Bürgerinitiative gegen Abrisspläne:Münchner Freiheit(skämpfer)

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In sechs Wochen soll Schluss sein: Die Schwabinger 7, das Monopol Kino und Mamas Kepab Haus sollen abgerissen werden - für einen Neubau. Nun formiert sich Widerstand rund um die Münchner Freiheit.

Anne Goebel

Mustafa der Allmächtige hängt neben dem Treppenaufgang. Katzenhafte Augen, Blick ins Unendliche: So schauen todesmutige Männer, aber es ist zu befürchten, dass wenige Menschen ihn bemerken - in "Mamas Kebap Haus" befindet sich oben bloß die Toilette. Dabei haben sie extra die Wand gestrichen für den hochverehrten Gründer der Türkei, himmelblau wie das ägäische Meer. Die Kellner wissen natürlich Bescheid. Sie rasieren Döner in die Schaufel, streuen Gewürz, wischen über die Theke. Bei Mama ist alles blitzsauber.

Bürgerinitiative gegen Abrisspläne: Till Hofmann (rechts) betreibt in Altschwabing das Lustspielhaus. Hasan Arslans Lokal "Mamas Kebap Haus" ist seine Versorgungsstation.

Till Hofmann (rechts) betreibt in Altschwabing das Lustspielhaus. Hasan Arslans Lokal "Mamas Kebap Haus" ist seine Versorgungsstation.

Wer das sei, der Mann auf dem Foto? Einer richtet sich auf, als wolle er salutierend an sein weißes Käppi tippen. "Mustafa Kemal Atatürk". Spricht's und säbelt "einmal extragroß mit ohne scharf" in die Brottasche. Atatürk verzieht keine Miene, leise dudelt Orientpop. In "Mamas Kebap Haus" an der Feilitzschstraße wird eher unaufgeregt Völkerverständigung betrieben. Die einen kommen, weil sie Hunger haben. Die anderen kochen und stillen ihr Heimweh. Schwabing liebt ja Metaphern, und man könnte also in Hasan Arslans Zinktresen das Sinnbild einer entkrampften, großstädtischen, freundlich desinteressierten Koexistenz sehen. Ziemlich unmünchnerisch eigentlich. In sechs Wochen ist es damit vorbei.

"Rettet die Münchner Freiheit" heißt die Bürgerinitiative, die sich vor knapp vierzehn Tagen gegründet hat, um eine befürchtete Gleichmacherei in der Feilitzschstraße zu verhindern. Es geht um den mehrteiligen Komplex mit der Grillrostfassade, der neben dem Dönerlokal auch das Monopol-Kino, Modeläden sowie die legendäre Kneipe "Schwabinger7" beherbergt.

Niemand, mit dem man sich über den geplanten Abriss der Gebäude unterhält, behauptet, dass sie besonders schön seien. Aber die Fangemeinde des Nachkriegsprovisoriums sieht in dem urbanen Sammelsurium ein charakteristisches Merkmal des Viertels. Dass hier kein gesichtsloser Neubau oder feinrenovierter Altbau prangt, empfinden die Gründer der Initiative als bewahrenswerte Rarität. Ein Eck Hässlichkeit im postkartenschönen München sozusagen. Ein Stück weltstädtischer Verhau, Graffitis inklusive.

Das Altschwabinger Reservat der Unordnung auf kulturträchtigem Boden - im Nachbarhaus hatte Paul Klee sein Atelier - ist in den vergangenen Jahren einige Male vorschnell beerdigt worden. Seit aber bekannt wurde, dass die "Hamburgische Immobilien Handlung" das Areal gekauft und bei den Behörden jetzt konkrete Neubaupläne auf den Weg gebracht hat, regt sich Widerstand.

Bürgerinitiative sucht Unterstützer

Die Aufrufe der Aktionsgruppe liegen in Lokalen aus. Über Facebook sollen weitere Unterstützer gewonnen werden, um die "Aufwertung" der Feilitzschstraße7 zu verhindern. "Altschwabing fällt der Gentrifizierung zum Opfer", heißt es im Flyer der Bürgerinitiative. Die Münchner Grünen teilen diese Ansicht und haben den Antrag der "Grünen Jugend" angenommen, der einen "Stopp des laufenden Baugenehmigungsverfahrens" verlangt.

Till Hofmann steht vor dem Eingang zur Schwabinger 7 und ist einverstanden mit der Forderung. Der Betreiber des "Lustspielhauses" um die Ecke hat hier, in dem seltsamen Geschwisterpaar aus flacher Baracke und metallischem Kasten, seine Versorgungsstation. Tagsüber Essen auf die Hand von Mama Kebap - die Köche begrüßt er mit vertraulichem Nicken-, abends hin und wieder Bier am Tresen des "Club", wie es dezent auf dem Messingschild an der Tür steht. Die Schwabinger 7, berühmteste Absturzrampe der Stadt, tröstliche Heimat irrlichternder Nachtgestalten, sieht an diesem Morgen harmlos aus. Auf die Pappe mit den Sommeröffnungszeiten ist eine Sonne gemalt, im Aschenbecher türmen sich Kippen auf einer zerquetschten halben Tomate.

"Klar ist das eine Nachkriegsbaracke", sagt Hofmann. "Aber wurscht! Die hat mehr Leben als das ganze geschleckte München." Der gebürtige Passauer hofft, dass die Initiative den Abriss verhindert, "bevor hier alles verschickt wie im Glockenbachviertel". Man müsse ein einzigartiges Ensemble bewahren vor "Kaputtsanierern", die "noch den letzten Quadratmeter stylen" - Hofmann lächelt das reizendste Schwiegersohnlächeln und fügt an: "Ich erwarte von der Stadt, dass sie solche Pläne unterbindet und sagt, wir leisten es uns, eine besondere Struktur zu erhalten."

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