Münchner Momente:Radikal Radlos

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Mit ihrer integrierten Walkability-Strategie will die CSU Zu-Fuß-Gehenden Gutes tun - und schützt zugleich das natürliche Habitat der Autos.

Die CSU ist, man vergisst es gerne, die Partei des Artenschutzes. Mit Vitamin B hat man die von Neidern bedrohten Maskenhändler gepäppelt. Und aktuell engagieren sich die Christsozialen für die gefährdete Spezies der Zu-Fuß-Gehenden. Diesen Radlosen zuliebe hat die CSU sogar einen Antrag im Rathaus gestellt: Die Stadt solle rasch die Walkability verbessern. Walkability? "Es kann auf Deutsch in etwa mit ,Begehbarkeit' übersetzt werden", so dolmetscht die CSU. Fußgängerfreundlichkeit 4.0. Sie benötige eine "groß angelegte wissenschaftliche Studie", und es gelte, Hindernisse und Barrieren abzubauen. "Die Walkability in München muss erhöht werden." Ist Walkability das neue Autofahren?

Gemach! Die CSU ist und bleibt die Partei der Auto-Schützer. Ihr gelingt mittels integrierter Philosophie, den Schutz des Lebensraums von Porsche und BMW mit dem von Omas und Opas und Kindern glaubwürdig zu verbinden. Söders Rathaustruppe geht strategisch vor.

Vergangenes Jahr widmete sich die CSU der natürlichen Ruhezone der Autos, dem Fußweg. Weil Halteverbotsschilder vor allem in Wohngebieten in Bogenhausen "sprießen", ist die CSU alarmiert. Das ohnehin verbotene Gehwegparken zu verbieten, ist der Partei zu viel Law and Order! Man hat doch schon immer aufm Fußweg geparkt, es gilt, diese Tradition zu bewahren. Die Illegalen am Straßenrand zu sanktionieren, würde zudem das Projekt der Walkability gefährden.

Wenn die CSU jetzt Hindernisse auf den Fußwegen bekämpft, meint sie nicht SUVs oder Kleintransporter, die leben ja schon immer hier, sie denkt im Wortsinn radikal: Wurzeln alter Bäume drücken hie und da das Gehwegpflaster nach oben. Für solche Stolperfallen solle die Stadt eine Meldeplattform schaffen. Weil aber auch eine digital registrierte Plattenheberwurzel einem das Bein brechen kann, denkt die CSU heimlich weiter. Der beste Schutz ist, den Fußweg abzuriegeln. Und wie ginge das besser als mit Autos, die auf dem Trottoir parken, die auf Fußgängerfurten ausruhen? Am besten so dicht und so clever, dass erst gar keine Seniorin mit ihrem Rollator bis auf das gefährliche Terrain vordringt. Das schützt zuverlässig vor dem Stolpern.

Unterstützung im Rat der Stadt dürfte der CSU sicher sein. Die grün-roten Autofahrer*innen-Versteher*innen werden die integrierte Walkability-Strategie goutieren. Denn parkende Autos schützen nicht nur die Menschen, sondern auch das Klima, weil sie keine Abgase ausstoßen.

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