Dachau/München:Rappervideo inspiriert zum Raubüberfall

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21-jähriger Dachauer erbeutet in einer Tankstelle Bargeld und Zigaretten und bedroht den Angestellten mit einer täuschend echten Spielzeugpistole. Vor Gericht sagt er: "Ich habe alles so gemacht wie in dem Musikclip"

Von Christiane Bracht, Dachau/München

Einmal im Leben Gangsterrapper sein. Einem 21-jährigen Dachauer schien dies eine wunderbare Vision zu sein. Sein Kopf war schon mächtig vernebelt vom vielen Kiffen, als er sich Mitte Dezember vergangenen Jahres des nächtens auf den Weg machte, seine Idee zu realisieren. "Ich habe alles so gemacht wie in dem Musikvideo", erklärte der Angeklagte am Dienstag vor dem Landgericht München II. Der "Lebensstil" habe ihm so gut gefallen. Seit zehn Monaten sitzt der 21-Jährige nun schon wegen schweren Raubs im Gefängnis.

"Ich hab mir was eingebildet", gesteht er. "Es tut mir wirklich leid, aber es ist passiert." In der Tatnacht war er zunächst zu Hause, bastelte Joints, hörte Musik, sah sich Rappervideos an und rauchte einen nach dem anderen. "Eins hat mich besonders berührt." Alles sollte so sein, wie in dem Video. Er nahm die Spielzeugpistole seines Bruders mit, setzte eine rote Maske auf, die er sonst zum Go-Cart-Fahren benutzte, und lief zur nächsten Tankstelle an der Stresemannstraße in Dachau. "Ich wollte erst wieder umdrehen, aber dann haben mich Menschen gesehen, vor allem der Angestellte, und es war zu spät. Ich musste es zu Ende bringen", erklärte der Angeklagte.

Er lief in den Kassenraum, streckte dem Angestellten, einem 20-jährigen Schwabhausener, die bronzene Softairpistole entgegen und befahl ihm das Geld aus der Kasse in die Tüte zu stecken, die er auf die Theke legte. Auch Zigaretten sollte der Schwabhausener dort hinein tun. Dieser war geschockt. "Ich konnte erst mal gar nix machen", sagte er im Zeugenstand. Dem Täter jedenfalls war der Angestellte deutlich zu langsam. Er kam um den Tresen herum und griff selbst in die Kasse und packte die Scheine in die Tüte. Anschließend drehte er sich um und räumte zahlreiche Zigarettenschachteln aus dem Regal hinter ihm ebenfalls in die Tüte. Neben der Beute steckte der 21-Jährige auch das Handy des Schwabhauseners ein, das auf der Theke lag. Bevor er sich endgültig aus dem Staub machte, packte er den Angestellten noch einmal an der Schulter und schubste ihn kraftvoll gegen das Alkoholregal, so heftig, dass ein paar Flaschen herausfielen. Der 20-Jährige klagte später über heftige Schmerzen am Rücken und ein großes Hämatom.

Die Vermummung half dem Täter nichts: Der Tankstellenangestellte erkannte ihn an der Stimme. Der 21-Jährige hatte schon früher mehrmals an der Tankstelle eingekauft. Und so stand die Polizei wenige Stunden später beim Angeklagten in der Wohnung und holte ihn aus dem Bett. Außerdem fand sie neun Schachteln Mentholzigaretten aus dem Raubüberfall und die Pistole. "Sie war nicht geladen", beteuerte der Dachauer. "Sie ist kaputt." Doch für das Opfer wirkte sie täuschend echt.

Nach der Tat sei er zunächst durch einen kleinen Park in Dachau Ost geirrt, berichtete der Angeklagte. "Ich wollte plötzlich nichts mehr aus dem Raub bei mir haben. Ich wollte nur noch schlafen." Das Geld - insgesamt hatte er 536,77 Euro erbeutet - habe er einem Bekannten im Park weitergegeben und die meisten Zigarettenschachteln, insgesamt sollen es 133 gewesen sein, verschenkte er dort. Die Beute soll laut Anklage einen Gesamtwert von 1627,10 Euro gehabt haben.

Aus finanziellen Erwägungen habe er den Raubüberfall nicht begangen, versicherte der 21-Jährige mehrfach. Er habe noch genug Erspartes gehabt aus seiner früheren Arbeit. Außerdem habe ihm seine Mutter auch immer mal wieder was zugesteckt. "Er wollte sich mal stark fühlen", fasste sein Verteidiger das Motiv des Angeklagten zusammen.

Das Opfer indes ist noch immer in Therapie. "Der Überfall war um 21.42 Uhr", erklärte er der Richterin. Die Uhrzeit habe sich in sein Hirn eingebrannt, aber sonst wisse er nicht mehr so viel, erklärte der Tankstellenangestellte. Doch man hat das Gefühl, es ist eher ein Ich-will-mich-lieber-nicht-mehr-erinnern. Zwei Monate litt er unter Schlafstörungen, Depressionen und Angstzuständen. "Jetzt geht's mir wieder gut", sagt der 20-Jährige.

Ein Täter-Opfer-Ausgleich habe ihm geholfen. 800 Euro zahlte der Angeklagte ihm, ebenso dem Pächter der Tankstelle. 400 Euro muss er letzterem laut Vereinbarung noch überweisen. Auch bei Condrobs hat der 21-Jährige schon einige Beratungsgespräche gehabt. Dass ihm das Kiffen nicht gut tut, hat der Dachauer nun begriffen. Vor der Tat hatte er fünf Joints geraucht und danach offenbar noch mal so viele, um schlafen zu können. Auch bei seinen früheren Straftaten - er hat sieben Vorahndungen - spielen Betäubungsmittel immer wieder eine große Rolle - ebenso wie Gewalt. An diesem Mittwoch wird weiterverhandelt.

© SZ vom 11.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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