Dachau:Wenn S-Bahnfahren zum Roulettespiel wird

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Die Taktverstärker der S 2 fallen regelmäßig aus, die Bahn erklärt die Probleme mit vereisten Zügen.

Für die Fahrgäste der S 2 von Dachau nach München ist diese Nachricht fast zur Routine geworden: "Aus betrieblichen Gründen fallen folgende S-Bahnen des Zehn-Minuten-Takts aus". So lauten seit Wochen die Informationen des Streckenagenten, ein Service der Bahn, der über Verspätungen und Ausfälle der S-Bahn im Großraum München informiert. Von den Ausfällen sind vor allem die Taktverstärker betroffen, die zu Stoßzeiten die S-Bahn-Linien entlasten sollen. Die Deutsche Bahn erklärt die Probleme mit den frostigen Temperaturen in den vergangenen Wochen. Wenn der Boden der Waggons vereist ist, dauert ihre Wartung länger. Für den Zehn-Minuten-Takt sind dann nicht mehr genügend Züge vorhanden, die Taktverstärker fallen somit aus.

Dabei ist der Zehn-Minuten-Takt kein Zusatzangebot der Bahn, sondern Teil des regulären Fahrplans. Statt im 20-MinutenTakt sollen die Züge während des Berufsverkehrs eigentlich alle 10 Minuten im Dachauer Bahnhof einrollen. Doch der Fahrplan wird schon seit Wochen mit großer Regelmäßigkeit nicht mehr eingehalten. Viele Fahrgäste haben den Eindruck, dass die Probleme mit dem Zehn-Minuten-Takt schon vor der langen Frostperiode begannen. Zudem sind die Informationen häufig unzureichend: Zwar informiert der Streckenagent die Fahrgäste über die ständigen Ausfälle - was manchmal erst zehn Minuten vorher geschieht -, doch die Fahrten werden in Planungstools wie dem DB-Navigator als reguläre Fahrten angezeigt. Die meisten Dachauer rechnen inzwischen mit diesen Ausfällen und können sie so einigermaßen einplanen. Problematischer ist es jedoch für Auswärtige, die nicht wissen können, dass der Zehn-Minuten-Takt einem Glücksspiel gleichkommt. Mal fährt die Bahn, mal fährt sie nicht. Wer dann aufgrund eines unerwarteten "betriebsbedingten Ausfalls" seinen Anschlusszug am Münchner Hauptbahnhof verpasst, lässt in der Regel wenig Nachsicht walten.

"Der Freistaat lässt die Bahn machen, was sie will."

Die Deutsche Bahn erklärte die Ausfälle im vergangenen Monat mit den Witterungsverhältnissen. Bei zweistelligen Minusgraden bekomme man Probleme bei der Wartung der Züge, sagt Bahnsprecher Franz Lindemair. Die S-Bahnen müssten alle paar Tage gewartet werden. Die Böden der Waggons seien aber wegen der frostigen Temperaturen vereist. Deswegen müssten die Techniker immer erst warten, bis das Eis geschmolzen ist. Das kostet natürlich viel Zeit, die nicht einkalkuliert ist. Mit anderen Worten: Wenn viele Waggons in der Werkstatt erst aufgetaut werden müssen, bevor die Techniker sie warten können, bleiben sie länger in der Werkstatt stehen. Die Folge: Vorübergehend sind zu wenig Züge da, um alle Linien fahrplanmäßig bedienen zu können. Dass der Bahn auch bei gutem Wetter zu wenig S-Bahn-Züge zur Verfügung stehen, konnte Lindemair nicht bestätigen.

Andreas Barth vom Fahrgastverband Pro Bahn hat Verständnis dafür, wenn bei minus 15 Grad Celsius der ein oder andere Zug ausfällt. Dass aber besonders die Züge des Zehn-Minuten-Takts auch völlig wetterunabhängig häufig ausfallen, geht ihm gegen den Strich. "Im vergangenen Jahr hatten wir mehr Tage mit Störungen im Nahverkehr als ohne", klagt der Nahverkehrsexperte. Für den gemeinnützigen Verbraucherschutzverband liegt der Fehler vor allem beim Freistaat Bayern: "Der Freistaat lässt die Bahn machen, was sie will. Dabei hat die Politik ganz klar den Zehn-Minuten-Takt bestellt. Die Bahn muss ihn jetzt auch liefern." Für die Empörung vieler Fahrgäste hat Barth Verständnis. Besonders, weil auch die Dachauer lange Zeit Unannehmlichkeiten durch Bauarbeiten auf der Strecke hinnehmen mussten. Um so ärgerlicher sei es, dass die S-Bahn gefühlt nur jedes zweite Mal im Zehn-Minuten-Takt fährt.

© SZ vom 03.02.2017 / vgr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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