CSU in München:Die neue Protestpartei

Lesezeit: 1 min

In den goldenen Zeiten hatte die CSU ein feines Gespür für die Bedürfnisse der Wähler. Doch die Fähigkeit scheint der Partei abhanden gekommen zu sein. Jetzt experimentiert die CSU herum. Doch ob das den gewünschten Erfolg bringen wird, ist zweifelhaft.

Peter Fahrenholz

Zu den Erfolgsrezepten der CSU in ihren goldenen Zeiten gehörte ein feines Gespür für die Bedürfnisse der Wähler. Das erlaubte der Partei, in vielen Fragen gleichzeitig dafür und dagegen zu sein und so alle Positionen ihrer Klientel abzudecken. Doch die goldenen Zeiten sind vorbei, und heute gäbe die CSU viel dafür, wenn sie wüsste, was ihre Wähler eigentlich wollen. Also experimentiert sie herum, im Großen wie im Kleinen.

Im Großen soll die Atomwende die Partei wieder näher an ihre Wähler bringen, obwohl man schon vorher hätte wissen können, dass die Mehrheit der Kernkraft kritisch gegenübersteht. Im Kleinen, auf kommunaler Ebene, ist die politische Experimentierphase der CSU zwar nicht so spektakulär, aber nicht minder interessant. Denn ausgerechnet die Partei von Law-and-Order geriert sich immer öfter als Protestpartei.

Wo immer lokale Widerstände gegen ein Projekt aufflammen, ist die CSU vorne mit dabei. Dass die rechtlichen Bedingungen oder die Beschlusslage in anderen Gremien dagegen stehen, ficht die CSU neuerdings nicht mehr an. Also agitiert sie auf lokaler Ebene gegen die zweite Stammstrecke und damit gegen die eigene Landesregierung. Oder kämpft mit einer Protestbewegung, die eher nicht die CSU wählt, für den Erhalt der Schwabinger 7, in die der typische CSU-Anhänger eher nicht hineingeht. Und in den Bezirksausschüssen kommt es immer wieder vor, dass die CSU-Vertreter gemeinsam mit den anderen votieren, und anschließend der CSU-Ortsverband oder die Stadtratsfraktion erklärt, warum man dagegen ist.

Ob damit der Wettlauf mit den Grünen zu gewinnen ist, deren Boom die CSU auch in der Region mit Sorge verfolgt, ist zweifelhaft. Die CSU könnte am Ende erleben, was sie früher selber gerne jenen vorgehalten hat, die ihre Erfolge kopieren wollten: Dass die Wähler lieber zum Schmied gehen, statt zum Schmiedl.

© SZ vom 04.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: