Amtsgericht Dachau:Ingenieur lädt 22 000 Kinderpornos herunter

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Er verliert den Job, scheitert mit einer Firmengründung und wird depressiv. Dann landet er wegen eines schweren Delikts vor Gericht.

Von Robert Stocker, Dachau

Klug, studiert, erfolgreich - der Mann mit den grauen Haaren und dem zerknirschten Gesichtsausdruck stand durchaus schon auf der Sonnenseite des Lebens. Jetzt sitzt er auf der Anklagebank im Saal A des Dachauer Amtsgerichts, weil er sich wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften verantworten muss. Die Ermittler stellten in seiner Wohnung Laptops und digitale Kameras sicher, auf deren Festplatten 156 verschlüsselte Dateien mit insgesamt 22 000 Bildern gespeichert waren.

Auf 6117 Aufnahmen sind Mädchen im Alter von sieben, neun oder elf Jahren zu sehen, die sexuelle Handlungen mit erwachsenen Männern vornehmen. Der heute 64-jährige Angeklagte räumt die Vorwürfe ein. "Ich bereue es sehr, es war ein großer Fehler", sagt er in seinem Schlusswort. Amtsrichter Tobias Bauer verurteilt ihn zu elf Monaten Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Als Auflage muss er sich einer Therapie unterziehen.

Ab 2004 ging es bergab

Das Jahr 2004 war so etwas wie ein Wendepunkt im Leben des Mannes: Er verlor seinen Job als Entwicklungsingenieur bei einem großen Unternehmen in München. Daraufhin gründete er eine eigene Firma. Das Unternehmen scheiterte, weil sein Geschäftspartner ihn hinterging und Geld veruntreute, wie der Angeklagte vor Gericht erklärt. Das Unternehmen musste Insolvenz anmelden, er selbst sogar Privatinsolvenz.

Der Angeklagte wurde depressiv, musste Medikamente einnehmen und wird jetzt therapeutisch behandelt. Seine Frau zog in den ersten Stock des gemeinsamen Hauses, die Ehe steht offenbar kurz vor der Scheidung. "Das hängt auch vom Ausgang des Prozesses ab", sagt der 64-Jährige bedrückt.

Während seiner hochgradig depressiven Phase lud der Angeklagte von 2013 bis 2014 das kinderpornografische Material herunter. Vor Gericht schildert er, wie er die Dateien verschlüsselte, damit Uneingeweihte nicht auf sie zugreifen konnten. "Ich habe gedacht, wenn man die Bilder nicht kauft und weiterverbreitet, ist das nicht strafbar", will er dem Gericht zunächst glauben machen. "Jetzt habe ich kein Interesse mehr an den Bildern."

Der Richter vermisst Reue

Richter Tobias Bauer vermisst beim Geständnis des Angeklagten Reue und Schuldeinsicht. "Sie sind ein äußerst kluger Mensch. Sie können mir nicht erzählen, dass Sie nicht wussten, dass das Runterladen der Bilder strafbar ist und dass Sie dadurch ein schäbiges Treiben fördern", hält er dem 64-Jährigen vor. Hinter jedem einzelnen Bild stehe das Leid eines Kindes, dessen Leben für immer verpfuscht sei.

Für den Richter war die Krankheit des Angeklagten keine Rechtfertigung, die pornografischen Bilder herunterzuladen. Das sieht auch Verteidiger Christoph Baumgärtel so. Doch die Krankheit müsse bei der Strafzumessung berücksichtigt werden. "Mein Mandant hat nicht mehr richtig wahrgenommen, was er tut", sagt der Rechtsanwalt. Ein psychologisches Gutachten und ein ärztliches Attest vom August 2013 stützen die Einlassung des Verteidigers.

Der Angeklagte muss in Therapie

Das Gutachten bescheinigt dem Angeklagten eine organische Depression, die zu einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit, zu Interesselosigkeit und einem Gewichtsverlust führte. Im Attest ist von einer bipolaren Störung die Rede, von manischen Phasen und einem Realitätsverlust, der eine Betreuung erforderlich mache. Der 64-Jährige, der seit 23 Jahren verheiratet ist, wird immer noch psychologisch-psychiatrisch behandelt, nimmt Antidepressiva ein, hat Diabetes und Herzprobleme.

Die Staatsanwältin sieht die Anklage als erwiesen an. "Der Angeklagte hätte erkennen müssen, dass sein Tun strafbar ist", sagt sie in ihrem Plädoyer. Seine Krankheit ist für sie keine Rechtfertigung, dass er 22 000 Bilder herunterlud und diese in verschlüsselten Ordnern versteckte, "die das Ganze verschleiern sollten". Sie fordert eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten zur Bewährung, dazu eine Therapie im Münchner Informationszentrum für Männer als Auflage. "Mein Mandant bereut alles sehr", sagt der Verteidiger in seinem Plädoyer. "Mittlerweile hat er erkannt, dass er erhebliches Unrecht begangen hat." Doch der Angeklagte habe vor seiner desolaten Situation fliehen wollen.

"Ich glaube Ihnen, dass es Ihnen jetzt leid tut", sagt Richter Bauer zum Angeklagten bei der Urteilsverkündung. Er verhängt eine Freiheitsstrafe von elf Monaten zur Bewährung und als Auflage eine Therapie. Das Geständnis des Angeklagten sei viel wert gewesen. "Doch dieser widerwärtige Markt existiert, weil es Leute wie Sie gibt, die das Zeug konsumieren."

© SZ vom 21.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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