Pflegekräftemangel in Dachau:Kreisräte üben scharfe Kritik an Personalpolitik des Klinikums

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Die Notaufnahme und die Intensivstation des Dachauer Klinikums sind zeitweise komplett ausgelastet. Dann müssen Rettungswagen ein anderes Krankenhaus anfahren. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Der Geschäftsführer des Dachauer Helios Amper-Klinikums, Florian Aschbrenner, will im Kreistag mit guten Geschäftszahlen glänzen. Doch die Kreisräte sorgen sich mehr um die nach wie vor ungelösten Probleme in der Pflege und die Folgen für die Patienten.

Von Anna Schwarz, Dachau

Der Geschäftsführer des Helios Amper-Klinikums in Dachau, Florian Aschbrenner, musste sich am Freitagvormittag im Kreistag einiges anhören. Kreisrätinnen und Kreisräte übten heftige Kritik an der Personalsituation im Krankenhaus: Es gebe zu wenige Pflegekräfte, seit Kurzem müssten sie sich auch noch um die Essensausgabe kümmern, die Notaufnahme und die Intensivstation nehme zeitweise keine Patienten auf, Klinikmitarbeiter würden massiv unter Druck gesetzt.

Zunächst zeigte Aschbrenner in einer Präsentation, was sich alles im Dachauer Klinikum getan habe: Er sprach davon, dass Hochrechnungen zufolge in diesem Jahr dort zwölf Prozent mehr Patienten behandelt wurden als im Vorjahr. Zudem wurden im Laufe des Jahres etwa 28 Pflegevollzeitkräfte eingestellt. Um Personal zu gewinnen, rekrutiere man auch Fachkräfte aus dem Ausland und führe Bewerbertrainings durch. Der Konzern rechne mit einem operativen Gewinn von 9,1 Millionen Euro, "ein sehr starkes Ergebnis", so Aschbrenner. Auch die Belastung der Pflegekräfte habe abgenommen, weil sie nicht mehr so viele Patienten betreuen müssten. Für diese Aussage bekam er später noch viel Gegenwind.

"Wir wollen eine durchgängige Erreichbarkeit der Notaufnahme"

Aschbrenner übte auch Selbstkritik: "Unsere Abmeldungen sind immer noch zu hoch." Konkret geht es um die Notaufnahme und die Intensivstation des Dachauer Klinikums, die zeitweise komplett ausgelastet sind und deshalb bei der Rettungsleitstelle für die Notfallversorgung abgemeldet werden. Die Rettungswagen müssen dann ein anderes Krankenhaus anfahren. Wie oft das in der Woche oder im Monat passiert, konnte Helios-Sprecher Martin Pechatscheck auf SZ-Anfrage nicht beantworten. Aschbrenner versicherte, dass er an diesem Problem arbeiten und die Abmeldungen weiter deutlich reduzieren möchte. Er betonte: "Wir wollen eine durchgängige Erreichbarkeit der Notaufnahme." Außerdem plane Helios ein neues Personalwohnheim mit rund 70 Wohnungen, das bei der künftigen Personal-Akquise helfen soll.

CSU-Fraktionssprecherin Stephanie Burgmaier sagte, sie sei hoffnungsvoll, dass die beiden Helios-Standorte Markt Indersdorf und Dachau in Zukunft erhalten bleiben. Ihre Partei wolle "ein konstruktives und wenn nötig auch ein kritisches Auge" auf die Entwicklungen bei Helios werfen. Kreisrat Peter Heller (Bündnis für Dachau) sah den Vortrag kritischer und sagte: "Im Moment kann es nicht sein, dass im Bereich Pflege alles glattläuft."

"Catering nimmt Pflegezeit!"

Er sprach die Berichterstattung in der SZ an, die aufdeckte, dass 47 Mitarbeitende des Krankenhaus-Service, die bei der Helios Catering Süd GmbH beschäftigt waren, eine betriebsbedingte Kündigung erhalten haben. Sie übernahmen das Catering für die Patienten. Wegen des mehrheitlichen Wegfalls dieser Servicekräfte müssen die Pflegekräfte nun zusätzliche Aufgaben übernehmen, etwa Essen ausgeben, Kaffee oder Tee kochen. Hellers Fazit: "Catering nimmt Pflegezeit!" Klinikleiter Aschbrenner versuchte, die Vorwürfe abzuwehren: "Wir bündeln diese Bereiche jetzt", zudem habe man sich dazu bereits in der Presse geäußert.

Helios-Sprecher Pechatscheck begründet die schrittweise Abschaffung des Catering- sowie des Fahrdienstes im Krankenhaus mit einer neuen Gesetzeslage. Anlass für die Neuordnung der Stationsteams seien "Vorgaben aus dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz, die die Entwicklung hin zu einem in Gänze pflegerisch ausgebildeten Stationsteam vorgeben".

Das Gesetz soll Krankenhäuser eigentlich dazu motivieren, neue Pflegekräfte einzustellen. In Dachau hat es aber offenbar dazu geführt, dass die Service- und Fahrdienstkräfte das Haus verlassen, weil sie keine Ausbildung zum Krankenpflegehelfer beginnen wollten.

Klinikgeschäftsführer Florian Aschbrenner stellt sich im Kreistag den kritischen Fragen der Kommunalpolitiker. (Foto: Christian Fischer)

Jonathan Westermeier (Die Linke/Die Partei) sprach an, dass einzelne Mitarbeiter von Helios, die sich für andere Mitarbeiter einsetzen, vom Konzern massiv unter Druck gesetzt würden. Betroffen sei auch Klinikmitarbeiter Matthias Gramlich, sagt Westermeier auf SZ-Anfrage. Gramlich klagte erst vor Kurzem vor Gericht, weil er von seinem Arbeitgeber abgemahnt wurde. In seinem Fall ging es um die "Betriebszeitung für die Amperkliniken" Antigen, die von der unabhängigen Betriebsgruppe herausgegeben wird, der auch Gamlich angehört.

Vergangenes Jahr, als bundesweit über den Corona-Bonus gestritten wurde, schrieben die Autoren "Danke für NICHTS!" Gramlich hatte wegen des Vorwurfs, die Zeitschrift am Klinikum verteilt zu haben, eine Abmahnung erhalten. Aschbrenner erklärte dazu, dass man mit Mitarbeitern immer im Gespräch sei, um Verbesserungsvorschläge zu bekommen und zu erfahren: "Was können wir besser tun?"

Markt Indersdorfs Bürgermeister Franz Obesser fragte nach, ob denn die Zukunft der Helios Amper-Klinik Indersdorf gesichert sei. Dazu sagte Aschbichler, dass sich der Standort positiv entwickle, aber: "Wir haben derzeit keine Informationen, wie sich die Krankenhausreform auswirkt", es wäre Kaffeesatzleserei, wenn er darauf eine endgültige Antwort gäbe. Obesser ergänzte, dass er nicht nur für die Indersdorfer spreche, denn viele Patienten würden auch aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen kommen.

Hohe Mieten im geplanten Wohnheim für Klinikmitarbeiter

Wegen der Geburt seines Sohnes war Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) vor Kurzem selbst im Dachauer Klinikum, er lobte, dass die ärztliche Ausstattung "super" sei. Das Problem sei die Pflege, auch er kritisierte die Kündigung von Servicekräften und sagte zu Aschbrenner: "Reden Sie doch mal mit Ihrem Personal, wie die das finden." Bei seinem Besuch im Klinikum habe er beobachtet, dass Fachkräfte auf der Station fehlten und kurzerhand von einer anderen Station geholt wurden.

Helios-Sprecher Pechatscheck bestätigt, dass das vorkommen könne: "In Spitzen kann es beispielsweise krankheitsbedingt kurzzeitig auf einzelnen Stationen zu Personalengpässen kommen. In solchen Situationen greifen unter anderem Springer-Pools." Zuletzt kritisierte Hartmann, dass die Mietpreise für das geplante Wohnheim der Klinikmitarbeiter mit rund 16 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter zu hoch seien: "Wer soll sich das leisten können?"

Gegen Ende der Diskussion meldete sich CSU-Kreisrat Wilfred Landry (CSU) zu Wort. Der Bergkirchner Hausarzt kritisierte, dass es schwierig für seine Patienten sei, kurzfristig ein Bett im Klinikum zu bekommen und dass die Dachauer Notaufnahme zeitweise nicht angefahren werden könne: "Wenn ich einen Herzinfarkt habe und dann nach Weilheim geschickt werde - na dann herzlichen Glückwunsch", sagte er ironisch. Auch er stellte fest: "Wir haben ein Personalproblem." Und dass ein neuer Chefarzt in der Notaufnahme beschäftigt wird, löse das Problem auch nicht, es fehle dort schlichtweg an Pflegekräften.

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Von Jessica Schober

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