Prozess:Wenn der Postbote Ecstasy und Speed vorbeibringt

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Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, unter anderem mit Ecstasy gehandelt zu haben. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Das Landgericht München wirft 31-Jährigem aus dem Landkreis vor, in großem Stil mit Aufputschmitteln gedealt zu haben.

Von Thomas Radlmaier, München/Dachau

In den frühen Morgenstunden seines 31. Geburtstages klingelt die Polizei an der Wohnungstür und durchsucht sein Zimmer. Die Beamten beschlagnahmen insgesamt 44,92 Gramm Speed, das im ganzen Raum verteilt ist, sowie eine silberne und neun lilafarbene Ecstasy-Tabletten. Überall im Zimmer liegen Druckverschlusstüten. Weniger als ein halbes Jahr zuvor hatten die Polizisten schon einmal die Wohnung seiner Eltern im Landkreis Dachau aufgesucht, wo der 31-Jährige lebt. Die Mutter hatte den Notruf abgesetzt, weil der Sohn komplett ausgeflippt war. Die Polizisten mussten ihn später fesseln. In seinem Zimmer fanden sie 86 grüne und 176 blaue Ecstasy-Tabletten.

Fast ein Jahr ist seitdem vergangen. Nun muss sich der 31-jährige gelernte Bürokaufmann vor dem Landgericht München verantworten. Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass der Angeklagte mit Drogen gedealt hat. Sie erhebt aufgrund polizeilicher Ermittlungen, die über die Hausdurchsuchungen hinausgehen, weitere schwere Vorwürfe gegen den 31-Jährigen. Laut Anklageschrift soll er versucht haben, ein Paket mit fast einem Kilogramm Speed an ein Postfach in Dachau zu schicken, das auf seinen Namen läuft. Da das Paket zu groß für das Postfach war, schickte es die Post an den vermeintlichen Absender zurück, an einen Campingplatz in der Nähe von Hamburg. Auch ein zweites Paket mit 51 Ecstasy-Tabletten, das an das Postfach adressiert war, ging retour zu einem falsch angegebenen Absender.

"Ich habe damit nichts zu tun. Jemand hat auf meinen Namen bestellt."

Der Angeklagte bestreitet, die Bestellungen aufgegeben zu haben. "Ich habe damit nichts zu tun. Jemand hat auf meinen Namen bestellt. Auf einmal kamen solche Mengen auf mich zu. Und ich dachte: Um Gottes willen", sagt er am ersten Verhandlungstag. Das Gericht gleichwohl zweifelt an dieser Aussage. "Das wäre schon ein extremer Zufall, wenn jemand zweimal ihr Postfach benutzt hätte, um ihnen etwas in die Schuhe zu schieben", so der Richter.

Der Angeklagte räumt ein, sich die Drogen besorgt zu haben, welche die Polizei bei ihm gefunden hatte. Diese seien für den Eigenbedarf gewesen, sagt er. Er habe seit Jahren Depressionen, zudem müsse er starke Medikamente nehmen, um nachts schlafen zu können. Um diese auszugleichen und überhaupt wach zu werden, habe er die Aufputschdrogen genommen, etwa 1,5 Gramm Speed täglich. Seit zwei bis drei Monaten nehme er gar nichts mehr, sagte er. "Ich habe gemerkt, dass es so nicht weitergehen kann. So werde ich nicht alt."

Die Zeit, als er täglich auf Speed und Ecstasy war, hat Spuren beim Angeklagten hinterlassen

Die Zeit, als er täglich auf Speed und Ecstasy war, hat Spuren beim Angeklagten hinterlassen. In der Verhandlung schließt er immer wieder die Augen und schläft kurz ein, so dass der vorsitzende Richter gleich zu Beginn fragt, ob er der Verhandlung überhaupt folgen könne und ob er auf Drogen sei. Der 31-Jährige erklärt, dass am Abend zuvor ein starkes Schlafmittel geschluckt habe, das ihm wegen seiner Albträume ärztlich verschrieben worden sei und immer noch nachwirke.

Der Betreiber des Campingplatzes in der Nähe von Hamburg, wohin die Post das Paket mit den mehr als 900 Gramm Speed geschickt hat, ist nach München gereist, um auszusagen. Er erzählt, dass seine 80-jährige Schwiegermutter das Paket entgegengenommen habe. Da der Campingplatz darauf als Absender stand, habe er es geöffnet. "Es war ein Kochtopf drin", erzählt der 44-Jährige, der sich das nicht erklären konnte. Auch die Post wollte das Paket nicht zurücknehmen. Also habe er es in einem Regal in seinem Büro verstaut, sagt er. Bis eines Tages seine Frau in der Lokalzeitung las, dass Drogendealer mit genau dieser Masche ihre Ware verschicken und dabei einen falschen Absender auf dem Paket angeben, um nicht zurückverfolgt werden zu können. "Ich habe den Deckel abgenommen, dann lag da weißes Pulver drin", erzählt der Campingplatz-Betreiber. Es seine zwei Beutel gewesen, er habe sie sogar mit einer Tortenwaage gewogen. "980 Gramm. Da kriegt man ganz schön Angst, das kann man ja keinem erzählen." Er rief dennoch Polizei. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 31.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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