Kindertheater:Multimediales Märchen-Spektakel mit Live Musik

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Puppenspielerin Annika Pilstl zieht mit ihrer Bühnenpräsenz kleine und erwachsene Zuschauer gleichermaßen in ihren Bann. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Märchenerzählerin Annika Pilstl und das Dachauer Jugendsymphonieorchester begeistern das lokale Publikum mit ihrem Beitrag für die oberbayerischen Kindertheatertage: dem Märchen "Vom Fischer und seiner Frau".

Von Dorothea Friedrich, Dachau

"Lampenfieber" ist der Titel der Kindertheatertage in Oberbayern. Doch für das Jugendsinfonieorchester Dachau scheint am Samstagnachmittag im Ludwig-Thoma-Haus Lampenfieber ein Fremdwort zu sein. Obwohl die Musikerinnen und Musiker, von denen die jüngste gerade mal elf Jahre alt ist, Mitwirkende einer echten Premiere sind: Zum ersten Mal spielen sie die Begleitmusik zu einem Puppentheaterstück.

Das Theaterensemble "Die Exen" hat das altbekannte Märchen "Vom Fischer und seiner Frau" aus der Sammlung der Brüder Grimm für die Kindertheatertage adaptiert und daraus ein hinreißendes, spannendes und nachdenklich stimmendes multimediales Spektakel mit Puppen, Videosequenzen und eben Live-Musik bei der Uraufführung in Passau gemacht. Nun sind sie zu Gast in Dachau.

Das Dachauer Jugendsinfonieorchester sorgt für musikalische Untermalung, auf der Bühne im Hintergrund agiert Puppenspielerin Annika Pilstl. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Der unermüdliche Frank Striegler, über Jahrzehnte Hauptakteur der Kleinkunstbühne Leierkasten, wollte eines unbedingt: "Was sie in Passau mit einem Blockflötenorchester können, musste auch in Dachau gehen", sagte er der SZ. Und es ging, denn die ebenso unermüdliche Gudrun Huber arrangierte die Musik für ihr Jugendsinfonieorchester, die Musiker probten intensiv und zeigten am Samstag, wie begeisternd das Zusammenspiel von künftigen Meisterinnen der Töne und einer wunderbaren Märchenerzählerin sein kann.

In den ersten Reihen - ansonsten für die Prominenz reserviert, jetzt aber fest in Kinderhand - wird es mucksmäuschenstill, als die Musik einsetzt und Puppenspielerin Annika Pilstl die Bühne betritt. Mit vollem Körpereinsatz, zwei gar nicht mal so großen Puppen, ein paar Requisiten und einer unglaublich wandelbaren Stimme - vom brummeligen Bass des Fischers bis zum gierigen Gekeife von dessen Frau Ilsebill oder dem leicht gelangweilten Gegrummel des Butts - strahlt sie eine riesige Bühnenpräsenz aus - und zieht kleine und erwachsene Zuschauer gleichermaßen in ihren Bann.

"Vom Fischer und seiner Frau"

Für alle, denen das ursprünglich plattdeutsche Märchen, diese Parabel von grenzenloser Gier und opportunistischer Gefallsucht, nicht mehr erinnerlich ist, hier die Kurzfassung: Ein armer Fischer lebt mit seiner Frau in einem winzigen Pott, einer schmutzigen, elenden Hütte. Eines Tages fängt er einen Butt. Der kann zur Überraschung des Fischers sprechen und gibt sich als "verwünschter Prinz" aus. Ilsebill, des Fischers Frau, treibt ihren Mann zurück zum Butt, den der Fischer mit den unsterblichen Worten "Manntje, Manntje, Timpe Te, Buttje, Buttje inne See, myne Fru de Ilsebill will nich so, as ik wol will" ruft. Der Raffzahn Ilsebill will zunächst ein Haus, dann eine Villa, dann ein Schloss, will König, Kaiser, Papst (gegendert wurde zu Grimms Zeiten noch nicht) und schließlich "wie der liebe Gott" werden. Ihr Mann ist eigentlich zufrieden, mit dem was er hat. Doch gegen die Bissgurkn von Ehefrau kommt er nicht an, will er vielleicht auch nicht wirklich.

Der Weg wird immer mühsamer

Sein Weg zum Butt wird immer mühsamer. Die anfangs so friedliche, blau-grüne See wird bei jeder Suche nach dem verwünschten Prinzen rauer und wilder, verwandelt sich in ein todbringendes, schwarzes Meeresungeheuer. Furchteinflößend könnten diese Videosequenzen von Hans-Joachim Blach sein. Wäre da nicht die Musik mit ihren amerikanischen und englischen Traditionals, mit königlichen Tönen des Barockkomponisten Jean-Baptiste Lully, mit einem Kyrie des Renaissance-Stars Giovanni Gabrieli oder einem frechen Chanson aus den 1920-er Jahren von Erik Satie. Eine echte musikalische Zeitreise und eine Herausforderung für das Jugendsinfonieorchester, die alle Mitwirkenden trotz nur zweier gemeinsamer Proben souverän meisterten und die das begeisterte Publikum mit viel Applaus belohnte.

Und der Butt? Erfüllt mit geradezu royalem Ennui und dem immer gleichen Spruch "Geh nur hin, sie hat es schon", Ilsebills maßlose Begierden - bis es selbst ihm zu bunt wird. Schluss ist mit der Zauberei. Das Fischerspaar landet wieder im Pott. Der Butt taucht ab - und macht sich vielleicht besorgte Gedanken, welche Auswirkungen auf die Kreativität von Kindern die jüngste Entscheidung der bayerischen Kultusministeriellen hat, in der Grundschule "die Künste als verzichtbare Nebensache zu erklären", wie es vor einigen Tagen in einem offenen Brief von 28 teils weltberühmten Kulturschaffenden gegen dieses Vorhaben hieß.

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