Dachau:Ein Jahrhundertleben

Lesezeit: 2 min

Der Dachauer Oberbürgermeister Florian Hartmann und die stellvertretende Landrätin Marianna Klaffki (beide SPD) sind gekommen, um Edelfriede Hera zum 100. Geburtstag zu gratulieren. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Geheimnis der Dachauerin Edelfriede Hera, um volle 100 Jahre alt zu werden? Viel Tee, eine Banane am Tag und "dass man was tut".

Von Martin Wollenhaupt, Dachau

Als Edelfriede Hera die Hände ihrer Gäste schüttelt, fragt sie mit mütterlicher Fürsorge: "So kalte Hände?" Ja, kalt ist es draußen, aber um die anderen soll es heute nicht gehen: Denn die Gäste sind Geburtstagsgäste und Edelfriede Hera ist 100 Jahre alt geworden.

Wie viele Hände sie in einem Jahrhundert bereits geschüttelt hat, kann man nur vermuten. Fest steht aber: Wer so lange dem Welttreiben beiwohnt, hat nicht nur oft mit einem festen Händedruck "Grüß Gott" und "Auf Wiederschauen" gesagt, sondern nebenbei auch viel erlebt: Edelfriede Hera wächst in Brünn im heutigen Tschechien auf. Als Kind von Krautbauern erlebt sie, wie das Kraut von den Feldern geholt, daraus Sauerkraut gemacht, und anschließend in kleinen Fässern am Markt verkauft wird. In ihrer Jugend geht Hera gerne zum Turnverein. Als sie älter wird, arbeitet sie als Büroangestellte. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird sie aus ihrer Heimat vertrieben und landet 1948 als Witwe im beschaulichen Dachau.

Zwei Kinder und fünf Enkelkinder hat die Dachauerin

Weil sie auf der Flucht lungenkrank wird, bezieht Edelfriede Hera Frührente und kümmert sich fortan um ihre zwei Kinder Gerlinde und Dieter. Später kommen noch fünf Enkelkinder dazu. Sie engagiert sich in der Sudetendeutschen Landsmannschaft, singt in einem Dachauer Chor, und, wenn sie einmal Zeit für sich hat, strickt sie gerne. Heute noch entlocken ihre selbstgestrickten Jacken und Decken den Pflegerinnen und Pflegern ein "Mei, san die schee!"

"Es geht halt alles bisserl langsamer."

Wenn eine Pflegekraft oder einer ihrer fünf Enkel zu Besuch ist, malt sie gerne Mandalas, löst Kreuzworträtsel und spielt Gesellschaftsspiele. Auch ein Spaziergang an der frischen Luft bereitet ihr im hohen Alter noch Freude. Die zwei Stockwerke an Treppenstufen, die ihre Wohnung vom Bürgersteig trennen, machen der 100-Jährigen nichts aus. "Es geht halt alles bisserl langsamer", sagt Edelfriede Hera, aber das muss in dem Alter ja wohl erlaubt sein.

An ihrem 100. Geburtstag erwartet sie hohen Besuch. Der Oberbürgermeister Florian Hartmann und die stellvertretende Landrätin Marianne Klaffki (beide SPD) sind gekommen. Es wird viel gratuliert, man singt ein "Zum Geburtstag viel Glück" und staunt über das Geburtstagskind, das im hohen Alter körperlich noch so fit und gut gelaunt da sitzt. Blumensträuße schmücken den Esstisch, an dem nun alle Platz nehmen, Weißwürste werden aufgetischt. In der kleinen Wohnung herrscht munterer Trubel.

Tochter Gerlinde, die heute im selben Haus wohnt und sich um ihre Mutter kümmert, hat sie seit Jahrzehnten begleitet und verrät das Rezept, mit dem man die 100 erreicht: "Meine Mutter trinkt nur Tee, einen schwarzen am Morgen, einen grünen am Nachmittag. Und, ganz wichtig, jeden Tag eine Banane." Wenn man Edelfriede Hera selbst fragt, was es denn nun sei, das Geheimnis zu einem langen Leben, sagt sie entschieden: "Dass man was tut."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusKZ-Gedenkstätte Auschwitz/Birkenau
:Seite an Seite

Eine Dachauer Delegation reist zu den Gedenkfeierlichkeiten anlässlich des 78. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz. Zum ersten Mal kommen auch zwei Vertreter des Jugendkreistags mit in den Partnerlandkreis Oświęcim. Über einen Besuch bei Freunden und den Spagat zwischen Vergangenheit und Zukunft.

Von Jacqueline Lang

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: