Dachau:Immer mehr Kinder leben in Heimen

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Die Sozialraumanalyse des Landkreises Dachau zeigt, wie es um Kinder und Jugendliche im Landkreis Dachau steht. Noch geht es ihnen offenbar vergleichsweise gut. Trotzdem gibt es auch hier Probleme

Von Jacqueline Lang, Dachau

Seit mittlerweile 14 Jahren gibt der Landkreis Dachau eine Sozialraumanalyse in Auftrag. Sie wird zusammen mit dem Institut für Sozialplanung, Jugend- und Altenhilfe, Gesundheitsforschung und Statistik erarbeitet und soll den Verantwortlichen des Jugendamts dabei helfen, die Lebensbedingungen von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien zu verstehen, um ihnen besser helfen zu können. Wichtig sei es hierfür, "Entwicklungen und Veränderungen, hervorgerufen durch einen stetigen sozialen, ökonomischen und demografischen Wandel", erkennen und bewerten zu können, wie es Landrat Stefan Löwl (CSU) in seinem Vorwort der vierten Ausgabe der Analyse formuliert. Sie nimmt die Jahre 2017 bis 2019 in den Blick. Einen kleinen Makel hat die Analyse jedoch, das nimmt Britta Neumann, zuständig für Kommunale Jugendarbeit, bei der Präsentation in der jüngsten Kreisausschusssitzung gleich vorweg: Die Folgen der Coronakrise für junge Menschen im Landkreis Dachau sind nicht erfasst.

Dass die Pandemie Kinder und ihre Familien hart getroffen hat und wohl auch im kommenden Jahr noch beschäftigen wird, das dürfte jedoch feststehen. Die aktuelle Sozialraumanalyse zieht noch eine recht positive Bilanz für den Landkreis Dachau: Mit 78 liegt der Gesamtindex deutlich unter dem bayerischen Vergleichswert, der immer bei 100 angesetzt wird. Dasselbe gilt, wenn man sich jeweils einzeln den Jugendsozialindex (84,1), der Aspekte wie Jugendkriminalität und erzieherische Hilfen berücksichtigt, und den sozialräumlichen Index (68,8), der Arbeitslosigkeit und die Wohnungssituation erfasst. "Eltern wurden entlastet, dass macht sich bemerkbar", so Neumann.

Das klassische "Stadt-Land-Gefälle" lässt sich gleichwohl auch für den Landkreis feststellen; die Werte variieren hier zum Teil stark. Zudem geht aus den Ergebnissen hervor, dass viele Minderjährige nur von einem Elternteil großgezogen werden. Zudem leben immer mehr Kinder in Heimen oder sind teilstationär untergebracht. Auch die Zahl der Schulbegleiter sei stark gestiegen. "Eine kontinuierliche Herausforderung auf Ebene der einzelnen Gemeinden stellt die Integration von Menschen mit Flüchtlings- oder Migrationshintergrund dar", heißt es in dem Bericht weiter. Zwar seien die Zahlen aktuell weiter rückläufig, doch erfolgversprechende Integrationsbemühungen stellten eine langfristige Aufgabe dar und bedeuteten damit eine Herausforderung auch auf kommunaler Ebene.

Neumann wies auch auf die Entwicklung im Schulsystem hin: Viele Jahre sei die Zahl der Grundschüler rückläufig gewesen, doch in den vergangenen Jahren ist sie laut Analyse leicht angestiegen. Ein Trend der sich wohl weiter fortsetzen wird. Der Grund ist leicht gefunden: So sind die Geburten von 1146 im Jahr 2009 auf zuletzt 1614 im Jahr 2019 gestiegen. Die Zahl der Mittelschüler ist in den vergangen Jahren indes gesunken, was auch mit steigenden Übertrittsquoten in Realschulen und Gymnasien zu tun hat.

Überrascht zeigte sich in diesem Zusammenhang Landrat Löwl davon, dass offenbar dort, wo viele Kinder eine Mittelschule besuchen, weniger sozialer Probleme zu verzeichnen seien - entgegen dem, was gemeinhin angenommen werde. "Da wo jeder aufs Gymnasium geprügelt wird, haben wir auch mehr Probleme", so Löwls Schlussfolgerung. Kreisrat Ludwig Gasteiger (Grüne) merkte an, dass an Mittelschulen leider sehr wohl auch eine "Verdichtung sozialer Probleme" festzustellen sei, allerdings seien die Klassen an Mittelschulen meist kleiner, der Umgang familiärer. Kreisrätin Slyvia Neumeier (SPD) ergänzte, dass es kaum mehr eine Mittelschule im Landkreis gebe, an der kein Jugendsozialarbeiter tätig sei.

"Wie sich die Pandemie auswirken wird, lässt sich noch nicht sagen", erklärte Neumann. Ebenso wie die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise würden sich auch die Auswirkungen für die Dachauer Jugend wohl erst im Laufe des kommenden Jahres abzeichnen. Die Jugendhilfe plant jedoch, ein Frühwarnsystem zu implementieren, um Kinderarmut früh erkennen und möglicherweise sogar verhindern zu können.

Fachgespräche mit sozialen Trägern und anderen Akteuren sind für Mitte März angesetzt. Dann, so hofft man es jedenfalls, ist die Lage vielleicht ein wenig entspannter. Bis dahin lässt sich möglicherweise auch schon mehr über die Auswirkungen der Krise für junge Landkreisbewohner sagen.

© SZ vom 04.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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