichten, teils sogar im europäischen Naturschutzgebiet "Gräben und Niedermoorreste im Dachauer Moos".

Der Saubach bei Obergrashof und die dort lebenden Helm-Azurjungfer würden durch die Dachauer Ostumgehung beeinträchtigt. (Foto: Toni Heigl)

Treibende Kraft bei der Ost- und der Nordumfahrung, die sich im Norden Dachaus einmal an die Ostumfahrung anschließen soll, ist der Landkreis. Auf Nachfrage betont Landrat Stefan Löwl (CSU), die Nord-Ost-Umfahrung sei elementarer Bestandteil des landkreisweiten Gesamtverkehrsplans. Zwar habe sie keine überregionale verkehrliche Wirkung erzielt, doch schaffe sie deutliche Entlastungen im Norden und Osten Dachaus und sei Grundlage für verkehrliche Regelungen, etwa ein LKW-Durchfahrverbot. Außerdem sei die Umfahrung wichtig für andere Infrastrukturprojekte, wie die Südumfahrung von Hebertshausen, die Erweiterung des Gewerbegebiets Dachau-Ost und die Mobilitätsdrehscheibe Breitenau. Hier soll ein regional bedeutsamer Umsteigeplatz von Auto oder Rad auf Busse und, reaktivierten S-Bahn-Halt vorausgesetzt, auf die Bahn entstehen.

Derzeit liegt alles beim Staatlichen Bauamt

Für Bau und Planung ist das Staatliche Bauamt zuständig, weil die Umgehungsstraße die neue St 2063 werden soll. Die alte Staatsstraße 2063 verläuft derzeit als Alte Römerstraße in Dachau. Auf Nachfrage heißt es aus dem Straßenbauamt, vergangenes Jahr habe ein Fachbüro das Planungsgebiet naturschutzfachlich untersucht. Derzeit bearbeite man die Einwendungen und Stellungnahmen aus dem Planfeststellungsverfahren. Ob es Planänderungen gibt, kann man noch nicht sagen.

Ein Kuriosum der Ostumgehung ist, dass die Stadt Dachau die Straße gar nicht unbedingt möchte. Es gibt zwar einen positiven Grundsatzbeschluss aus früheren Jahren. Aber auch Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) sagt im Gespräch mit der SZ Dachau, "die verkehrliche Entlastung ist für das Stadtzentrum nicht nennenswert", das hätten mehrere Verkehrsgutachten ergeben. Für Hartmann ist die Reihenfolge der Straßenprojekte verkehrt: Eigentlich müsste erst die Autobahn A 92 verbreitert werden, dann die B 471 von der Anschlussstelle A 92 bis Dachau vierspurig, "erst dann bringen die Umfahrungen von Dachau etwas".

Die ökologischen Schäden wären massiv

Peter Heller, der Vorsitzende der Dachauer Bund-Naturschutz-Gruppe und gleichzeitig Kreisrat des Bündnisses für Dachau, hält das ganze Konzept der Ost- und Nordumfahrung für kontraproduktiv. Die Mobilitätsdrehscheibe Breitenau etwa, wo die Pendler von ihren Autos auf die S-Bahn umsteigen sollen: "Warum", so Heller, "sie nicht gleich in ihren Wohnorten in den S-Bahnhöfen einsteigen sollen, das ist das Geheimnis unseres Landrats."

Heller jedenfalls hält die Ostumgehung für "ökologisch verheerend". Am Saubach, den die Umgehungsstraße mit einer Brücke überspannen soll, gibt es ein europaweit bedeutsames Vorkommen der vom Aussterben bedrohten Libellenart Helm-Azurjungfer. Hier sei die Gefahr einer Verschattung groß, so Heller. Wandern kann die Libelle nicht, sie sei auf den auch im Winter eisfreien Saubach angewiesen.

Egal, wie lange die Liste der Gegenargumente für Ost- und Nordumfahrung ist, egal, wie lange geplant wird, es scheint weiterzugehen. Derzeit werden laut Landrat Löwl die Planunterlagen erstellt, die nötig sind, um das Planfeststellungsverfahren für die Nordumfahrung einzuleiten.

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