Dachau:"Der letzte Vorhang ist gefallen"

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"Wir können stolz und dankbar sein, dass er mit uns diesen Weg beschritten hat". Dachau hat nun Abschied genommen von Karl Bruckmayer.

Wolfgang Eitler

Die Metapher vom "Türsteher" aus dem Johannes-Evangelium hat Stadtpfarrer Wolfgang Borm treffend gewählt. Denn wenn Karl Bruckmayer etwas war, dann ein Lehrer, Pädagoge und Kulturschaffender, der Horizonte erweitern wollte und sein Ziel auch erreichte. Am Montag, 8. Juli, war er im Alter von 74 Jahren gestorben, er wäre im November 75 geworden. Borms Metapher passte zur Würdigung durch den stellvertretenden Direktor des Josef-Effner-Gymnasiums Bernhard Kloppinger auf der Trauerfeier am Dienstagmittag, der ihn als "herausragenden Lehrer" bezeichnete. Sie entsprach auch der emotionalen Ansprache von Edi Hörl, dem Vorsitzenden der Ludwig-Thoma-Gemeinde. Er schätzte an Karl Bruckmayer besonders die Fähigkeit, zu begeistern und junge Menschen anzusprechen.

Mehr als 200 Trauergäste begleiteten Karl Bruckmayer am Dienstag auf seinem letzten Weg auf dem Dachauer Waldfriedhof. (Foto: © joergensen.com)

Das Dachauer Gymnasium und der Kulturverein, den sein Vater August schon führte, sind die beiden Bereiche gewesen, in denen Karl Bruckmayer besonders eindrucksvoll wirken konnte. Der stellvertretende Direktor Kloppinger schilderte vor etwa 200 Trauergästen einen Mann, der schon wegen seiner hünenhaften Statur und der markanten Stimme Schüler wie Kollegen für sich einnahm.

Karl Bruckmayer ist am 4. November. 1937 in Neuburg an der Donau geboren worden und kam im Jahr 1953 nach Dachau. Sein Vater August war hier Direktor des Amtsgerichts geworden. Nach dem Studium von Latein, Altgriechisch, Deutsch, Geschichte und Sozialkunde verschlug es den jungen Lehrer 1968 nach Cham. Er drängte auf eine Rückkehr nach Dachau. Von 1975 bis 2002 unterrichtete er am Effner-Gymnasium. Kloppinger erzählte, wie glücklich Bruckmayer gewesen sei, als er nach seiner Pensionierung für kurze Zeit in der Oberstufe einspringen konnte, weil ein Lehrer fehlte. Er skizzierte das Charisma eines umfassend humanistisch gebildeten Mannes, der aus seinem Wissen eine große Neugier für alles Neue ableitete: "Karl Bruckmayer begeisterte, er war eine Lehrerpersönlichkeit im besten Sinne des Wortes."

Am Ende seiner 27-jährigen Tätigkeit in Dachau war Bruckmayer schwer erkrankt, er hatte ein Aneurysma im Gehirn, kam aber nach erfolgreicher Operation wieder ans Effner-Gymnasium zurück. Noch vor wenigen Wochen freute er sich in einem Gespräch wegen der Nominierung für den SZ-Tassilo-Kulturpreis über seine gute Gesundheit. Keiner seiner Freunde hätte mit seinem Tod gerechnet. Edi Hörl, sein Nachfolger als Vorsitzender der Thoma-Gemeinde vermochte die letzten Dankesworte in seiner Rede mit tränenerstickter Stimme nicht mehr zu Ende zu sprechen.

Er bewundert Karl Bruckmayer wegen dessen "Wagemuts", die Strukturen der Thoma-Gemeinde und damit des kulturellen Kerns der Stadt Dachau Anfang der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts aufzubrechen. Damals verharrte die Kulturpolitik in einer Abwehr gegen alles Neue, gegen die moderne Kunst genauso wie die moderne Literatur. Wenn heute das Theaterstück der KZ-Häftlinge "Die Blutnacht von Schreckenstein" in Dachau aufgeführt werden kann, so ist dies Karl Bruckmayer zu verdanken, der die ersten großen Inszenierungen dieser Art in Dachau wagte. Er inspirierte viele damals junge Menschen, die bei dieser aktuellen Theateraufführung maßgeblich mitwirken. Am Effner-Gymnasium hatte er die Bühne "Drunter&Drüber" gegründet. Viele von ihnen sind in den Waldfriedhof gekommen, um Bruckmayer die letzte Ehre zu erweisen. Sie alle sind in der Thoma-Gemeinde aktiv. "Der letzte Vorhang ist für ihn gefallen", sagte Hörl voller Wehmut . "Wir können stolz und dankbar sein, dass er mit uns diesen Weg beschritten hat."

In dem von Pfarrer Borm ausgewählten Johannes-Evangelium geht es um Schafe, die einem guten Hirten bereitwillig folgen, falls er sich ihnen offen und mit viel Sympathie nähert; ihnen also "Türen öffnet". Er wisse nicht, räumte der Stadtpfarrer ein, ob Karl Bruckmayer das Bild vom Hirten annehmen würde. Daran kann man insofern leise Zweifel hegen, als der Gymnasiallehrer "ältere Schüler", wie sich ein Trauergast gerne erinnerte, mit Vorliebe zu literarischen Lesungen samt "Cognac und Zigarillo" einlud. Mit Schafen geht so etwas sicherlich nicht.

© SZ vom 18.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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