Fitnessstudios in Dachau:"Viele Mitglieder sind total aus dem Rhythmus gefallen"

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Wolfgang Perret begleitet das Krafttraining von Simone Wester im Dachauer Fitnessstudio Anima. (Foto: Toni Heigl)

Immer wieder mussten Fitnessstudios in der Pandemie schließen. Gelitten hat darunter nicht nur das Geschäft sondern auch die Mitglieder. Über eine Branche im langsamen Muskelwiederaufbau

Von Eva Waltl, Dachau

Drei- bis viermal wöchentlich trainiert Simone Wester im Fitnessstudio "Anima Finest Sports & Spa" in Dachau. Eine Mischung aus Kursen und Übungen auf der Freifläche, aus "Spaß und Was-für-die-Gesundheit-Machen", so beschreibt die 50-Jährige Dachauerin ihr Trainingsprogramm vor den Corona-Lockdowns. Während der vergangenen zwei Jahre fiel diese Routine aber über Monate hinweg aus. Durch das Online-Angebot habe sie sich zwar durchgehend "wunderbar aufgehoben gefühlt", trotzdem ist sie froh, dass das Training in den Studios vor Ort wieder möglich ist. Auch die Betreiber der Fitnessstudios sind erleichtert: Trotz Mitgliederschwunds, finanzieller Engpässe und Einschränkungen erholen sich die Betreiber nach langer Durststrecke allmählich wieder. 2G-Plus ermöglicht langsam die Rückkehr zur Normalität.

Dass die vergangenen zwei Jahre herausfordernd für Fitnessstudios waren, daran lässt Vassilios Kyrillidis, Inhaber des Fitnessclubs "Mexx Fit" in Markt Indersdorf, keinen Zweifel. Insgesamt fast ein Jahr waren die Studios geschlossen. Während dieser Zeit habe er viele Mitglieder verloren - etwa 20 Prozent, schätzt Vassilios. Weiterbestehen konnte er nur, weil der Großteil der etwa 800 Mitglieder die Beiträge trotz Lockdowns weiterhin gezahlt und die Verträge nicht aufgelöst hätten. "Wir haben eine gute persönliche Bindung zu den Mitgliedern", erzählt er. Seit der Wiedereröffnung erhalten diese nun als Ausgleich für die entrichteten Beiträge Gratis-Eiweiß-Shakes.

Einen Mitgliederschwund beklagt auch Wolfgang Perret, Inhaber des "Anima Finest Sports & Spa" in Dachau. Zwar seien die Ursachen hierbei vor allem "natürliche, wie Umzug, Krankheit, Todesfall", erklärt Perret, solche also, die nicht ausschließlich auf die Pandemie zurückzuführen sind. In den vergangenen zwei Jahre seien aber auch keine oder nur wenige neue Kunden hinzugekommen. "Die Betriebsschließungen haben uns sehr weh getan. Wir öffneten mit einem deutlich geringeren Mitgliederstamm", sagt er. Um die Mitglieder zu halten, erließ Perret ihnen monatelang die Beiträge; Miet-, Strom- und Personalkosten liefen dennoch weiter. Kräftezehrend für die Wirtschaftlichkeit des Studios.

Dank Kurzarbeit war es Perret immerhin möglich, alle der etwa 50 Festangestellten zu behalten. "Die Leidtragenden waren die 450-Euro-Leute", räumt er ein. Diese habe er nicht alle weiter beschäftigen können. Auch weil die staatlichen Finanzhilfen mit viel Bürokratieaufwand und Verzögerungen verbunden seien, wie er beklagt. Auf Zahlungen vom ersten Halbjahr 2021 warte er noch immer.

Viele Wehwehchen sind wieder zurück

Von den Maßnahmen zur Beschränkung der Coronavirusausbreitung ist er ohnedies enttäuscht. Die Schließungen habe er nicht nachvollziehen können. Regelmäßiger Sport sei sowohl aus sozialer als auch gesundheitlicher Perspektive für die Menschen immens wichtig - besonders in einer Pandemie: "Wir haben viel Feedback der Mitglieder erhalten, dass während des Lockdowns kleine und größere Wehwehchen zurückkamen", erzählt er. Das Durchschnittsalter der Mitglieder des Dachauer Studios beträgt 50 Jahre. Gesundheitsorientiertes Training steht hier im Vordergrund. Um die Mitglieder dennoch zu motivieren und "bei Laune zu halten", hat Perret sowohl ein Online-Programm aufgebaut, das aus drei bis fünf Kursen täglich besteht, als auch die Sportgeräte an die Mitglieder verliehen.

Für Simone Wester war das Alternativprogramm ein willkommener Ersatz: "Ich konnte im Garten während des Lockdowns gemeinsam mit meiner Tochter viel Sport machen." Dennoch bemängelt sie, dass beim Online-Training keine Hilfestellung gegeben werden könne. Korrekturen, falls Übungen falsch ausgeführt werden, seien nicht möglich. Sie selbst sei gut durch die Pandemie gekommen, auch weil sie selbst diszipliniert gewesen sei. Anders schildert Gottlieb Lepic, Inhaber des Fighting Bodies Fitnessstudios in Dachau, seine Erfahrungen. Er habe bemerkt, dass in dieser Zeit "viele der Mitglieder total aus dem Rhythmus gefallen und verzweifelt" seien.

Einigkeit unter den Betreibern herrscht darüber, dass die Schließungen für sie "unfair und nicht nachvollziehbar" gewesen seien, klagt Perret. Vor allem mit Blick auf andere Branchen wie Einzelhandel und Gastronomie. "Ich weiß nicht, ob man mehr leidet, wenn die Haare zu lang sind oder wenn man die Bandscheibenprobleme nicht entsprechend behandelt werden", sagt Lepic.

Es gilt nun also, Verlorenes aufzuholen. Die 2G-Plus-Regelung ermöglicht das, wenn auch mit Einschränkungen und Vorlaufzeit. Kommt eine neue Regelung, herrsche erst einmal Stillstand, bemerken die Betreiber, es dauere immer einige Wochen, bis sich die Menschen unter den neuen Regelungen zurück in die Gyms trauten. So auch diesmal. Mittlerweile läuft der Betrieb aber wieder an, und die Mitglieder kehren zurück.

Die Kontrollen werden akzeptiert

Dass die 2G-Plus-Regel mit Mehraufwand verbunden ist, bestätigt Lepic, der sein Programm dafür nun bereits zum dritten Mal hat umschreiben müssen. Die Mitglieder des Fighting Bodies Studios verwalten sich selbst: Auf einer Karte sind alle Daten gespeichert, auch die Drittimpfung, wodurch ihnen an sieben Tagen pro Woche an 24 Stunden Zutritt zu den Räumlichkeiten möglich ist. Mitglieder ohne Booster-Impfung, die einen negativen Test vorlegen müssen, werden von Mitarbeitern kontrolliert und können das Studio nur zu den besetzten Öffnungszeiten besuchen. An einem Tag besuchen etwa 150 Sportler das Studio, immerhin 15 Prozent weniger als vor der Pandemie.

90 Prozent der Mitglieder des Fighting Bodies Studios sind geboostert. Lepic hatte nach eigener Aussagen mit seinen Mitgliedern noch "kein einziges negatives Gespräch über die Kontrollen" führen müssen. Zu den Einlasskontrollen sollen auch strenge Hygienemaßnahmen das Risiko einer Ansteckung geringhalten. Perret hat eigens dafür in seinem Dachauer Studio die Fenster mit einem Aktivcoating-System beschichten lassen, um eine durchgehende Reinigung der Luft in den Räumen zu gewährleisten. Zudem sind die Kapazitäten beschränkt: Geräte, Duschen, Sauna- und Trainingsplätze, die benutzt werden dürfen, sind gekennzeichnet, damit ausreichend Abstand eingehalten werden kann. Maskenpflicht gilt auf allen Wegen.

Für Lepic, der das Studio gemeinsam mit seiner Frau und seinem Sohn führt, bedeuten die Regelungen einen immensen Mehraufwand, der sich aber zur Freude des Inhabers bezahlt macht: Die Studios vermelden keine einzige Coronainfektion, die auf die Fitnessstudios zurückzuführen ist. In die Zukunft blicken die Betreiber zuversichtlich. "Wenn es so bleibt und wir nicht wieder zumachen, haben wir uns bald erholt", sagt Perret. Das hofft auch Wester, die seit der Wiedereröffnung endlich wieder "gemeinsam mit Tochter und Trainerin zu Musik herumhüpfen" kann.

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