Kabarett:"Der Doppel-Wumms ist ein Doppel-Plumps"

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Der gebürtige Dürener HG Butzko steht seit 1997 als kabarettistischer Solist auf der Bühne. (Foto: Toni Heigl)

Der Kabarettist HG Butzko macht sich darüber lustig, was Politiker aller Couleur über die Jahre geäußert haben. In der Dachauer Friedenskirche teilt er gegen die Ampel-Regierung aus - und sogar gegen sein Publikum.

Von Renate Zauscher, Dachau

Die Regierungsjahre der Bundeskanzler Helmut Kohl bis Olaf Scholz haben für den Kabarettisten HG Butzko so einiges zu bieten. Mit einem Jubiläumsprogramm trat Butzko am Samstag auf Einladung des Leierkasten Dachau in der Friedenskirche auf. Schließlich ist der gebürtige Dürener schon seit 1997 als kabarettistischer Solist unterwegs, da war Kohl gerade noch ein Jahr im Amt. Er ist bekannt als reaktionsschneller Kommentator in den "BR-Radiospitzen" und hat jede Menge bissige und böse Einfälle, das zeigte sich in seinem zwölften Soloprogramm mit dem Titel "ach ja". Darin nimmt er die Politik der letzten 25 Jahre ins Visier und bedient sich dabei primär dessen, was Politiker und Politikerinnen aller Couleur über die Jahre so geäußert haben.

Viele, die im vergangenen Vierteljahrhundert ein größeres oder kleineres Stück deutscher Geschichte geschrieben haben, lässt Butzko zu Wort kommen: Der Kabarettist muss entweder ein sehr gutes Gedächtnis haben oder ein umfangreiches Archiv besitzen, in dem sämtliche Zitate seiner Zeitgenossen gespeichert sind.

Wenn Butzko in seinem Jubiläumsprogramm die vergangenen 25 Jahre Revue passieren lässt, ist niemand gegen seinen beißenden Spott gefeit. Ob Bundeskanzler Helmut Kohl oder sein Nachfolger Gerhard Schröder, Norbert Röttgen, Jürgen Trittin oder Sigmar Gabriel, Wladimir Putin oder Wolodimir Selenskij, ob Angela "Mutti" Merkel oder Olaf "Opi" Scholz - keiner entgeht seinem vernichtenden Urteil. Sie alle werden mit Aussagen zitiert, in denen Butzko lediglich leere Worthülsen und hohles Geschwätz zu erkennen glaubt. Bei Merkel ärgert ihn im Rückblick deren Beteuerung, die Guthaben der deutschen Sparer seien während der Finanzkrise 2018 absolut sicher. Bei Scholz dessen schlechtes Gedächtnis, was vergangene Finanztransaktionen angeht.

Meist springt Butzko übergangslos von Thema zu Thema

Das Vorhaben der Ampel, eine "neue Dynamik auszulösen", sieht Butzko als leeres Versprechen. Denn der "Doppel-Wumms", ein Hilfspaket in der Energiekrise, entpuppe sich aus seiner Sicht als "Doppel-Plumps". Er bezeichnet die Finanzpolitik der Ampel als das "Jonglieren mit Töpfen, in denen nichts drin ist".

In Butzkos Abrechnung mit der jüngsten Vergangenheit geht er auch auf die Klimakleber ein, die Bauern-Proteste, FDP-Finanzminister Christian Lindner kommen vor, ebenso Björn Höcke von der AfD und der ein oder andere seiner Gesinnungsgenossen. Dabei springt Butzko in seiner mit großer Gestik vorgetragenen Philippika meist übergangslos von Thema zu Thema: Wer nicht aufpasst, verliert schnell den Faden. Er überrollt das Publikum geradezu. Gelegenheit zum Nachdenken über die markigen Meinungen oder für Widerspruch bleibt da nicht. Manche seiner Spottobjekte - wie etwa Ministerpräsident Markus Söder - streift er nur kurz, andere, wie Angela Merkel oder Hubert Aiwanger, ahmt er ausführlicher nach. Bei Merkel stimmen Klangfarbe und Gestik, dem Original-Sound Aiwangers kommt Butzko dagegen nicht so richtig nahe - da schlägt der eigene Gelsenkirchener Dialekt zu sehr durch.

Der Kabarettist hat in Dachau ganz offensichtlich viele Fans

Was überrascht: Der Mann, der so gern und so bissig austeilt, ist selbst durchaus empfindlich. Dann etwa, wenn er dem Publikum in Dachau, das ihn schon lange kennt, Begriffsstutzigkeit vorwirft: Sobald der Applaus für eine Pointe auch nur kurz auf sich warten lässt, spielt Butzko gestisch auf die "lange Leitung" seiner Zuhörer an. Vor allem aber kränken ihn Kritiken, die ihm ungerecht erscheinen, weil man ihn missverstanden habe, falsch zitiere oder die Kritiker ganz einfach "Pflaumen" seien. Das Produkt solcher "Pflaumen" sei dann nicht etwa Journalismus, sondern einfach "Pflaumenmus".

Butzko hat in Dachau ganz offensichtlich viele Fans - sie applaudieren auch dann, wenn der ein oder andere Scherz auf ihre Kosten geht. Geschenkt, dass der "ekelhafte Schnösel", der Butzko mit seinem Handy-Gedudel störte, ausgerechnet am Dachauer Bahnhof in seine S-Bahn eingestiegen ist. Geschenkt, dass Butzko den Dachauern aus diesem Grund einen möglichst hohen Anstieg des Meeresspiegels wünscht, damit der Zug wegen Überflutung künftig in Dachau nicht mehr hält. Geschenkt auch, dass der Witz über Jesus und Pontius Pilatus just hier, in der Friedenskirche, deplatziert war: Butzko hatte ganz offensichtlich übersehen, dass er unter einer großen Kreuzigungsgruppe seine Witze machte. Ein Vierteljahrhundert festgemacht lediglich an Zitaten, hinter denen Butzko im besten Fall Blauäugigkeit und im schlimmsten Fall bewusste Lüge sieht. Wer kritisch zuhört, dürfte darin eine grobe Verkürzung der tatsächlichen deutschen Geschichte der vergangenen 25 Jahren sehen.

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