Körperverletzung:"Seitdem habe ich meinen Alkoholkonsum exzessiv gedrosselt"

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Das Dachauer Amtsgericht klärt, ob der Einsatz von Pfefferspray bei einer Rangelei Notwehr war oder schwere Körperverletzung. (Foto: N.P.JØRGENSEN)

Bei einer Rangelei auf einem Hallenfest zückt der Angeklagte das Reizgas aus seiner Jacke und verletzt vier Personen. Das Amtsgericht muss klären, ob der damals 18-Jährige das Spray aus Notwehr einsetzte oder grundlos um sich sprühte.

Von Anna Schwarz, Dachau

Pfefferspray darf nur verwendet werden, wenn man selbst angegriffen wird oder jemandem in einer Notsituation helfen will. Der Richter des Amtsgerichts Dachau, Christian Calame, rät trotzdem davon ab. Bei der Verhandlung wegen gefährlicher Körperverletzung am Donnerstagnachmittag sagt er zum 19-jährigen Angeklagten: "Man kann einfach nicht kontrollieren, wen man mit dem Spray trifft." Die Staatsanwältin drückt es noch drastischer aus und sagt zum Angeklagten: "Es ist für'n Arsch, Pfefferspray mitzunehmen, um es in unserer Sprache mal zu sagen." Schließlich könnten Getroffene ihr Augenlicht verlieren.

Der 19-Jährige aus Germering sitzt in apricotfarbenem Hemd auf der Anklagebank, durch seine Brusttasche ist eine Zigarettenschachtel zu sehen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, im April vergangenen Jahres auf dem Hallenfest in Großberghofen gegen 3 Uhr morgens in eine körperliche Auseinandersetzung verwickelt gewesen zu sein und dabei mit dem Pfefferspray um sich gesprayt zu haben. Dabei habe der Angeklagte zwei Sicherheitskräfte und zwei vorbeilaufende Partygäste verletzt, sie erlitten Augenreizungen und bekamen Atemschwierigkeiten. Nun muss das Gericht klären, ob der damals 18-Jährige das Spray aus Notwehr einsetzte oder grundlos um sich sprühte.

"Seitdem habe ich meinen Alkoholkonsum exzessiv gedrosselt"

Laut Alkoholtest der Polizei hatte er an dem Abend etwa 1,6 Promille im Blut. Der Angeklagte sagt aus, dass er bei dem Hallenfest drei bis vier Mass Bier getrunken habe, aber: "Seit dieser Situation habe ich meinen Alkoholkonsum exzessiv gedrosselt." Seine Formulierung bringt die Beteiligten im Sitzungssaal kurz zum Lachen. Dann erklärt er weiter, dass er auf dem Weg zu seinen Freunden war, als ihn jemand im Außenbereich der Zeltparty anredete und fragte: "Was schaust denn so blöd?" Dann habe der Unbekannte nach ihm getreten und wollte ihm einen Faustschlag geben, dem er aber ausweichen konnte.

Daraufhin habe der Angeklagte zum Pfefferspray in der Brusttasche seiner Jacke gegriffen und in Richtung des Angreifers gesprüht: "Ich habe nur versucht, aus der Situation rauszukommen", sagt der 19-Jährige vor Gericht. Das Pfefferspray hatte an dem Abend eigentlich seine Freundin in der Handtasche, später habe er es eingesteckt, sagt er zu Richter Calame.

Vom Nebel des Pfeffersprays getroffen wurden unter anderem zwei Securities, die als Zeugen aussagen. Einer von ihnen habe im Außenbereich des Festes eine Rangelei mit drei oder vier Leuten beobachtet und sei dann mit seinen Kollegen dort hingelaufen. Dabei habe er gesehen, dass der Angeklagte von den anderen gegen eine Mauer geschubst wurde. Daraufhin zückte dieser das Pfefferspray und traf damit zwei zufällig vorbeilaufende Partygäste: Eine 21-Jährige und einen 27-Jährigen, die gerade auf dem Heimweg von dem Fest waren.

"Es hat erst einmal gedauert, bis ich wieder etwas gesehen habe"

Der 27-jährige Elektriker sagt im Zeugenstand: "Ich war auf dem Boden gelegen, es hat etwa eine halbe oder Dreiviertelstunde gedauert, bis ich wieder etwas gesehen habe." Die anderen Geschädigten klagen darüber, dass ihre Augen und ihre Haut wegen des Pfeffersprays sogar noch Tage danach gebrannt hätten und sie zur Augenspülung ins Krankenhaus mussten. Der Angeklagte entschuldigt sich bei ihnen und sagt etwa zu dem 27-Jährigen: "Ich wollte mich in der Situation einfach verteidigen. Es tut mir Leid, dass ich dich mit dem Spray erwischt habe - das wollte ich nicht."

Der 19-Jährige auf der Anklagebank ist kein unbeschriebenes Blatt, er hat schon vier Eintragungen im Bundeszentralregister, etwa wegen Hehlerei, Besitzes von Betäubungsmitteln oder Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Diesmal einigen sich Staatsanwaltschaft und Richter darauf, das Verfahren unter Auflage einzustellen. Der Angeklagte muss einen "DynaMo Kurs" bei der Caritas absolvieren, ein Beratungs- und Behandlungsangebot für jugendliche Alkohol- und Drogenkonsumenten.

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