Dachau:"Der Preis hilft, die Kleinen groß zu präsentieren"

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Die Auszeichnung hat der Bigband Dachau neue Türen geöffnet: Demnächst erscheint ihr Live-Auftritt mit Jimi Tenor als CD

Interview von Eva Waltl, Dachau

Tom Jahn, Leiter der Bigband Dachau, einem funkelnden Ableger der traditionsreichen Knabenkapelle Dachau, erinnert sich gerne an das Jahr 2018 zurück, als die Musiker noch umringt von tanzenden Menschenmassen lautstark ihren glitzernden Sound in die Welt hinaustragen konnten. Es war auch das Jahr, in dem das junge Ensemble mit dem renommierten Tassilo-Kulturpreis der Süddeutschen Zeitung ausgezeichnet wurde.

SZ: Herr Jahn, vor drei Jahren wurde die Bigband Dachau mit dem Tassilo-Kulturpreis ausgezeichnet . Welche Türen konnte der Preis dem Ensemble öffnen?

Tom Jahn: Die öffentliche Wahrnehmung der Dachauer Bigband hat sich verändert. Dank des Preises konnten wir den Namen unserer Stadt unter einer anderen Konnotation als bisher eher im historischen Kontext verbreiten. Nun verbindet man Dachau auch mit einem glitzernden Disko-Event, das darauf aus ist, Tanz und Liebe in die Welt hinauszuschießen. Mit der Auszeichnung wurde die Bigband in eine andere Kategorie gesteckt. Der Preis hilft, die lokale Kultur nach vorne zu bringen und die Kleinen groß zu präsentieren. Es ist eine Ehre für uns, dass unser Konzept in vielen kulturellen Kontexten funktioniert, sowohl im Biergarten als auch als durchgeknalltes Technoorchester auf Festivals.

Folgte diesem wachsenden Ansehen auch ein Platzregen von Auftritten?

Ja, wir konnten seitdem viele coole Sachen machen. Ein besonderes Highlight war für mich das Lob, das wir von Schwergewicht Leslie Mandoki bei der Preisverleihung erhielten und dass ich für Martin Schmitt, einen bekannten Boogie-Pianisten, arrangieren konnte und wir mit ihm den Saal dermaßen gerockt haben. Im Oktober 2019 spielten wir ein Konzert mit Jimi Tenor, dem internationalen Techno-Star, das am 16. April als Live-CD erscheinen wird. Es ist ein Ritterschlag, dass ein Blasverein aus Dachau, eine alteingesessene Kapelle, nun bei einem angesehenen Label eine Platte veröffentlicht.

Tom Jahn ist ein wahrer Wirbelwind auf der Bühne, was ihm auch den Spitznamen "Tom Tornado" eingebracht hat. Er leitet die Bigband Dachau, die ebenfalls immer mächtig Power auf die Bühne bringt. (Foto: privat)

Kann man das nach drei erfolgreichen Jahren überhaupt noch toppen?

Der Auftritt mit Jimi Tenor verhalf uns zu internationaler Beachtung. Ich denke, dass wir mit diesem CD-Release bei größeren Festivals eine andere Wahrnehmung finden werden. Derzeit arbeiten wir an der Promotion des Albums und im Herbst werden wir bei dem Digitalanalog-Festival im Gasteig München gemeinsam mit Jimi Tenor Headliner sein, sofern das coronabedingt möglich sein wird.

Die Pandemie beeinflusst auch den Alltag der Bigband. Der Festivalsommer 2020 fiel komplett aus, Proben waren nur digital möglich. Wie groß ist die Sehnsucht nach dem Verrücktsein auf Bühnen und nach Spielen in Biergärten?

Die Sehnsucht ist groß. Allgemein erzeugt so eine Restriktion ja immer einen Fokus auf die Zwischenmenschlichkeit, auf die Mitmenschlichkeit: Nach den verschiedenen Lockdowns werden wir Freundschaften, Begegnungen, gemeinsame Zeit wieder viel mehr wertschätzen. Das Loslassen, das Sich-selbst-in-Trance-Spielen und mit dem Publikum zusammen eine Herzensenergie zu erzeugen, das macht uns zu Menschen - und das wird in verstärktem Maße zurückkommen. Es macht total Spaß, Tanzkonzerte zu spielen. Wenn das Publikum auf die Musik mit dem Herzen reagiert, hat sich jede Note, all der Mut gelohnt. Derzeit fehlt uns die Regelmäßigkeit der Proben, und es wird etwas dauern, bis die Band wieder da ist, wo sie war, aber wir sind guten Mutes.

Wie waren die vergangenen Monate für Sie persönlich?

Die Situation gibt jedem von uns die seltene Gelegenheit der Innenschau und transportiert auf allen Ebenen all das ans Tageslicht, um das man sich sonst nicht kümmern kann. Die Tage im Lockdown waren für mich sehr produktiv. Mein Motto, das wir uns auch mit der Bigband gesetzt haben, lautete: Tu das was Du kannst, da wo Du bist, mit dem, was du hast. Im Frühjahr vergangenen Jahres habe ich oft am Klavier gesessen und meine Soloplatte aufgenommen. Genau das, was ich schon immer machen wollte. Und überhaupt: Wer, wenn nicht wir Künstler, könnte solche Restriktionen kreativ umsetzen? Ich sehe ganz deutlich ein Licht am Ende des Pandemietunnels. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Bigband Dachau, wie die ganze Kulturszene, bald wieder voll am Start ist, geläutert, erneuert, mit neuen Ideen, neuem Drive, neuer Energie.

© SZ vom 03.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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