Amtsgericht Dachau:"Eine Waffe zu ziehen, ist ein Schock und keine Bagatelle"

Lesezeit: 3 min

So oder so ähnlich sah die Schreckschusswaffe aus, die der Angeklagte gezogen hat. (Foto: Oliver Killig/dpa)

Bei einem Nachbarschaftsstreit im Landkreis droht ein 22-Jähriger mit einer Pistole. Erst später stellt sich heraus, dass es eine Schreckschusswaffe ist. Der Angeklagte spricht von Notwehr - das Gericht sieht das anders.

Von Anna Schwarz, Dachau

Bei der Verhandlung am Dienstagnachmittag vor dem Amtsgericht Dachau ging es vor allem um eine Frage: Wann darf jemand eine Waffe ziehen und wann beginnt eine Notwehrsituation? Hintergrund war ein Nachbarschaftsstreit im Landkreis Dachau, der im November eskaliert ist. Dabei zog ein 22-Jähriger eine Pistole und bedrohte damit seine beiden Nachbarn, so die Anklage der Staatsanwaltschaft. Erst später stellte sich heraus, dass es sich dabei um eine Schreckschusswaffe handelte. Der 22-Jährige musste sich deshalb wegen Bedrohung vor Gericht verantworten. Der Nachbarschaftsstreit zieht sich schon länger hin, Richter Stefan Lorenz versuchte dabei zwischen den beiden Parteien zu schlichten.

Am Tatabend habe der Angeklagte seine Freunde zu sich nach Hause zum Essen eingeladen, sagt er vor Gericht aus. Als er ihnen auf der Straße einen Parkplatz zuwies, seien seine drei Nachbarn auf einmal auf ihn zugegangen, einer der drei habe ihn sogar gepackt - warum sie das getan hätten, wisse er bis heute nicht. Daraufhin habe er die Schreckschusswaffe gezogen, aber auf niemanden gezielt, so der 22-Jährige in hellblauem Hemd und Jeans: "Ich hatte in diesem Moment verdammt Angst", aus Notwehr habe er dann die Pistolenattrappe gezogen, für die er auch einen Waffenschein hat.

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Es war nicht das erste Mal, dass die Nachbarn aneinander geraten sind: Der Angeklagte sagte aus, dass seine Nachbarn sich ihm öfter in den Weg stellten, wenn er etwa mit dem Auto oder seinem Hund aufbreche. Wegen der Streitereien sei er vor einem Monat auch aus seinem Elternhaus im Landkreis ausgezogen: "Auch meine Mutter denkt darüber nach, das Haus zu verkaufen".

Zudem liegt Richter Lorenz ein weiterer Strafbefehl gegen den 22-Jährigen vor: An Heiligabend soll er seine Nachbarin, mit einem Messer bedroht sowie als Ausländerin und Zigeunerin beschimpft haben. Die Strafe dafür habe er zwar schon bezahlt, aber eine Wiedereinsetzung des Verfahrens beantragt, sagt der Angeklagte und bestreitet die Tat im Sitzungsaal.

"Sie sollten gute Nachbarn sein, indem Sie sich aus dem Weg gehen"

Als Zeuge sagt später ein 22-jähriger Freund des Angeklagten aus, der den Parkplatz vor der Eskalation zugewiesen bekommen hatte. Als er mit dem Auto ankam, habe er beobachtet, dass "drei stattliche Herren" Stress mit seinem Freund hätten und dieser die Waffe gezogen habe. Außerdem sagt er, dass einer der Nachbarn seine Faust gegen die Schulter des Angeklagten gedrückt habe.

Auch der Schwiegervater des Nachbarn ist geladen, der die Auseinandersetzung ebenfalls beobachtet hat. Zwischen den Streitenden habe es keinen körperlichen Kontakt gegeben - trotzdem sei die Situation angespannt gewesen: Der Angeklagte habe mit einer Waffe auf seinen Schwiegersohn und dessen Bruder gezielt. Richter Lorenz rügt das Verhalten des Angeklagten: "Ich sehe die Situation nicht so, dass man da eine Waffe ziehen muss", dazu komme, dass man nachts nicht erkennen könne, dass es eine Attrappe ist.

Die drei Nachbarn sind ebenfalls vor Gericht erschienen, der Richter verzichtet aber auf deren Zeugenaussagen, weil sich der Angeklagte geständig zeigt. Allerdings rät er ihnen: "Sie sollten gute Nachbarn sein, indem Sie sich aus dem Weg gehen", er wolle die beiden Parteien nicht noch einmal hier vor Gericht sehen.

Staatsanwalt kritisiert "martialisches Auftreten"

Auch der 22-Jährige sitzt nicht zum ersten Mal auf der Anklagebank, vor rund sieben Jahren war er wegen Hausfriedensbruchs angeklagt, weil er in die ehemalige Dachauer Papierfabrik eingestiegen war, er bezeichnet die Tat als Jugendsünde.

In seinem Plädoyer kritisiert der Staatsanwalt schließlich, dass der Angeklagte am Tatabend "martialisches Auftreten" gezeigt habe, denn die Pistole habe sowohl für Laien als auch Profis wie eine scharfe Waffe ausgesehen. Positiv bewertet er, dass der Angeklagte damit einverstanden war, dass die Schreckschusswaffe von der Staatsanwaltschaft eingezogen wird. Der Staatsanwalt fordert eine Geldstrafe von 5400 Euro für den Angeklagten, der bei einer Autovermietung arbeitet.

Richter Lorenz zitiert in seinem Urteil aus Friedrich Schillers Wilhelm Tell: "Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt". Er verhängt eine Geldstrafe 3500 Euro. Zu Lasten des Angeklagten sieht er, dass es keinen Angriff auf den Angeklagten gegeben habe. "Eine Waffe auf jemanden zu richten, ist ein Schock und keine Bagatelle".

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