Dachauer Galerien und Museen:Die Sonne über Capri

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Das 1883 von Arthur Langhammer gemalte Bild "Mädchen am Ufer" hat die Gemäldegalerie Dachau im Dezember 2021 mit Mitteln der Dr.-Ulrich-und-Gertrude-Lechner-Stiftung angekauft. In der Künstlersignatur findet sich der Hinweis auf Capri. (Foto: Gemäldegalerie Dachau)

Das Ausstellungsjahr der Dachauer Galerien und Museen wartet mit einigen Überraschungen auf - und mit der Entdeckung einer heimlichen Künstlerkolonie, die vor allem als Touristenort bekannt ist.

Von Gregor Schiegl, Dachau

Jutta Mannes war in den vergangenen Wochen viel unterwegs, in Italien, auf Capri, in Rom und Neapel. Aber bevor jemand auf die Idee kommt, sie darum zu beneiden, streut sie im Gespräch ein, wie ungemütlich es dort zu dieser Jahreszeit sei, vor allem auf Capri: ein scharfer Wind, der über die Insel felgt, und die wenigen Unterkünfte, die zu haben sind: größtenteils unbeheizt. Was sie für ihren Arbeitgeber, den Zweckverband Dachauer Galerien und Museen, auf sich genommen hat, ist zweifelsfrei keine Vergnügungsreise, sondern das, was man einen Arbeitseinsatz im Außendienst nennt. 2022 wollen die Galerien und Museen von Stadt und Landkreis schließlich wieder mit neuen, spannenden und, ja, auch überraschenden Ausstellungen glänzen.

Was Capri, dieser Sehnsuchtsort deutscher Touristen, mit den Dachauer Galerien und Museen zu tun hat, erschließt sich auf den ersten Blick noch nicht. In der Gemäldegalerie gibt es zwar immer wieder Ausstellungen über andere europäische Künstlerkolonien. Die einzige in Italien, die im Netzwerk der internationalen Vereinigung euroArt offiziell über diesen Status verfügt, ist Klausen in Südtirol. Capri? Fehlanzeige.

Auch Dachauer Künstler pilgerten auf die italienische Mittelmeerinsel

Vor zwei Jahren erschien ein Kunstband, der beleuchtet, wie ab 1830 zahlreiche Künstler aus ganz Europa auf die italienische Mittelmeerinsel zum Malen pilgerten, natürlich durfte die berühmte Blaue Grotte als Motiv nicht fehlen. "Insofern fügt sich Capri sehr gut in unsere Serie zu Künstlerkolonien ein", findet Jutta Mannes. Die Bilder stammen zum Teil aus dem Museum "Casa Rossa" in Anacapri, großteils aber aus Privatbesitz, und weil die Sammler wissen wollen, wer sich da ihre Schätze für eine Ausstellung leihen will, musste Jutta Mannes persönlich anreisen und mit ihnen sprechen. Dass diese Vorbereitungen in eine Phase fallen, in der sowohl die Weltpolitik als auch eine Pandemie mit immer wieder alles infrage stellen, erleichtert die Arbeit nicht gerade. "Aber wir haben uns entschieden", sagt Jutta Mannes. "Wir ziehen das durch!"

Es waren übrigens auch Maler aus dem Dunstkreis der Malerkolonie Dachau zum Malen auf Capri und zwar durchaus namhafte. Ludwig Dill reiste 1864 nach Italien, auch Arthur Langhammer kam hierher, um zu arbeiten, die wenigsten wissen das. Die Ausstellung "Zauberhaftes Capri" könnte dies ändern - und vielleicht auch in Italien zu einer neuen Bewertung Capris als europäische Künstlerkolonie des 19. Jahrhunderts führen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Schau auch dort gezeigt wird.

Die Ausstellung zur Künstlerkolonie Kronberg wurde verlängert. Gezeigt wird dort unter anderem Adolf Hoefflers Bild "Über Frankfurt zum Taunus". (Foto: Toni Heigl)

Zuvor aber ist noch das hessische Kronberg zu sehen. Als ehemalige Künstlerkolonie sind der Ort und seine Maler aktuell selbst Thema einer Ausstellung in der Gemäldegalerie Dachau, "Natur und Idyll" ist in Zusammenarbeit mit dem Museum Kronberger Malerkololonie entstanden. Allzu viele Besucher waren noch nicht da. "Das ist zäh angelaufen", gibt Jutta Mannes zu. Teilweise habe man schweren Herzens auch Interessenten abweisen müssen, die keinen gültigen Corona-Test vorweisen konnten. Neugierige haben nun bis Juli noch die Möglichkeit, den Besuch nachzuholen. Es reicht, wenn sie nachweisen können, geimpft oder genesen zu sein.

Parallel zur historischen Bilderschau der Gemäldegalerie wird es ein zeitgenössisches Pendant in der Neuen Galerie geben, das abbildet, was die Kunstszene auf Capri heute so alles hervorbringt. Die Eröffnung fällt mit der Langen Nacht der offenen Türen am 16. September zusammen, bei der die ganze Stadt voll ist von kunstinteressierten Flaneuren; der Eintritt ist an diesem Abend in allen Häusern kostenlos.

Quietschbunt stellte die Münchner Künstlerin Annegret Bleisteiner schon zuvor in der Tutzinger Akademie für politische Bildung aus. Heuer kommt ihre Kunst auch nach Dachau. (Foto: Nila Thiel)

Davor gibt es aber unter dem Titel "Flexible Areale" eine äußerst farbintensive Ausstellung mit Installationen der Münchner Künstlerin Annegret Bleisteiner und Toni Wirthmüller, einem Künstler, dessen familiäre Wurzeln im Landkreis Dachau liegen. Annegret Bleisteiner strukturiert Räume unter Verwendung quietschbunter Bänder aus Plastik, einem Material der modernen Konsumwelt, die Wände sind für Toni Wirthmüllers Gemälde reserviert, in denen aktuell die Farbe Rot stark dominiert.

Der Künstler Toni Wirthmüller, dessen familiäre Wurzeln im Landkeis Dachau liegen, stellt 2022 in der Neuen Galerie unter dem Titel "Flexible Areale" aus. (Foto: Nila Thiel)

Auch im Bezirksmuseum wird es eine neue Ausstellung zu sehen geben. Sie zeichnet die Entwicklung des Dachauer Lands zum Landkreis nach. Ihr Titel: "Lebens-Raum-Ordnung". Anlass ist die bayerische Gebietsreform, die sich heuer zum 50. Mal jährt. Viele Gemeinden wurden 1972 zusammengelegt, und manche auch zusammengezwungen wie im Falle der beiden Dörfer Tandern und Hilgertshausen im nördlichen Landkreis. Die Ausstellung setzt aber schon viel früher an, bei den alten Römern, und sie reicht bis zur heutigen Metropolregion München. Das Thema ist spannender und aktueller als es auf den ersten Blick erscheinen mag: Die Kirche, der Adel, auch die Gerichtsbarkeiten haben den Raum Dachau nachhaltig geformt. Geschichtliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Gegebenheiten nehmen immer Einfluss auf die Beziehungen der Menschen zu ihrer Umwelt - und sie tun dies auch heute noch. Im schlimmsten Fall geschieht dies in einer Weise, wie man es gerade in der Ukraine vor Augen geführt bekommt.

Ausstellungstermine

Bezirksmuseum Dachau: "Arbeitswelten - Geschichte(n) über Handwerk und Gewerbe", zu sehen bis 18. September; "LebensRaumOrdnung - Vom Land zum Landkreis", 24. September 2022 bis 29. Januar 2023. Gemäldegalerie Dachau: "Natur und Idylle. Die Künstlerkolonie Kronberg", verlängert bis 3. Juli. "Zauberhaftes Capri. Ein Paradies für Künstler", 30. September 2022 bis 12. März 2023. Neue Galerie Dachau: "Landschaftsmalerei. Zeitgenössische Positionen IV", zu sehen bis 27. März. "Kinderkunstraum" von 11. bis 14. April, die Ausstellung dazu geht von 17. bis 24. April; "Flexible Areale. Installationen von Annegret Bleisteiner und Toni Wirthmüller", 6. Mai bis 17. Juli; "Zeitgenössische Künstler*innen auf Capri", 17. September 2022 bis 12. März 2023.

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