Crowdfunding-Projekt:Vom Junkie zum Weltmeister

Lesezeit: 4 min

Der ehemalige Heroin-Junkie Gregor Gumppenberg will erneut Schlittenhunde-Weltmeister werden. (Foto: Lukas Barth)

Elf Jahre nach seinem Titel will Gregor Gumppenberg erneut Schlittenhunde-Weltmeister werden - und mit diesem Projekt seine Drogensucht endgültig überwinden.

Von Katharina Blum

Als sich die Wolken vor die Sonne schieben, wird es kühl in Tutzing. Also spenden die Hunde ein bisschen Wärme. Gregor Gumppenberg schnappt sich Kafka, der hat schließlich besonders viel davon zu geben. Schon bei der Geburt war er so groß und schwer, dass er den Geburtskanal verstopfte und schuld daran war, dass er und die anderen fünf Welpen per Kaiserschnitt geholt werden mussten.

Über Gregor Gumppenberg kann man zwei große Geschichten erzählen. Die eine könnte "Vom Junkie zum Weltmeister" heißen und von seiner Wandlung vom Heroinsüchtigen zum besten Schlittenhundeführer der Welt handeln. 2008 war das, als er nach drei Tagen im norditalienischen Pian Cansiglio mit seinen wilden skandinavischen Hounds als Erster und mit mehr als zwei Minuten Vorsprung vor der Konkurrenz die Ziellinie überquerte. Diese Story enthält eigentlich schon ausreichend viele Hollywood-Elemente, allerdings kein Happy End.

Dieses könnte die zweite Geschichte liefern, bei der Kafka und die anderen Welpen womöglich eine Hauptrolle übernehmen könnten, die aber noch einen eher fragilen Arbeitstitel trägt: "Der Traum vom Weltmeister 2019 - Therapie mit Schlittenhunden." Elf Jahre nach seinem Titel will der 41-Jährige abermals Weltmeister werden. Und mit diesem Projekt seine Drogensucht endgültig überwinden. Fragil ist sie vor allem auch, weil über ein Crowdfunding-Projekt erst noch das nötige Geld beschafft werden muss.

Touren durch die Stadt
:München für Vierbeiner

Man hat es gut in München - als Hund. Ideen und Adressen für einen perfekten Tag.

Von Katharina Blum

Das ist auch der Grund, warum aus seiner Vita eine Geschichte geworden ist, die man nun vermarkten muss. Natürlich entfachen Bilder von putzigen Welpen, wie Kafka einer ist, enorme Begeisterung, öffnen aber nicht unbedingt auch Geldbeutel. Das schafft vermutlich eher das Video, das sie für das Projekt gedreht haben. Es beginnt mit Fotos aus der Kindheit, wo alles noch so aussah, als würde Gumppenberg ein normales, behütetes Leben führen. Bis zur sechsten Sekunde. Dann folgen die Schlagworte, die kommen, als der Stoff begann, seine Biografie zu diktieren: "mit 12 erster Drogenkontakt", "mit 15 heroinabhängig", "12 Jahre das ganz harte Zeug".

Wie das alles angefangen hat? Mit der Trennung der Eltern. "Irgendwie wollte ich sie dafür bestrafen. Bin lange weggegangen oder kam gar nicht mehr nach Hause." Er kiffte, kokste, warf sich Pillen ein und spritzte. Oder alles gleichzeitig, ohne Pausen. Das Ganze begleitet von manischen Phasen, ausgelöst durch eine bipolare Störung, die Ärzte später diagnostizieren werden. Als Gregor Gumppenberg schließlich im Krankenhaus entgiftete, war der körperliche Zerfall nach wenigen Monaten schon so weit fortgeschritten, wie er bei anderen Junkies erst nach Jahren zu beobachten ist. "Für mich gab es immer nur das Extreme", sagt Gumppenberg, während er sich zurück an die Wand der Holzhütte lehnt und an einer Zigarette herumfingert. "Entweder ganz oder gar nicht."

Im Video läuft Sekunde 15: "Und dann kamen die Hunde" - das ist jetzt vielleicht ein bisschen viel Klischee, aber für den gebürtigen Münchner beginnt der Einstieg ins neue Leben tatsächlich im September 2001, im Wald, im Nirgendwo. In der Flainitzmühle bei Frauenau im Bayerischen Wald besuchte er Thomas Gut, der dort nach eigenen Angaben die erste deutsche Schlittenhundeschule betreibt. In der sogenannten Waldschrat's Adventure Company wird natur- und tierliebenden Winterurlaubern die Fahrtechnik im Schlitten und der Umgang mit Huskys beigebracht.

"Es gibt Menschen, die können ohne Partner sein, ohne Arbeit sein. Ich kann nicht ohne meine Hunde sein." (Foto: Lukas Barth)

Auch Gumppenberg gefiel es dort. Er blieb bei Gut, kutschierte zunächst Touristen durch den Wald und begann dann, selbst Hunde zu züchten. Keine reinrassigen Huskys, wie man sie bei einem Schlittenhunderennen erwartet, sondern ein Mix aus Husky, Vorstehhund und Pointer. Für ihn sind die Huskys die Tourenwagen der Hunderennen, seine skandinavischen Hounds die Formel Eins.

Und seine Hunde waren dann auch schnell, er formte ein Team aus ihnen, mit dem er schon nach wenigen Monaten erstmals bayerischer Meister wurde. 2005 dann deutscher Meister, 2008 schließlich der Weltmeistertitel. Sportlich ein steiler Aufstieg, der ihn im Leben vor dem Abstieg bewahrte. Die Hunde haben ihm den Weg raus gezeigt, sagt er. Raus aus der Drogenhölle. "Wo ich keine Verantwortung für mich übernehmen konnte, hatte ich keine andere Wahl mehr, als Verantwortung für sie zu übernehmen."

Doch dann musste Gregor Gumppenberg mehr Verantwortung übernehmen, nicht mehr nur für seine Hunde. Für ihn womöglich zu viel Verantwortung. Er wurde Vater: eine Tochter, ein Sohn. Schlittenhundesport aber ist in Deutschland eine Randsportart, wo kaum einer Dutzende Sponsoren und Werbeverträge hat. Nicht mal ein Weltmeistertitel ändert viel daran. Die Hunde müssen versorgt werden, dazu kommen Material und Reisekosten für die Rennen und Trainingslager. Für seinen Projekt "Weltmeister 2019" kalkuliert der 41-Jährige mit Kosten von mehr als 64 000 Euro für die nächsten drei Jahre.

Neben dem Sport noch eine Familie zu ernähren, ging schon damals nicht. Also nahm Gumppenberg einen Job in der PR-Agentur seines Vaters an. So wurde die Zeit auf dem Schlitten weniger, die Erfolge blieben aus, Sponsoren sprangen ab. Die Familie unterstützte ihn finanziell, aber auch das ging nicht lange. Gumppenberg fühlte sich zerrissen, hatte das Gefühl, niemandem gerecht werden zu können. Nicht dem Job, nicht seiner Familie und auch nicht seinen Hunden. Die Beziehung zur Mutter seiner Kinder zerbrach. "Es gibt Menschen, die können ohne Partner sein, ohne Arbeit sein. Ich kann nicht ohne meine Hunde sein."

Zurück im Nirgendwo: In der Holzhütte einer Freundin hat Gregor Gumppenberg ein neues Zuhause gefunden. (Foto: Lukas Barth)

Über den Tag, als Gumppenberg die letzte Hündin abgab, sagt eine Freundin: "Ich wusste, dass er entweder gleich das Auto gegen einen Baum setzen wird oder am nächsten Tag wieder an der Nadel hängt." Und ihr mieses Gefühl trog sie nicht: Gregor Gumppenberg drückte noch am selben Abend wieder ab. Was dann passierte, fasst das Video so zusammen: 2013 Schlittenhundesport aufgegeben, 2014 Rückfall, 2015 totaler Absturz, Therapie, Rückfall, Therapie.

Doch es soll nicht der Beginn eines ewigen Zyklus sein. Kein Rennen, das nie endet. Deshalb lebt Gumppenberg nun wieder im Nirgendwo, mit seiner Hündin Momo und den sechs Welpen. Bis zum Sommer hat ihm die Freundin die kleine Holzhütte am Weiher überlassen. Mit ihren drei Wochen verbringen die Welpen den Großteil des Tages zwar noch schlafend unter der Holzbank vor der Hütte, aber schon bald wird Gumppenberg anfangen, mit ihnen zu trainieren. Mit Pamuk, Chilli, Cosmo, Vito, Kenya und natürlich dem dicken Kafka.

Wahrscheinlich werden nicht alle Weltmeister mit ihm werden. Erst mal geht es darum, wie viele überhaupt bleiben können. Das hängt maßgeblich davon ab, wie viel das Crowdfunding-Projekt einbringt. "Es wird kein professionelles Fahren geben, wenn nicht genügend Geld zusammenkommt." Ohne Hunde will Gregor Gumppenberg nie wieder sein, das ist klar. Deshalb versucht er gerade parallel etwas aufzubauen, paukt für eine Trainierlizenz, will Hunde zur Betreuung aufnehmen und kümmert sich mit einer Freundin um den Vertrieb von Hundeaccessoires und Futter.

Für das Projekt bleiben noch acht Tage, 100 Unterstützer hat es schon. Noch also lebt der Traum vom Titel: "Das ist so ziemlich die einzige Sache in meinem Leben, über die ich sage: Darin bin ich gut, das kann ich." Und einmal möchte er unbedingt noch gut sein.

© SZ vom 07.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: