Kinderbetreuung in München:Eine halbe Milliarde für die Kitas

Eröffnung der Kinderkrippe in der Himmelschlüsselstraße 1

Erst in der vergangenen Woche eröffnete in München wieder eine neue Krippe, dieses Mal in der Himmelschlüsselstraße in der Lerchenau.

(Foto: Florian Peljak)
  • Die Stadt München investiert ein halbe Milliarde Euro in den Bau von Kindergärten und Krippen, um die steigende Nachfrage nach Betreuungsplätzen befriedigen zu können.
  • Insgesamt plant der Stadtrat bis 2020 14 700 neue Plätze.
  • Allerdings: Die Erzieherstellen sind nur schwer zu besetzen.

Von Melanie Staudinger

Es ist still geworden um die Dienstleistungsgesellschaft Verdi in München. Seit Wochen schon hat Geschäftsführer Heinrich Birner zu keiner Demonstration mehr eingeladen, zu keiner Menschenkette und auch zu keiner Busfahrt zu einem Protestmarsch in einem anderen Teil Süddeutschlands. Bis zum 13. August haben Erzieherinnen, Sozialpädagogen, Kinderpflegerinnen und Kindheitspädagogen noch Zeit. Dann müssen sie sich entschieden haben, ob sie in den Tarifverhandlungen des Sozial- und Erziehungsdienstes mit im Schnitt 3,3 Prozent mehr Gehalt zufrieden sind, oder ob es sie wieder auf die Straße treibt, um für eine Aufwertung ihrer Berufe zu kämpfen.

Die Beschäftigten haben viel kritisiert: die aus ihrer Sicht zu niedrige Bezahlung, die Arbeitsbedingungen, die an den Nerven zehren, und dass die Gesellschaft ihre Tätigkeit als Babysitten abqualifiziert. Kurz: Wer mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, dessen Beruf gilt zunehmend als unattraktiv. Kein Wunder also, so argumentierte Verdi, dass vor allem in Großstädten wie München Fachkräfte fehlen. Wer erzieht freiwillig Kinder, wenn er für mehr Geld auch entspannt im Büro sitzen kann und nicht Mitte 30 schon an Rückenschmerzen und Schlafstörungen leidet?

Erzieherinnen fehlen allerorten

Die Arbeitsbedingungen bewirken zwar vielleicht, dass sich weniger für die Ausbildung entscheiden und Erzieher oft nicht bis zur Rente in ihrem Beruf arbeiten. Den Personalmangel erklären sie alleine aber nicht. Vielmehr ist der Ausbau der Kita-Plätze zum großen Teil schuld daran. Noch nie gab es ein so großes Angebot an Betreuungsplätzen für Kinder. Hatten 2007 noch 29 000 Kindergartenkinder und 6700 Krippenkinder einen Platz, sind es heute 41 000 Kindergarten- und 20 000 Krippenkinder. Gleichzeitig bleiben die Mädchen und Buben nachmittags immer länger. Das klassische Halbtagskind, das vor dem Mittagessen abgeholt wird, gibt es kaum mehr. Eltern stehen in München unter besonderem Druck - hochqualifizierte Frauen wollen schnell wieder arbeiten, ein Einkommen reicht vielen Familien nicht zum Leben. Eine weitere Entwicklung trägt zum wachsenden Bedarf bei: In der Stadt wohnen immer mehr Menschen - bis 2020 wird es wohl 1,73 Millionen Münchner geben. Für die zusätzlichen Kinder werden Kitas und Schulen benötigt.

Die Stadt hat auf diese Notwendigkeit mit einem großen Bauprogramm reagiert.

Vor sechs Jahren gründete sich die Arbeitsgruppe "Ausbauoffensive Kindertageseinrichtungen". Vorrangiges Ziel des Projekts war, bis zum August 2013 zumindest so viele Krippenplätze zur Verfügung zu stellen, dass die Stadt wegen des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige nicht von einer Klagewelle überrollt wird. Das ist bisher gelungen.

Platz für zusätzlich fast 15 000 Kinder

Mit großen Mühen. Die Experten der verschiedenen Referate standen vor einer Schwierigkeit: Sie sollten in der am dichtesten besiedelten Stadt Deutschlands geeignete Grundstücke finden. Das ist bisher an 87 von 230 untersuchten Standorten gelungen. Klappt alles nach den Wünschen des Planungsreferats, soll es an 137 neuen Standorten Tagesstätten geben mit Platz für knapp 8000 weitere Kinder. Insgesamt plant der Stadtrat bis 2020 allerdings sogar 14 700 neue Plätze.

Dieses Vorhaben kostet eine Menge Geld. Pro Kindergartenplatz ist mit 20 000 Euro an Investitionskosten zu rechen. Ein Hortplatz kostet 25 000 und ein Krippenplatz 38 000 Euro. Bis 2018 stehen für neue Tagesstätten 337 Millionen Euro zur Verfügung. Zudem bekommen nichtstädtische Träger 114 Millionen Euro an Baukostenzuschüssen; für die Ausstattung von Neubaugebieten mit Betreuungsplätzen gibt es im Etat 50 Millionen extra. Das macht eine halbe Milliarde Euro nur für Kitas.

Nicht alle Stadtteile sind gleich gut versorgt

Dass es bald ein größeres Kita-Angebot geben wird, wird Eltern freuen. Jede Familie, die einen Platz sucht oder gesucht hat, weiß, wie schwierig das ist. Allerdings sind nicht alle Stadtteile gleich im Ausbauprogramm berücksichtigt. Benachteiligt, so räumt das Planungsreferat ein, wird vor allem Obergiesing sein. Hier gibt es theoretisch nur für jedes vierte Kind im Krippenalter einen Platz. Die Aussichten, dort Grundstücke zu erwerben, stehen aber schlecht. In der Maxvorstadt, der Altstadt und in Schwabing liegen die Betreuungsquoten hingegen bei mehr als 50 Prozent. Dieser Schnitt soll auch stadtweit Ende dieses Jahres erreicht werden. Im Kindergartenbereich soll nahezu eine Vollversorgung herrschen.

Allerdings muss für all die neuen Gruppen erst einmal Personal gefunden werden. Die Stadt beschäftigt derzeit 2925 Erzieher, 1669 Kinderpfleger und 187 Sozialpädagogen in ihren 420 Kitas. 349 Stellen sind unbesetzt. Eine Statistik über den Fachkräftemangel in allen 1200 Münchner Tagesstätten, die auch die anderen Träger umfassen würde, gibt es nicht. Erschwerend kommt hinzu, dass nicht nur München seine Betreuungskapazitäten massiv erhöht. Im bundesweiten Vergleich (Stand 2013) nimmt die bayerische Landeshauptstadt nur einen Rang im Mittelfeld ein. Städte wie Leipzig (56,3 Prozent), Dresden (45,3), Berlin (43,7) oder Hamburg (38,4) hatten damals höhere Betreuungsquoten als München (30,8).

Das Bildungsreferat geht davon aus, dass im pädagogischen Bereich in München mit einem Mehrbedarf von bis zu 1000 Personen zu rechnen ist - im Jahr. Und schon jetzt stehen Räume leer, weil Gruppen wegen Personalmangels nicht eröffnen können. Es wird also noch einige Anstrengung nötig sein.

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