Asylbewerber:Unsere Schützlinge

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Die Haltung der Gemeinde Altomünster zur Asylpolitik und der Aufnahme von 75 Flüchtlingen in den nächsten beiden Wochen zeigt sich vor allem in der Art, wie Bürger und Politiker darüber reden

Von Wolfgang Eitler, Altomünster

Uli Schneider, Vorsitzender des Kulturförderkreises in Altomünster, wiegt den Kopf: "Wenn man denkt, was Anfang der 90er Jahre los war." Damals konnte es einem angst und bange werden, als sogar Theologen das braune Wort von der "Überfremdung" locker über die Lippen floss. Dabei ging es bloß darum, für ungefähr 100 Menschen am Rande von Markt Indersdorf, zehn Kilometer von Altomünster entfernt, eine Unterkunft zu schaffen. Und jetzt berichtet Landrat Stefan Löwl (CSU), dass bis Ende des Jahres 1400 Flüchtlinge untergebracht werden müssen. Zurzeit sind es 628. In den nächsten Wochen kommen im kleinen Ortsteil von Altomünster, in Schmarnzell mit gerade mal 48 Einwohnern, 30 Asylbewerber im ehemaligen Bundeswehrstandort an. Schließlich 45 weitere am im Bau befindlichen Wohncontainer im Gewerbegebiet.

Die Fragen an Löwl sind von praktischer Natur: Wie organisiert man Arztbesuche? Wie sieht die rechtliche Lage für Altomünster aus? Denn Aichach liegt geografisch näher als Dachau. Wenn der Asylhelferkreis Flüchtlinge dorthin begleiten wollte, verließen diese unrechtmäßig den Regierungsbezirk Oberbayern Richtung Schwaben. Löwl sagt: "Da finden wir eine Lösung. Ich kümmere mich darum."

Wenn einige der etwa 90 Zuhörer im völlig überfüllten Nebenzimmer des Maierbräus über etwas staunten, dann über Dachau, weil dort "im Villenviertel Mitterndorf", wie jemand anmerkte, ein lauter Protest gegen eine geplante Unterkunft in der ehemaligen Schule der griechischen Gemeinde aufflackerte. "Man wünschte sich stattdessen eine Reaktion, die der historischen Verpflichtung der Stadt angemessen wäre", hieß es auf der Informationsveranstaltung zur Entwicklung des Asylpolitik.

Die aufgelassene Bundeswehr Abhörstation in Schmarnzell nimmt bereits nächste Woche 30 Flüchtlinge auf. (Foto: Toni Heigl)

Daran erinnert auch Landrat Löwl in einer ausführlichen Ansprache, welche die Altomünsterer mit einer gewissen Spannung erwartet haben. Schon nach der kurzen Begrüßung durch CSU-Parteifreund und Bürgermeister von Altomünster, Anton Kerle, muss ihm klar gewesen sein, dass die Zuhörer sehr auf die Diktion achten, denn Kerle spricht von den Flüchtlingen als "Schutzbefohlenen".

Löwls Rede speist sich ebenfalls aus dem Reservoir des kirchlichen Wortschatzes. Er wirbt um Verständnis für die "Schutzbedürftigen", aber auch für diejenigen, die hierher kämen, um eine "Chance für ihr Leben" zu gewinnen. Solche Asylbewerber werden oft leichthin als "Wirtschaftsflüchtlinge" tituliert. Für diesen Begriff wäre der Landrat in Altomünster vermutlich kritisiert worden. An die jüngeren Zuhörer wendet er sich mit der Aufforderung, sich in die Männer in ihrem Alter "hineinzufühlen": "Die kommen zu uns, sitzen in den Wohncontainern inklusiv, aber ohne alles." Und er fragt: "Wie würde es euch ergehen?" Er zitiert aus der Polizeistatistik, wonach seit der Aufnahme von Hunderten von Flüchtlingen die Kriminalitätsrate nirgends im Landkreis Dachau gestiegen sei. Für ihn zeigen sich in solchen Statistiken die Erfolge der Asylhelferkreise, die ihren "kulturellen Auftrag" erfüllten; den Menschen die Kultur und die Alltagsgepflogenheiten des Gastlandes nahezubringen. Schließlich gibt er noch die pädagogische Losung von Maria Montessori als Leitlinie vor: "Hilf mir es selbst zu tun." Nach dieser Richtschnur sollten die Helferkreise die meist jungen Flüchtlingen unterstützen.

Bekanntlich fordert Maria Montessori dafür eine "vorbereitete Umgebung". Die ist schwierig genug herzustellen. Viele der Asylhelfer arbeiten offenbar an der Grenze der Belastbarkeit. Die Caritas, welche eine eigene Asylzentrale aufgebaut hat, muss sich mit einem staatlichen Schlüssel von einer Fachkraft für 150 Menschen zufrieden geben. Leiterin Irmgard Wirthmüller sagt, dass damit jedem Flüchtling eine Stunde Beratung pro Monat zur Verfügung stehe. Was würde sie tun ohne die Helferkreise? Denn in den Unterkünften müsse sehr viel soziale Arbeit geleistet werden, weil die Menschen durch die Flucht größtenteils traumatisiert seien. Altomünster traut sich diese Aufgabe zu. Sprecherin Brigitte Burger-Schröder: "Unsere Tätigkeit wird gesellschaftlich mitgetragen und sie wird auch gewünscht." Aber alle sind in Sorge. "Wie wird es weiter gehen? - Wie viele kommen noch?"

Diese politische Debatte möchte Landrat Löwl am Montag, 6. Juli, 19 Uhr, im Bürgerhaus Karlsfeld mit den CSU-Landtagsangeordneten, Bernhard Seidenath und Anton Kreitmair sowie Martin Güll (SPD), führen. Er gibt gleich die Richtung vor und wünscht sich eine Diskussion darüber, wie all die Menschen, die "eine Lebenschance" suchen, nicht den aussichtslosen Weg über die Asylverfahren beschreiten müssten. Damit stellt er die Frage nach einem Einwanderungsgesetz, die auch die Wirtschaft interessiert.

© SZ vom 12.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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