Amtsgericht Dachau:Softwarefehler mit Folgen

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Die Angeklagten können sich kaum an die Schlägerei erinnern. Doch es gibt ein Beweisvideo. Im Amtsgericht aber funktioniert die Software nicht, der Film kann nicht abgespielt werden. Die Verhandlung wird vertagt.

Gregor Schiegl

Die Erinnerung an den Vorfall ist etwas verschwommen. Es ist zwar erst zwei Monate her, dass die beiden Junkies am Dachauer S-Bahnhof auf einen Bekannten losgegangen sind. Aber die Beteiligten hatten ordentlich gebechert.

Wegen einer Computerpanne kann der Beweisfilm nicht abgespielt werden. (Foto: dapd)

Der ältere Angeklagte, ein 36-Jähriger, hatte zu dem Zeitpunkt der Tat, um 17.30 Uhr, ordentlich Wodka Red Bull getankt und "ein paar Bier". Beim anderen, einem 33-jährigen Zimmerer ergab ein Atemtest einen Wert von 2,28 Promille.

Dennoch hätte der Fall für Richter Lukas Neubeck ein klarer Fall sein können: Ein Zeuge hat die Schlägerei mit dem Handy gefilmt. Nur leider vermasselt eine Kette unglücklicher Umstände, dass Neubeck den Fall zu den Akten legen kann.

Neubeck hat die CD mit dem Beweisfilm auf dem Richtertisch liegen. Sie nützt ihm an diesem Tage wenig: Auf dem Rechner im Gerichtssaal will der Film einfach nicht laufen. Den Augenzeugen selbst hat das Gericht nicht geladen, dafür kommt eine 25-jährige Brucker Polizeiobermeisterin.

Sie ist aber nicht die zuständige Sachbearbeiterin, wie sich herausstellt. Sie hat den Film zwar einmal gesehen, kann aber nur Bruchstücke aus der Erinnerung wiedergeben. Der Richter versucht die Verhandlung zu retten, indem er vorliest, was laut Protokoll wann wo auf dem Film zu sehen ist.

Den zwei Männern auf der Anklagebank wird gefährliche Körperverletzung vorgeworfen, Strafmaß sechs Monate bis zehn Jahre. Der Ältere der beiden sitzt bereits in der Justizvollzugsanstalt Bernau; er wurde in Handschellen ins Gerichtsgebäude geführt. Bei ihm ist nur die Frage, wie lange er noch sitzt. Der andere ist ein freier Mann - noch. Auch er hat zahlreiche einschlägige Vorstrafen.

Da könnte es wichtig sein, ob die beiden wirklich gemeinschaftlich gehandelt haben. Als Einzeltäter, so die Verteidigung, käme statt gefährlicher auch vorsätzliche Körperverletzung in Betracht. Die Strafe könnte dann milder ausfallen.

Der Vorfall, um den es geht, ereignete sich im Oktober vor einem Schnellrestaurants am Dachauer S-Bahnhof. Dort traf der Zimmerer zufällig einen Kumpel, mit dem er noch ein Hühnchen zu rupfen hatte. Ein paar Tage zuvor hatte der seine Frau "blöd angemacht", wie er sagt. "Und ich schau auf meine Frau."

Daraufhin drehte er dem Rivalen den Arm auf den Rücken, bis dieser versprach, künftig die Finger von ihr zu lassen. Dass er den Mann auch noch geschlagen und getreten habe, als er auf dem Boden lag, wie es in der Anklageschrift steht, streitet er ab. "Ich habe versucht ihn zu schlagen", gibt er zu, das schon. Aber er habe nicht getroffen. Er sei zu blau gewesen.

Die Auseinandersetzung des Zimmerers kam dem zufällig des Wegs kommenden Mitangeklagten gerade recht, denn der Junkie hatte mit dem Opfer selbst noch eine Rechnung offen.

Er macht dort weiter, wo der 33-Jährige aufgehört hatte. Er verpasste dem Mann Schläge gegen Brust und Arme. Es sei die Rache dafür gewesen, dass er Gerüchte verbreitet habe. Nämlich dass er es gewesen, der einige Dealer aus seinem Umfeld ans Messer geliefert habe. Der Ruf eines Verräters in der Justizvollzugsanstalt ist kein Spaß.

Dass das Opfer geblutet habe, wie es in der Anklageschrift steht, bestreiten die beide Angeklagte. Fragen kann man das Opfer nicht mehr. Der Mann ist tot, er starb offenbar an einer Überdosis. "Das tut mir auch wahnsinnig leid", sagt der jüngere der beiden Angeklagte. "Wir kennen uns von klein auf, sind zusammen in die Schule gegangen." Er habe sich nach den Schlägen gleich entschuldigt. "Dann sind wir ein Bier trinken gegangen." - Die Verhandlung geht im Januar weiter.

© SZ vom 24.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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