Auf Streife mit einer Kontrolleurin:Die Politesse, das unbeliebte Wesen

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Wenn Margit Gabler in Dachau auf Streife geht, wird sie von Autofahrern häufig dumm angeredet. Doch die 58-Jährige hat gelernt, sich nicht provozieren zu lassen

Von Andreas Förster, Dachau

Wenn Margit Gabler ihren Job macht, hat das für manche Autofahrer unangenehme Folgen. Als Außendienst-Mitarbeiterin der Kommunalen Verkehrsüberwachung (KVÜ) hat sie die Dachauer Falschparker im Visier. Das Team aus neun Außendienst-Mitarbeitern der Kommunalen Verkehrsüberwachung ist fünf Tage die Woche im Schichtdienst unterwegs. Zusätzlich an Samstagvormittagen, an den vier Marksonntagen und einmal pro Woche bis 22 Uhr. Die 58-jährige Margit Gabler aus Dachau ist Teil des Teams. Seit 1. März gehört sie der Mannschaft genau 16 Jahre an.

Margit Gabler ist wieder einmal auf Streife. In der Nähe des Krankenhauses steht ein Fahrzeug im eingeschränkten Halteverbot. Aus den Augenwinkeln erfasst Margit Gabler die abgelaufene TÜV-Plakette. Der zweite Blick geht auf ihr elektronisches Datenerfassungsgerät. Es heißt passenderweise Politess. Es ist genau 11.07 Uhr. In zehn Minuten will Gabler ein weiteres Mal vorbeikommen, um das Kennzeichen des Wagens zu erfassen und die Knöllchen auszudrucken. Ist der TÜV abgelaufen, kleben in der Regel zwei der mit einem Verwarnungsgeld einhergehenden Zettel an der Windschutzscheibe: Mindestens 15 Euro für das Parkvergehen und mindestens 15 Euro, wenn der TÜV-Termin mehr als zwei Monate überschritten wurde.

Verkehrsüberwacherin Margit Gabler muss bei ihrem Job einen kühlen Kopf bewahren. Wenn sich ein ertappter Parksünder nicht beruhigen will, lässt sie hin schimpfen und geht weiter. An einem Strafzettel kommt er trotzdem nicht vorbei. (Foto: Niels P. Jørgensen)

In diesem Moment kommt der Fahrzeughalter angerannt. "Habe nur meine Tochter aus dem Krankenhaus abgeholt", ruft er atemlos. Eine junge Frau auf Krücken humpelt einige Meter hinter ihm her. Die Parküberwacherin nickt verständnisvoll und erinnert ihn an die abgelaufene TÜV-Plakette. "Morgen früh habe ich einen Termin", versichert der Mann leutselig. Er darf unbehelligt weiterfahren. Wenn jemand weniger als zehn Minuten im eingeschränkten Halteverbot stehen bleibt, belassen es die Verkehrsüberwacher in der Regel bei einer mündlichen Verwarnung. Doch nicht alle Falschparker sind einsichtig und halten sich an die Netiquette. In den 16 Jahren, die Margit Gabler als Außendienstkraft bei der Kommunalen Verkehrsüberwachung der Stadt Dachau beschäftigt ist, wurde sie unzählige Male dumm angeredet. "Auch 'blöde Kuh' hat man mich schon genannt", erzählt die 58-Jährige. Ein älterer Fußgänger ging sogar mit einer Gehhilfe auf sie los, weil sie an einem Sonntagnachmittag ihrem Dienst nachging. "Der war außer sich, obwohl er nicht einmal selbst betroffen war."

Als der aufgebrachte Mann mit der Gehhilfe der Parküberwacherin zufällig am nächsten Tag noch einmal begegnet, erkennt er sie nicht wieder. Dieses Mal trägt sie allerdings zivile Kleidung. "Viele nehmen mich vor allem über meine Uniform wahr", sagt Gabler. Das sei ähnlich wie bei Wachhunden, die den Briefträger in Uniform anfletschen und ihn in "zivil" unbehelligt durch ihr Revier laufen lassen.

Ein besonders kurioser Vorfall ereignet sich kurz vor Weihnachten vor dem Schuhhaus Rössler in der Altstadt. Ein Auto hat falsch geparkt, der Fahrer sitzt am Steuer und wartet. Als die Verkehrsüberwacherin ihn darauf aufmerksam macht, dass das kein korrekter Parkplatz sei, erwidert der Mann zornig: "Ist mir scheißegal". Beim eiligen Rückwärtsstoßen rammt er ein gerade einparkendes Auto. Man tauscht Versicherungsdaten aus. Statt geläutert wegzufahren, braust der übellaunige Autofahrer los, wirft dabei einen bösen Blick über die Schulter und rammt ein zweites Auto.

Margit Gabler lässt sich nicht provozieren. "Das ignoriere ich, auch wenn mich jemand duzt." Neben dem Ausstellen der Straftickets leiht sie so mancher älteren Passantin ihr Ohr und fungiert auch mal als Kummerkasten. Nach getaner Arbeit helfen die Gespräche mit den Kollegen und ihrem Freund zuhause, die Erlebnisse des Tages zu verarbeiten. Wie man schwierige Situationen deeskaliert, erfahren die Mitarbeiter in speziellen Kursen. Mag sich ein Verkehrsteilnehmer gar nicht beruhigen, lässt Gabler ihn schimpfen und geht weiter. Ein Knöllchen bekommt er trotzdem. Auch mit Ausreden wie "Ich war doch nur fünf Minuten weg" kommt man bei ihr nicht durch. Die hat sie gefühlte tausendmal gehört. "Ich frage dann, wie es sein kann, dass da zwei volle Einkaufstaschen stehen. Dann ist Ruhe."

Gabler arbeitet wie die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen (acht Frauen, ein Mann) in Teilzeit. An einem normalen Vier-Stunden-Tag läuft sie durchschnittlich sieben Kilometer. Grundsätzlich wird der gesamte Stadtbereich überwacht. Gablers überwiegender Einzugsbereich erstreckt sich von der Altstadt einschließlich dem Schlossberg-Parkplatz über die Mittermayer- und Krankenhausstraße, den Waldfriedhof- und Krankenhaus-Parkplatz einerseits sowie den Karlsberg, die Münchner Straße und ihre Seitenstraßen bis zur AOK andererseits. Für die Gebiete außerhalb des Innenstadtbereichs benutzt sie ein Dienstfahrzeug. Bis vor einem Jahr musste sie dazu noch mit dem Bus fahren.

Im Jahr 2016 haben die Außendienstkräfte der KVÜ etwa 25 000 Verwarnungen, so genannte Windschutzscheibenbelege, ausgestellt. Die Stadt nahm dadurch rund 314 000 Euro ein. Gleichzeitig hatte sie Ausgaben für Personal und Sachkosten in Höhe von knapp 350 000 Euro. Das Defizit belief sich somit auf etwa 36 000 Euro, ein Jahr zuvor sogar auf fast 50 000 Euro. Die KVÜ ist also keine Goldgrube für die Stadt.

© SZ vom 03.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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