Kultur in Dachau:Atmosphärische Traumbilder

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Erstmals stellt die Künstlervereinigung Dachau die Druckgrafik ins Zentrum ihrer Schlossausstellung. Was die Schau zum Ereignis macht, ist die überwältigende Vielfalt der gezeigten Arbeiten

Von Renate Zauscher, Dachau

"Die Leute sind kunsthungrig!" Das stellte Margot Krottenthaler, Mitglied im Vorstand der Künstlervereinigung Dachau (KVD), bei der Eröffnung der großen Sommerausstellung der KVD am Sonntag mit Blick auf die vielen Besucher zweifelsfrei fest. Zwar konnte aus Pandemiegründen keine Vernissage im eigentlichen Sinn stattfinden; das Ereignis im Dachauer Schloss erwies sich dennoch schon am ersten Tag der Schau, die noch bis Anfang September zu sehen ist, als Publikumsmagnet.

Heuer dreht sich bei der Ausstellung im Schloss alles um das Thema Druckgrafik - in der Geschichte der KVD ein Novum. "Alien Polka" hatten die Verantwortlichen als Titel für die Schau gewählt, ein Motto, das viele der insgesamt 33 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Deutschland in ihren Arbeiten explizit aufgegriffen haben. So hat etwa Christian Sedelmayer seinem großformatigen Siebdruck "Blue and Yellow Fighting" nachträglich noch rote "Polka Dots" verpasst, Katrin Schürmann in einem Linolschnitt einen tanzenden Menschen in den Blickpunkt gerückt oder Alfred Ulrich den Besucher mit bunten Aquatinta-Radierungen auf die erwartete Ankunft der Aliens eingestimmt. Mit viel Humor blickt Anna Dietze diesem Ereignis entgegen: In ihrem "Souvenirshop" kann man sich eindecken mit gedruckten Symbolkarten und diese dem eintreffenden Alien mangels sprachlicher Kommunikationsmöglichkeiten entgegenhalten. "Wie schnell kannst du fliegen?" könnte man ihn dann etwa fragen oder auch: "Nimmst du mich mit?"

Auf einen unbekannten "Planeten" der uns fremd gewordenen Vergangenheit nimmt Margot Krottenthaler mit einem dreigeteilten Linoldruck auf Aquarellpapier den Betrachter mit. Er ist entstanden aus einem Foto, das ihre Großmutter vor rund einhundert Jahren im Team einer Münchner Biergartenbelegschaft zeigt. "Expedition Planet Past" hat Krottenthaler diese sehr persönliche Erkundung der flüchtigen Vergangenheit genannt.

Was die Schau im Dachauer Schloss zum Ereignis macht, ist die Vielfalt des Gezeigten. Fremdes - Arbeiten der Gastkünstler - trifft auf Bekanntes unter den Arbeiten der KVD-Mitglieder, die teilweise in der KVD-eigenen Druckwerkstatt entstanden sind, Abstraktes auf Abbildungen konkreter Realität, Surreales auf durchaus Irdisches. Während Künstler wie Marian Wiesner mit seinen Mixed-Media-Objekten auf äußerste Verknappung der Formen setzt, beleuchtet Franz Hoke in detailliert ausgearbeiteten, großformatigen Stahlradierungen den Körper des Menschen im Zusammenspiel mit dessen geistiger Existenz. Stark atmosphärische Traumbilder wie die Arbeit "Online", ein in changierenden Nachtfarben gehaltener, sehr malerisch wirkender Linoldruck auf Papier von Uta Zaumseil, hängen in unmittelbarer Nachbarschaft von Landschaftsimpressionen, die Antje Seemann in strengem Schwarz-Weiß, dem klassischen Kontrast der Druckkunst, angefertigt hat.

Ganz anders die Arbeiten von Christian Sedelmayer: Er greift auf Motive der Antike und des Mittelalters zurück, während Florentine Kotter in einer Serie von 20 Linolschnitten die Begegnung von Mensch und Tier thematisiert oder die Beziehung zwischen Innen- und Außenwirkung menschlicher Wahrnehmung untersucht. Unmittelbaren Bezug zur Ausstellung hat die Arbeit von Johannes Karl: Er hat alle 33 an der Ausstellung teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler in Linolschnitten porträtiert.

So vielfältig wie die Themen der 33 Ausstellungsteilnehmer sind auch die eingesetzten Techniken und Materialien. Die Schau zeigt etwa, dass man keineswegs nur auf Papier, sondern auch auf Stoff drucken kann, wie dies Fredrik Lindqvist macht, der aus Stoffquadraten, die er mit Holzschnitten bedruckt, ganze Märchenwelten erschafft, oder dass man auch bei der Wahl seines Druckstocks höchst innovativ sein kann.

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So hat etwa Florian Marschall mit einem drei Meter langen Fichtenbrett, das er mit Stahl- und Kunststoffbürsten bearbeitet hat, experimentiert und Marian Wiesner hat als Druckstock eine Scheibe Bienenwachs aus seiner kleinen Imkerei benutzt. Auch im Papier, das Wiesner bedruckt, steckt höchst persönliche Handarbeit: Es besteht aus den Fasern von Leinpflanzen, die der Künstler selbst angebaut hat.

Ob also Siebdruck oder Radierung, Linol- oder Holzschnitt, Stempeldruck wie in Maria Detloffs "Vogelpolka" oder Hyalografie, wie sie Klaus Eberlein für sich entdeckt hat: Hinter jeder Wahl des Materials und des jeweils eigenen Motivs steht eine eigene Künstlerpersönlichkeit. Die Vielgestaltigkeit der Exponate zeigt, welch große Rolle die Druckgrafik nach wie vor im künstlerischen Schaffen deutschlandweit spielt. Und sie macht den großen Reiz der KVD-Ausstellung im Dachauer Schloss aus, die noch bis Sonntag, 5. September, zu sehen ist.

© SZ vom 03.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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