Altomünster:Lokale Raritäten und Sammlerstücke

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Eine Schneiderin zeigt Maßarbeiten aus Leinen und feinen Stoffen. (Foto: Karin Alzinger)

Die Ausstellung "Arbeitswelten" zeigt im Birgittenmuseum nicht nur eine Nachbildung der Kirchenkuppel. Sie beantwortet auch die Frage, warum von einst 66 Mühlen im Landkreis nur noch eine übrig ist.

Von Dorothea Friedrich, Altomünster

In betörendem Kupfergold glänzt eine Nachbildung der Altomünsterer Kirchturmspitze seit ein paar Tagen im örtlichen Klostermuseum. Ein echter Blickfang und Teil der Ausstellung "Arbeitswelten - Geschichte(n) über Handwerk und Gewerbe". Erstellt wurde diese Ausstellung von der Geschichtswerkstatt Dachau. Sie war 2021/2022 in großer Aufmachung im Bezirksmuseum Dachau zu sehen und wandert nun durch die Landkreisgemeinden. In Altomünster macht sie noch bis zum Sonntag, 30. Juni, Station.

Die Spenglerarbeit der Firma Reisner zeigt eine Nachbildung der Kirchturmspitze. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Schusterwerkstücke aus dem Hutter-Museum zeigen die Handwerksfähigkeiten. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Die Leihgaben von Apotheker Peter Schultes erinnern an vergangene Zeiten. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die ansprechende Schau vermittelt einen tiefen Einblick in Berufe, die das Leben auf dem Land jahrhundertelang geprägt haben, die irgendwann durch Technisierung und Industrialisierung verschwunden sind - oder sich der jeweiligen wirtschaftlichen Transformation angepasst haben. Wer weiß heute noch, welche unverzichtbaren Arbeiten der Wagner erledigte? Wer kennt noch einen Schmied oder eine Schmiedin, sofern er nicht gerade Pferdebesitzerin ist? Warum ist von den 66 Mühlen, die 1760 auf dem Gebiet des heutigen Landkreises existierten, nur eine einzige übrig geblieben? Solche und andere Fragen beantwortet "Arbeitswelten".

Eine Kirchturmspitze aus dem Garten

Naturgemäß kann das Klostermuseum nicht mit einer solchen Fülle an Exponaten aufwarten wie das Bezirksmuseum mit seinen riesigen Depots. Doch Karin Alzinger und Regina Schüffner haben es geschafft, die großen Ausstellungstafeln durch etliche lokale Raritäten und Sammlerstücke sowie prägnante Informationen über deren Herkunft mit Leben zu erfüllen. Keine leichte Aufgabe, wie Karin Alzinger bei einem Rundgang erzählt. Immer wieder musste sie hören, dass alte Werkzeuge längst Modernisierungsopfer geworden und entsorgt worden sind. Doch was sie zusammengetragen hat, ist beachtlich, lässt Besucherinnen und Besucher staunen und schmunzeln. Damit werden die Arbeitswelten-Schautafeln partiell zur Kulisse für etliche Altomünsterer Raritäten, wie die besagte Nachbildung der Kirchturmspitze mit ihrer speziellen Geschichte: Spenglermeister Albert Reisner hatte das gute Stück ursprünglich als Dach eines Marterls geschaffen. Irgendwann stand es - seiner eigentlichen Funktion beraubt - in seinem Garten, wurde freundschaftlich requiriert und hat nun einen Ehrenplatz in der Ausstellung.

Dass eine Störschneiderin in ihrem anstrengenden Beruf auch psychologisches Einfühlungsvermögen haben muss, hat die Pipinsrieder Schneiderin Rosmarie Henkel der Geschichtswerkstatt erzählt. Wer sich unter "Störschneiderin" nichts vorstellen kann, sollte der Nähstube nebst Kleidungsstücken aus früheren Zeiten im Museumsforum seine Aufmerksamkeit schenken. Denn darunter befindet sich auch eine kuriose Konstruktion: eine Handnähmaschine ohne Fußteil. Die schleppte die Störschneiderin von Hof zu Hof. Denn damals wurde Kleidung auch auf den großen Höfen noch geflickt beziehungsweise zu hohen Anlässen in heimischer Maßarbeit hergestellt. Oder die Hemden und Hosen der großen Buben wurden für die kleineren passend geändert. Achtsamkeit und Ressourcenschonung waren schon damals lebensnotwendig, wenn auch aus anderen Gründen als heute.

Bügeleisen wurden mit heißer Kohle befüllt

Sollte oder musste die Kleidung geglättet werden, gab es zwar Bügeleisen; aber diese wurden mit heißer Kohle gefüllt und machten die Bügelei zur Schwerstarbeit, zumal die damaligen hochwertigen schweren Leinen- oder Wollstoffe mit den heutigen Billigprodukten aus ausbeuterischer Fabrikation nicht zu vergleichen sind. Mode-Aficionadas werden übrigens vor Neid erblassen, weil Rosmarie Henkel auch ein elegantes maßgeschneidertes Kleid zur Verfügung gestellt hat, das so gar nichts von Vintage an sich hat, sondern topaktuell ist. Aus der Gwand- und Trachtensammlung, die Rosmarie Henkel dem Museumsverein überlassen hat und die der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist, sind in der Ausstellung übrigens auch zwei Stücke zu sehen. Zwei Kleiderpuppen sind ein wenig versteckt auf Stühlen platziert und erinnern an eine stumme Security, die so wie im Film "Nachts im Museum" ein wachsames Auge auf Schuhe, Werkzeuge und einen Hut der besonderen Art hat. Maurer Karl Indich hat ihn fünfzig Jahre lang Tag für Tag und bei jedem Wetter vom ersten Ausbildungstag bis zur Rente nebst seinem Werkzeug getragen. Wenn dieser Hut sprechen könnte, kämen wohl die unglaublichsten Geschichten zutage.

Ein wenig nostalgisch wird es vor den Schauschränken mit Sammlerstücken von Apotheker Peter Schultes: Neben kleinen Medizinbehältnissen für alle möglichen Ingredienzien und Tinkturen, gibt es Sunlicht-Seife, Penaten-Creme und manch andere Verpackung zu sehen. Die vielen kleinen Behälter machen einem übrigens bewusst, wie viele individuell zusammengestellte Medikamente früher einmal aus Apotheker- und nicht aus Pharmakonzern-Hand stammten und wie sehr man heutzutage wieder auf Kunst und Können all derjenigen angewiesen ist, die ihre Arbeit mit Herz, Hand und Verstand erledigen, sei es in der Apotheke, in der Schusterwerkstatt oder der Spenglerei. Schon alleine um dieses Erkenntnisgewinns willen lohnt sich ein Ausstellungsbesuch.

"Arbeitswelten - Geschichte(n) über Handwerk und Gewerbe". Bis zum Sonntag, 30. Juni, im Klostermuseum Altomünster. Öffnungszeiten unter museum-altomuenster.de

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