MD-Gelände:Angst vor dem Verkehrskollaps

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Auf dem MD-Gelände am Fuße der Dachauer Altstadt soll einmal ein neues Wohnquartier entstehen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Bei einer Erörterungsveranstaltung informiert die Stadt über den aktuellen Planungsstand des neuen Quartiers auf dem MD-Gelände. Den anwesenden Anwohnerinnen und Anwohnern bereitet vor allem das Mehr an Autos Sorgen.

Von Jacqueline Lang, Dachau

15 Jahre ist es jetzt her, da haben die Planungen für die Neugestaltung des MD-Geländes begonnen. Und freilich ist in dieser langen Zeit so einiges passiert, wurden Pläne erstellt und wieder über den Haufen geworfen, neue Ideen entwickelt und an die sich verändernden Gegebenheiten angepasst. Von der einstigen Papierfabrik stehen längst nur noch ein paar wenige denkmalgeschützte Gebäudeteile. Von Stillstand kann keine Rede sein.

Bei einer Erörterungsveranstaltung am Dienstagabend im gut besuchten Erchana-Saal des Ludwig-Thoma-Hauses wird jedoch klar: Es sind noch viele Schritte zu gehen, bis für das "urbane Quartier", das sich die Besitzerin, die Isaria München Projektentwicklungs GmbH erträumt, tatsächlich die ersten Bauarbeiter anrücken, geschweige denn die ersten Bewohner einziehen können. Vor allem aber wird deutlich: Bis nicht sicher ist, dass das Mammutprojekt im Herzen Dachaus keinen Verkehrskollaps nach sich ziehen wird, werden die Anwohnenden das Vorhaben weiter in Zweifel ziehen. Da hilft auch das gute Zureden von Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) nichts.

Stadtbaumeister Moritz Reinhold und Projektleiter Dietmar Sagmeister tun in den knapp zweieinhalb Stunden trotz dieser schwierigen Ausgangslage gleichwohl ihr Bestes, den Anwesenden das Gefühl zu geben, dass deren Sorgen und Ängste ernst genommen werden. Denn genau darum geht es ja bei der öffentlichen Beteiligung, die das derzeit laufende Bauleitverfahren vorsieht: Erst wenn alle Zweifel ausgeräumt sind, kann der Flächennutzungsplan geändert und ein Bebauungsplan auf den Weg gebracht werden. Und erst dann kann das Mühlbachviertel, das - glaubt man den Verantwortlichen - die perfekte Mischung aus Wohnen und Gewerbe, aus Grünflächen und Kulturstätten werden soll, tatsächlich Gestalt annehmen.

So könnte das MD-Gelände einmal aussehen. Bis es soweit ist, wird es aber noch dauern. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Der Erchana-Saal des Ludwig-Thoma-Hauses ist gut besucht. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Auf dem Bild, das Projektleiter Dietmar Sagmeister zeigt, sieht man, wie das MD-Gelände vor dem Abriss der Papierfabrik ausgehen hat. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Doch auch wenn allen klar sein dürfte, dass Zukunftsprognosen zum jetzigen Zeitpunkt noch schwierig sind, ist doch verständlich, dass die Frage nach einem Zeitplan die allermeisten Anwesenden umtreibt. Weder Reinhold noch Hartmann lassen sich aber an diesem Abend zu Prognosen hinreißen. Gerade in der aktuellen Zeit sei es "absolut unseriös", einen Zeitplan aufzustellen, so der OB.

Die Angst im Verkehr zu ersticken ist, vor allem bei den Anwohnern der Ostenstraße groß

Das betrifft vor allem die zweite große Frage, die alle Anwesenden beschäftigt: Wann kommen die "Bahnrandstraße", so nennen die Planer die Straße entlang der Gleise, auf welche die Staatsstraße einmal umgeleitet werden soll, und die Unterführung an der Freisinger Straße, die daran anschließen soll? Bereits bei einem Infoabend des Bündnis für Dachau, der den Titel "15 Jahre Verkehrschaos in Ostenstraße" trug, äußerte der ehemalige Stadtrat Bernhard Sturm vor gut einer Woche die Sorge, die Unterführung könnte "erheblich später oder gar nicht gebaut" werden. Eine Sorge, die auch an diesem Abend im Ludwig-Thoma-Haus mehrmals durchdringt, von weiteren 15 Jahren ist auch hier die Rede.

Hartmann vermag indes nur so viel zu sagen: Wenn die Bauarbeiten an der Unterführung einmal begonnen haben, wird es bis zur Fertigstellung mehrere Jahre dauern - so lange, wie von den Kritikern befürchtet aber sicherlich nicht. In das Planfeststellungsverfahren, das man selbst nicht gänzlich in der Hand habe, wolle man nächstes Jahr einsteigen, ergänzt Reinhold. Das wiederum wirft bei einer Frau im Publikum die Frage auf, was denn passiert, wenn das Planfeststellungsverfahren scheitert - die Bahn sei ja nicht unbedingt als verlässlicher Partner bekannt.

Reinhold versichert daraufhin, dass es zwar rechtliche Rahmenbedingungen gebe, an die man sich halten müsse, dass aber alle Beteiligten - die Stadt, die Bahn, die Regierung von Oberbayern - ein Interesse an der Unterführung hätten und das Projekt auch vorantreiben würden. Hartmann erklärt, dass man sich bewusst gegen eine Vollsperrung entschieden habe, um genau das zu vermeiden, wovor sich so viele Anwohner fürchten: dass der gesamte Verkehr auf die Ostenstraße ausweicht. Mit einer Behelfsumfahrung dauere der Bau der Unterführung zwar länger und koste mehr, sei aber aus Sicht der Planer verkehrstechnisch besser verträglich.

"Wir tun viel dafür, dass der Verkehr besser geleitet wird."

Zum Thema Mehrverkehr sagt Markus Hoffleisch vom Tiefbauamt dann noch, dass mit bis zu 10 000 Autos mehr gerechnet werde, "5000 rein, 5000 raus". Allerdings dürfe man nicht vergessen, dass perspektivisch der Bahnübergang wegfalle, der jetzt noch so häufig Stau verursache. "Wir tun viel dafür, dass der Verkehr besser geleitet wird", versichert auch Reinhold. Ob das jene beruhigt, die in Etzenhausen oder jenseits der Bahngleise wohnen und die sich bei der Planung wenig bis gar nicht berücksichtigt fühlen, bleibt offen.

Ein Mann, der sich als Mitglied des ADFC zu erkennen gibt, interessiert indes weniger der motorisierte Verkehr, als vielmehr der Radverkehr und die dafür vorgesehenen Wege. Reinhold versichert daraufhin, dass das Quartier an der Oberfläche "weitgehend autofrei" geplant und das Gelände von Fuß- und Radwegen durchzogen sei, wenn auch, anders als vom ADFC gefordert, nicht immer getrennt von einander. "Gegenseitige Rücksichtnahme" laute hier das Stichwort. Auch um das Quartier herum, würden die Radwege sukzessive ausgebaut. Reinhold bittet aber auch um Verständnis, dass sich das alles nicht vom einen auf den anderen Tag umsetzen lässt. Ein Radparkhaus, wie es am Bahnhof steht, sei nicht vorgesehen, allerdings werde es überdachte Radstellplätze geben, sowie eine "Mobilitätszentrale inklusive Carsharing". Er verweist schließlich noch auf eine Mobilitätssatzung hin, welche die Stadt demnächst erlassen möchte, um das Thema Verkehr in ganz Dachau in Zukunft gesamtheitlicher regeln zu können.

Laut den Planern ist mit 40 Prozent fast die Hälfte des Areals begrünt - daran gibt es Zweifel

Verkehr in all seinen Aspekten, das ist, so viel ist zu diesem Zeitpunkt längst klar, das zentrale Thema des Abends. Peter Heller vom Bund Naturschutz bringt aber doch zumindest kurz das Thema nachhaltige Stadtplanung auf die Tagesordnung: So zweifelt er an, dass mit rund 40 Prozent fast die Hälfte der Fläche begrünt ist. Vielmehr ist er der Meinung, dass das Areal mit 75 Prozent ein hochversiegeltes Gebiet werden wird - sollte an den derzeitigen Plänen festgehalten werden. Weiter plädiert er dafür, bei der Bepflanzung auf großstämmige Bäume zu setzen, die für den Klimawandel gewappnet seien. Dass man die Themen Überhitzung und Luftzirkulation im Blick habe, begrüße er.

Nur stellt sich ihm noch die Frage: Haben die Planer daran gedacht, eine sogenannte "Schwammstadt" zu errichten? Darunter versteht man in der Städteplanung ein Konzept, bei dem anfallendes Regenwasser lokal gespeichert wird, statt es abzuleiten. Reinhold versichert, dass man an Rückhaltefunktionen gedacht und statt der zunächst geplanten Schrägdächer nun mit Flachdächern plane. Nur bei einem "100-jährigen Hochwasserfall" müsste dann wohl noch Regenwasser in den Mühlbach eingespeist werden.

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