Stadtverwaltung:Warum es in der Gebührenstelle für Kitas so viel Chaos gibt

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Chaos bei der Gebührenerhebung: Viele Eltern sind genervt, weil sie zu viel für die Kita ihrer Kinder bezahlen oder monatelang auf eine Rechnung warten. (Foto: N/A)
  • Viele Eltern haben Ärger mit der Gebührenstelle für Kitas in München.
  • Mancher wartet monatelang auf eine Abrechnung, bei anderen werden die Gebühren doppelt eingezogen.
  • Die Gründe für das Chaos sind vielfältig.

Von Melanie Staudinger

Monatelang klemmte sich Martin S. hinter sein Telefon, mehrmals pro Woche rief er im Bildungsreferat an. Doch da war entweder belegt oder es ging niemand ran, so schildert es der Familienvater. Er wollte nur wissen, wie viel er für Kindergarten und Hort zahlen muss. Von Oktober bis Januar wählte sich Martin S. die Finger wund, dann endlich, hatte er einen Mitarbeiter in der Leitung.

Dessen Antwort fiel allerdings wenig zufriedenstellend aus: Er müsse noch warten, sagte der Herr am Telefon. Schließlich seien noch nicht einmal alle Fälle aus dem Jahr 2014 abgearbeitet. Er solle aber schon einmal Geld auf die Seite legen. Denn irgendwann werde ihn die große Rechnung erreichen.

Keine zwei Wochen später bekam S. tatsächlich Post, zwei Briefe auf einmal. Der eine beinhaltete den Gebührenbescheid für das ältere Kind, gut 400 Euro muss die Familie bezahlen. Für das jüngere soll sie plötzlich alle Formulare noch einmal einreichen. Warum? Das steht dort nicht. "Kann man nicht davon ausgehen, dass, wenn beides meine Kinder sind, auch die Unterlagen dieselben sind?", schimpft S. Doch selbst wenn er widerstandslos alle Papiere zusammengetragen hätte, die Auflagen hätte er nicht erfüllen können: Die Frist für deren Einreichung war bereits abgelaufen, als S. die Post bekam.

Chaos bei der Gebührenerhebung

Wer in diesen Monaten mit der zentralen Gebührenstelle des Bildungsreferats zu tun hat, könnte fast verzweifeln. Neben den Abrechnungsproblemen im Sozialreferat und den zu langen Wartezeiten in den Bürgerbüros ist diese Abteilung eines der größten Sorgenkinder in der Stadtverwaltung. Zu wenig Personal muss zu viel arbeiten.

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Für die Eltern, die ihre Kinder in Krippen, Kindergärten, Tagesheimen oder Horten untergebracht haben, bedeutet das: Die einen warten auf Rückzahlungen, andere werden zweimal zur Zahlung aufgefordert, einige wissen noch nicht einmal, was sie überhaupt zahlen sollen. Wie viele Fälle aktuell unbearbeitet sind, ist derzeit nicht bekannt.

Zu wenige Mitarbeiter in der Gebührenstelle

In einem Brief an die Familien hat die Gebührenstelle eingeräumt, dass sie große Schwierigkeiten habe, "die ihr übertragenen Aufgaben zeitnah und zu Ihrer Zufriedenheit zu erfüllen". Das Durcheinander bei der Abrechnung soll nun auch Thema im Stadtrat werden. Die Grünen sprechen von "absolut chaotischen Zuständen" und fordern Aufklärung. Das Bildungsreferat ist um Schadensbegrenzung bemüht.

Tatsächlich ist die zentrale Gebührenstelle im vergangenen Jahr alles andere als gut besetzt gewesen. Auf dem Papier verfügte die Abteilung über 46,5 Vollzeitstellen. Davon waren nach Angaben des Bildungsreferats 18,5 zeitweise unbesetzt, also knapp 40 Prozent. Auch jetzt liest sich die Bilanz kaum besser: Von 55 Mitarbeitern fehlen 19, acht Jobs konnten mittlerweile vergeben werden. "Die Besetzung von weiteren sechs bis acht Stellen steht unmittelbar bevor", sagt die Sprecherin des Bildungsreferats. Damit würde sich zumindest die Personalsituation entspannen.

Fehler können passieren - aber in dieser Menge?

Doch die neuen Kollegen müssen erst eingearbeitet werden. Und das von Menschen, die seit Monaten am Limit arbeiten. Dass Fehler passieren, verstehen viele Eltern. Es sind dennoch Fehler, die für sie ärgerlich und teuer sein können. Etwa, wenn Datensätze vertauscht werden. Das ist einer Münchner Familie widerfahren, die ihr Kind für ein Tagesheim angemeldet hatte. Eine Rechnung kam aber von der Willy-Brandt-Gesamtschule. Weder Vorname noch Adresse stimmten überein, trotzdem wurden die Kinder verwechselt.

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Die Stadt reagierte lange nicht. Erst ging dort keiner ans Telefon, dann erzählte man der Mutter, die Sache sei geklärt, plötzlich war das Konto gepfändet. Über Nacht kam die Frau nicht mehr an ihr Geld heran. Der Fehler müsse im Computersystem namens K@rl liegen, teilt das Bildungsreferat mit. Die Gebührenstelle sei dafür nicht verantwortlich, habe aber geholfen, das Problem zu lösen. Eingesetzt haben sich die Mitarbeiter in einem anderen Fall auch für die Familie, der fast 700 Euro zu viel vom Konto abgebucht wurden. Muss die Einrichtungsleitung gewesen sein, hieß es. Statt einer Rückzahlung gab es aber erst einmal eine weitere Abbuchung. Und damit erneut Ärger.

Die Gebührenstelle leidet aber nicht nur unter Personalmangel. Ihr werden auch immer mehr Aufgaben übertragen. Seit September berechnen die Mitarbeiter nicht mehr nur die Kita-Gebühren der städtischen Einrichtungen, sondern auch für alle Träger, die am freiwilligen Zuschusssystem der Stadt, der Münchner Förderformel, teilnehmen. "Dadurch sind mehrere Tausend zusätzliche Fälle zu bearbeiten", schreibt die Gebührenstelle. Und in jedem Einzelfall müssen die Beiträge eigens berechnet werden, da sie sich nach der Höhe des Einkommens richten. Das Computersystem schaffe das nur unzureichend, schreibt die Gebührenstelle.

Und als wäre dieses alltägliche Chaos nicht genug, kam auch noch der Kita-Streik im vergangenen Frühsommer dazu. Mit dessen Auswirkungen kämpft die Gebührenstelle nach eigenen Angaben bis heute: Noch immer hätten nicht alle Eltern ihr Geld für die Tage zurückerhalten, an denen sie wegen des Ausstands von Erziehern, Kinderpflegern und Sozialpädagogen keine Betreuung für ihr Kind hatten - obwohl der Stadtrat fünf zusätzliche Stellen für genau diese Arbeit genehmigt hat. Zu kompliziert und zeitaufwendig ist die Berechnung, heißt es.

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Die Computersysteme zicken

Dazu kommt: Im Dezember ist die Gebührenstelle mit der kompletten Abteilung Kita umgezogen. Seitdem gibt es keine Warteschleife der Telefonanlage mehr, Anrufer kommen nicht mehr durch. Zu Beginn des Jahres versagte dann das Computersystem gänzlich. Eltern, die die Kita-Gebühren monatlich von ihrem Konto abbuchen lassen, erhielten eine Zahlungsaufforderung für Dezember. Die Folge: "Aktuell sind unsere Sachbearbeiter damit beschäftigt, die Flut der Rückfragen, die diesbezüglich per E-Mail, Brief, Telefon oder im Parteiverkehr eingehen, zu beantworten", erklärt die Gebührenstelle. Zum normalen Geschäft kommen sie noch weniger.

So werden sich viele Eltern noch Monate gedulden müssen. "Ziel ist es, dass die Bescheide für das Kindergartenjahr 2015/16 grundsätzlich bis zum Ende des Kita-Jahres abgearbeitet werden", sagt die Sprecherin des Bildungsreferats. Fehler der Verwaltung sieht sie nicht, und die Frage, ob sich die Spitze des Hauses etwas vorzuwerfen habe, bleibt auch nach mehrmaligen Nachhaken unbeantwortet.

Kommenden Mittwoch und Donnerstag braucht bei der Gebührenstelle im Übrigen niemand anrufen. Da bleibt sie wegen einer Fortbildung komplett geschlossen: Die Mitarbeiter sollen lernen, Abläufe zu beschleunigen.

© SZ vom 13.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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