Abschiebung in Dachau:Verhärtete Fronten

Lesezeit: 4 min

Abschiebungen wie die von Moussa Nomoko sind kein Einzelfall. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Nach der Abschiebung von Moussa Nomoko sind viele ehrenamtliche Helfer frustriert. Das Gefühl, dass die Hilfe umsonst ist, macht sich breit. Landrat Löwl versteht den Unmut, weist eine persönliche Schuld aber von sich

Von Christiane Bracht, Dachau

Die Entrüstung ist groß über die überfallartige Abschiebung von Moussa Nomoko am 21. Juli. Zahlreiche Beschwerdebriefe sind in der Gemeinde Hebertshausen und im Landratsamt Dachau eingegangen, auf Facebook entbrannte eine emotionale Debatte und manch einer hat nicht einmal vor persönlichen Beschimpfungen Halt gemacht, die wiederum Landrat Stefan Löwl (CSU) sehr erzürnen: "Man kann sagen, dass die Regelung unmenschlich ist, aber mir persönlich Unmenschlichkeit vorzuwerfen, ist hart", klagt er. Der Landrat fühlt sich ungerecht behandelt, denn seit 2019 habe seine Behörde alles versucht, um Nomoko einen Aufenthalt zu ermöglichen, doch der habe die Ausbildung zum Bäcker nicht bestanden, damit gebe es kein Bleibeperspektive mehr. Die Asylhelfer jedoch lässt die Vorgehensweise des Landratsamts ratlos und empört zurück.

"Was sollen wir noch machen?", fragt etwa Nanette Nadolski. Sie hilft seit Jahren ehrenamtlich vor allem afghanischen Flüchtlingen in Weichs. Was die Helfer umtreibt, ist die Begründung, die die Dachauer Ausländerbehörde beigefügt hat, als sie dauerhafte Duldung von Moussa Nomoko ablehnte. "Fadenscheinige Begründungen" hätten die Sachbearbeiter herangezogen, klagt Nadolski. So unterstelle das Amt Nomoko, er könne nach acht Jahren immer noch nicht ausreichend Deutsch, da er auf der Berufsschule eine schlechte Note in dem Fach hatte. "Da musste er aber viele Aufsätze schreiben", sagt Nadolski. Als Analphabet, der er bei der Einreise nach Deutschland war, habe Nomoko sich schriftlich schwer getan. Der Gesetzgeber verlange nur, dass die Flüchtlinge eine mündliche Prüfung mit A 2 ablegen können. Besonders verärgert sind die Helfer darüber, dass die Behörde Nomoko als nicht integriert betrachtet habe, weil er nicht allein aufs Amt gekommen sei, sondern in Begleitung eines Helfers. "Gehen wir mit, gelten die Männer als nicht integriert, lassen wir sie alleine gehen, wird getrickst. Ich kann nur alles falsch machen als Helfer", sagt Nadolski. "Dabei ist es doch ein großes Zeichen von Integration, wenn jemand mich um Hilfe bittet, denn es ist kein Spaß, zwei oder drei Stunden auf der Ausländerbehörde zu sein."

Viele Asylhelfer hätten aufgegeben, sie seien frustriert, weil alles negativ ausgelegt werde. Das permanente Misstrauen, was einem entgegenschlüge, zermürbe, so Nadolski. Sie kümmert sich nur noch um die, die sie schon seit sechs Jahren kennt, für Neuankömmlinge steht sie nicht mehr zur Verfügung. Doch wenn sie daran denkt, dass auch diese bald in der Situation sein werden wie Nomoko, werde ihr "himmelangst". "Ich habe das Gefühl, dass wir es nicht schaffen werden, egal wie sehr wir versuchen, alles richtig zu machen", sagt sie und beklagt, dass es keine Zusammenarbeit mit dem Amt gebe. Man werde einfach allein gelassen. "Die Helfer werden abgekanzelt wie unartige Kinder", ärgert sich auch Peter Barth aus Hebertshausen. Er glaubt, dass die Aufgabe der Behörde darin bestehe abzuschieben. Raimund Popp, ebenfalls Helfer in Hebertshausen, erinnert an das Versprechen der Behörde, wenn Nomoko seinen Pass bringe, werde es weitergehen - stattdessen sei er abgeschoben worden. "Ich betrachte das nachträglich als Trickserei", so Popp. Löwl widerspricht vehement: "Es wird immer wieder versucht, Fristen auslaufen zu lassen. Was so aber nicht zu einem Bleibeanspruch führen kann." Er vermisse den Blick der Helfer in beide Richtungen und das Verständnis, dass nicht jeder einen dauerhaften Aufenthaltstitel erhalten kann.

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

Peter Barth verkündete kurz nach der Abschiebung, er werde nicht mehr auf das Amt gehen. "Mir geht ein bisschen die Kraft aus", sagt er. Doch hängen lassen will er seine Schützlinge auch nicht: "Es geht ja um Menschen." Und deshalb beschwört er die Männer, trotzdem zum Deutschunterricht zu gehen, auch wenn er sieht, wie "die Angst aus ihren Augen herauskommt". Der Hebertshauser Bürgermeister Richard Reischl (CSU) weiß bereits von zwölf Flüchtlingen aus dem Landkreis, die aus Angst davor, dass sie dasselbe Schicksal ereilen könnte wie Nomoko, einfach untergetaucht sind. Von der Hand zu weisen, sei es nicht: "Von den letzten elf Abschiebungen waren sieben nach diesem System", so Reischl.

Nomoko ist unterdessen bei seiner Schwester in Mali untergekommen, erzählt Popp, der inzwischen Kontakt zu ihm hergestellt hatte. Der Helfer kümmert sich nun um die Klage gegen den Ablehnungsbescheid. "Es ist der letzte Strohhalm", sagt Popp. Eine Rechtsanwältin arbeitet sich gerade in den Fall ein. Popp gibt sich optimistisch: "Ich gehe davon aus, Moussa Nomoko kommt zurück." Doch so positiv denkt längst nicht jeder. Peter Barth fürchtet, dass es für Nomoko kaum noch Hoffnung gibt, vor allem weil er seine Ausbildung nicht abschließen konnte. "Organisatorisch wäre es kein Problem", sagt Reischl. "Wir hätten Geldgeber und könnten den Rückflug in wenigen Stunden organisieren."

Ob der Aufschrei Nomoko noch helfen wird, bezweifelt auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Schrodi, der in einem offenen Brief seinem Entsetzen über die "harte Haltung der Behörde" Ausdruck verliehen hat. Aber der "tragische Fall", habe eine Diskussion entfacht über eine Gesetzeslücke, die geschlossen werden müsste. Doch mit der Union in der Koalition sei dies "nicht möglich gewesen", sagt er. Schrodi zeigt sich besorgt, über die Flüchtlinge, denen es bald ähnlich ginge.

Bürgermeister Reischl, der erst vor einigen Tagen, das Christliche im Namen der CSU vermisst hatte und die Aktion des Landratsamts als unmenschlich geächtet hatte, musste in den vergangenen Tagen von seinen Parteifreunden einiges einstecken. Einige hätten ihm nahegelegt, die CSU zu verlassen, berichtet er. "Aber es waren keine Entscheidungsträger." Die CSU in Hebertshausen sei eben der einzige Ortsverband im Landkreis mit über 50 Prozent Zustimmung. "Es wäre schwierig, würde man ihn zerstören", sagt Reischl. Austreten will er nicht, lieber von innen heraus verändern, ähnlich wie Theo Waigel seinerzeit. "Mein Leben besteht nicht darin, dass die CSU mit mir zufrieden ist. Ich möchte mich noch im Spiegel betrachten können."

© SZ vom 03.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusKirchseeon
: "Ich habe gelernt, dass Hilfe schnell gehen muss"

Ahmed Alkhayat und Daham Aljaffal flohen vor dem Krieg in Syrien nach Deutschland. Nun engagieren sie sich bei der Freiwilligen Feuerwehr in einem bayerischen Dorf - das von ihren Kriegserfahrungen in Nahost profitiert.

Von Mohamad Alkhalaf

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: