Bouldern:Griff nach Olympia

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Spezialist für schwierige Aufgaben: Alexander Averdunk sagt, Olympic Combined, der Dreikampf auf Lead, Speed und Bouldern, „ist auch eine sehr interessante Disziplin“. Beim Weltcup-Finale im Bouldern will er seinen Heimvorteil nutzen. (Foto: Lukas Barth)

Vor dem Weltcupfinale der Sportkletterer am Wochenende in München dreht sich in der Szene fast alles schon um Tokio 2020.

Von Niccolo Schmitter, München

Druck? Nein, Druck verspüre er eigentlich keinen. "Eher die Ambition, dass man dabei sein möchte. Wir wissen alle, wie schwer es ist, da hinzukommen", sagt Alexander Averdunk, mit 21 Jahren bereits einer der besten deutschen Sportkletterer. "Da", das sind die Olympischen Spiele 2020 in Tokio. Kurz vor dem Finale der Worldcup-Serie im Bouldern, das am 17. und 18. August im Münchner Olympiapark stattfindet, dreht sich bei den Profis fast alles um Olympia.

In zwei Jahren werden die Kletterer zum ersten Mal am sportlichen Großereignis teilnehmen. Wie sehr die Entwicklung den Sport verändert, ist schon jetzt ersichtlich. Der Deutsche Alpenverein (DAV) startete im Zuge dieser Veränderung bereits vor drei Jahren seine Initiative Leistungssport und bekam so Fördermittel vom Bundesinnenministerium. Dies machte beispielsweise die Einstellung eines Sportdirektors oder von Bundestrainern überhaupt erst möglich. Dazu kam die Olympia-Kampagne "Climb to Tokyo". Wolfgang Wabel, Leiter des Ressorts Leistungssports beim DAV, ist sich sicher: "Der Klettersport wird auf eine neue Stufe gestellt."

Einer der Athleten, der diese Entwicklung am eigenen Leib erfahren hat, ist Alexander Averdunk aus Markt Schwaben. Der Lokalmatador wurde 2015 als gerade mal 18-Jähriger beim Weltcup in München überraschend Siebter und verpasste das Finale um nur einen Platz. Damals habe er höchstens drei Mal die Woche trainiert. "Jetzt trainiere ich sieben bis acht Mal die Woche", berichtet Averdunk. Die Einheiten seien nun viel professioneller und zielgerichteter. Paradoxerweise fährt er seitdem schlechtere Ergebnisse bei Wettkämpfen ein. Der Grund dafür ist jedoch denkbar einfach: "Man merkt, dass alle viel mehr trainieren und viel stärker geworden sind."

Der einsetzende Wandel der Sportart verläuft beileibe nicht problemlos. Zum einen stellt sich vielen Kletterern die Frage, wie ihre so lockere und kollegiale Szene zum Größenwahn der Olympischen Spiele passe, zu all dem Kommerz, den Dopingproblemen und den Korruptionsvorwürfen rund um die Vergabe mancher Spiele. Vor allem jedoch stößt bei vielen der eigens für Tokio 2020 konzipierte Wettkampfmodus auf Kritik, der das Ergebnis eines Kompromisses mit dem Internationalen Olympischen Komitee war.

Beim neuen "Olympic Combined" werden die drei etablierten Wettkampfdisziplinen Speed, Bouldern und Lead zusammengefügt. Medaillen in den Einzeldisziplinen gibt es somit nicht, was Spezialisten ein Erklimmen des Podiums so gut wie unmöglich macht. Vor allem die deutschen Kletterer waren davon nicht begeistert, ist doch Speed, jene Teildisziplin, in der die Athleten schnellstmöglich eine genormte, 15 Meter hohe Wand erklimmen müssen, hierzulande äußerst unbeliebt.

Um seine Leistungssportler auf den neuen Wettbewerb vorzubereiten, hat der DAV in diesem Jahr in Augsburg die erste deutsche Meisterschaft im "Olympic Combined" veranstaltet. Averdunk wurde Vierter, die zusätzlichen Trainingseinheiten im Speed und Lead machten sich bemerkbar. Wenn man Speed mal ausprobiert habe, dann "macht das auch richtig Spaß" und bringe was für die anderen Disziplinen, urteilt der 21-Jährige. Die Skepsis gegenüber dem neuen Format sei in den vergangenen zwei Jahren merklich gesunken. Er habe "nicht so viel Gegenwind" bei anderen Kletterern mitbekommen, bestätigt Averdunk. Es gebe zwar Leute, die sich über das Fehlen der Einzeldisziplinen beschwerten, besonders schlimm finde er es aber nicht: "Olympic Combined ist auch eine sehr interessante Disziplin und hat seine Berechtigung."

Bouldern bleibt aber seine Spezialität, weshalb er für den Weltcup mit dem Halbfinale ein klares Ziel vor Augen hat. Mit anderen Worten: Bei 142 männlichen Teilnehmern will er unter die besten 20 kommen. Im Halbfinale werde er einfach "mal schauen", sagt Averdunk. Seinen Heimvorteil sieht er als weitere Motivation, dazu die einzigartige Stimmung in München. Um an Tokio 2020 teilzunehmen, wird er es jedoch um einiges schwieriger haben. Jedes Land darf maximal zwei Kletterer jedes Geschlechts nach Japan schicken. Die Qualifikation beginnt in der nächsten Saison. Dann ist der "Climb to Tokyo" auch offiziell eröffnet.

© SZ vom 10.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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