BND in Pullach:Geheimdienst unter Denkmalschutz

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Es klang nach einem guten Deal: Mit dem Verkauf des BND-Geländes sollte der Umzug nach Berlin finanziert werden. Doch jetzt sollen die Bauten auf dem Gelände teilweise unter Denkmalschutz gestellt werden.

Jürgen Wolfram

Diese Rechnung ging nicht auf: Jahrzehntelang hat der Bund geglaubt, dass das Gelände des Bundesnachrichtendienstes (BND) am Standort Pullach zig Millionen Euro wert ist. Der Verkauf dieser Grundstücksreserven im teuren Süden Münchens sollte genügend Geld bringen, um den Bau der neuen Zentrale und den Umzug des BND nach Berlin größtenteils zu finanzieren. Solche Hoffnungen haben sich nun zerschlagen:

Die Stabssiedlung auf dem BND-Areal soll unter Ensembleschutz gestellt werden - finden der bayerische Landesdenkmalrat und das Landesamts für Denkmalpflege. (Foto: Claus Schunk +49 1716039668)

Nach Meinung des bayerischen Landesdenkmalrats und des Landesamts für Denkmalpflege ist die sogenannte Stabssiedlung auf dem BND-Areal unter Ensembleschutz, teils zusätzlich unter Denkmalschutz zu stellen. Das hat der Denkmalrat, der aus Landespolitikern und Vertretern verschiedener Verbände besteht, in seiner jüngsten Sitzung bekräftigt - zum wiederholten Mal und juristisch unanfechtbar.

Es geht um gut ein Drittel der gesamten nutzbaren Fläche des Grundstücks, für die jetzt faktisch eine Veränderungssperre verhängt worden ist. Allenfalls architektonische Kosmetik ist noch möglich. Denkmalschützerische Restriktionen aber dämpfen erfahrungsgemäß die Preisvorstellungen potenzieller Immobilienkäufer. Dabei ist der Bund (hier vertreten durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, BImA) vor dem Umzug nach Berlin sehr darauf bedacht, bei der Veräußerung des Geländes möglichst hohe Erlöse zu erzielen. Insofern müssen die Unterhändler des Bundes den Spruch des Denkmalrats als massive Geschäftsstörung empfinden, auch wenn sie das aus diplomatischen Gründen so nicht sagen würden.

Die Kosten der neuen BND-Zentrale in Berlin-Mitte werden aktuell auf knapp 1,4 Milliarden Euro geschätzt; 500 Millionen Euro davon hätte die Veräußerung von Grundstücken in Pullach erbringen sollen. Kurt Zeitler vom Verkaufsteam der BImA-Hauptstelle München räumt ein, er weise neuerdings in seinen Exposés nolens, volens darauf hin, dass gewisse Objekte Bestandteile eines geschützten Ensembles geworden sind. Der Kunde müsse dann selber beurteilen, "ob er sich dadurch eingeschränkt sieht". Die ersten Ausschreibungen und Verkäufe hat Zeitler schon unter Dach und Fach, auch wenn es sich dabei noch um Liegenschaften in Randzonen jenseits des ummauerten BND-Kerngeländes handelt.

Von der Entscheidung des Landesdenkmalrats gravierend betroffen ist auch die Gemeinde Pullach. Seit dem Beschluss der rot-grünen Koalition von 2003, den Auslandsgeheimdienst überwiegend in die Bundeshauptstadt zu verlegen, führen BImA und Kommune Verhandlungen darüber, wie es nach dem Teilumzug - aktuelle, doch vielfach angezweifelte Durchsage: "bis Mitte des Jahrzehnts" - mit dem knapp 70 Hektar großen Gelände weitergehen soll. Die Planungshoheit über etwa drei Viertel des Riesengrundstücks fällt der 9300-Einwohner-Gemeinde automatisch zu, wenn die Mehrzahl der BND-Abteilungen an die Spree wechselt. Nur zwei technische Dienststellen mit etwa 1200 Mitarbeitern (von insgesamt 6300) sollen an der Isar bleiben.

Pullachs Bürgermeister Jürgen Westenthanner (CSU) sieht seine Kommune vom Denkmalschutz in der Planungsfreiheit behindert. Er spricht von einem "unbegreiflichen, nicht sachlichen Votum". Grund für seinen Ärger: Eigentlich will die Gemeinde so viel Grund vom Bund erwerben, wie sie sich nur irgendwie leisten kann. Auf diese Weise will Pullach seine weitere Entwicklung im Griff behalten und an der Heilmannstraße Platz schaffen für künftige Infrastruktureinrichtungen.

Zwar sinken beim BND nun möglicherweise die Grundstückspreise, doch was nützt's: Mit einem geschützten Ensemble antiquierter Bauten ohne jeden zeitgemäßen Wohnstandard lässt sich bei weitem nicht so viel anfangen wie mit einem leergeräumten Gelände, von dem man einst geträumt hat. Andererseits kommt die aktuelle Wendung nicht völlig überraschend: Generalkonservator Egon Johannes Greipl, Chef des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, hat schon vor Jahren durchblicken lassen, dass er die Stabssiedlung in ihrer Gesamtheit für überaus schützenswert hält.

Den reflexartigen Einspruch der Pullacher dagegen hat der Landesdenkmalrat am 28. Januar definitiv zurückgewiesen. Im Pullacher Gemeinderat teilt vor allem die CSU-Fraktion die Sichtweise des Bürgermeisters; eingetreten sei eine äußerst missliche Lage. Dabei schmerzt nicht nur der absehbare Verlust planerischer Spielräume die örtliche Union. Sie kann auch mit der mittlerweile ins Spiel gebrachten Idee eines Dokumentationszentrums über die unter den Nationalsozialisten errichtete Stabssiedlung respektive deren spätere Nutzung durch die US-Army, die Organisation Gehlen und den BND wenig anfangen. Dieses, so fürchten die Lokalpolitiker gar, könne sich zu einem Wallfahrtsort für Neonazis entwickeln. Wunsiedel sei ein warnendes Beispiel, hieß es wiederholt von dieser Seite.

Die anderen Parteien am Ort, vor allem die Grünen sehen in der jüngsten Entwicklung eher Chancen. "Endlich haben wir einen Anlass, uns mit der heiklen Pullacher Geschichte zu befassen", freut sich die aus Pullach stammende Landtagsabgeordnete Susanna Tausendfreund, "wir könnten ein Doku-Zentrum, Schulungsräume und mit etwas Kreativität überdies Kitas schaffen".

Tausendfreund ist sich sicher: "Wenn wir ein Dokumentationszentrum konzeptionell vernünftig aufziehen, werden wir keine Probleme mit Rechtsradikalen haben." Anders würde der FDP-Gemeinderat Alexander Betz diese Gefahr entschärfen. Zwar plädiert auch er für eine museale Verwendung insbesondere des dominanten ehemaligen Stabsleiterhauses (heute Sitz des BND-Präsidenten), würde sich aber auf die Nachkriegszeit beschränken. "Lohnend wäre doch vor allem, die Geschichte des BND im Kalten Krieg zu bewahren", sagt Betz.

Längst zur Tradition gehört der Hickhack um das BND-Gelände. Unvergessen, wie führende CSU-Vertreter, etwa Erwin Huber und Georg Fahrenschon, einst unablässig gegen den Ortswechsel des Dienstes nach Berlin protestierten. Ihr Lamento verstummte dann schlagartig in der großen Koalition.

© SZ vom 19.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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